Michelin will Lkw-Reifenproduktion aus Deutschland abziehen

Der französische Reifenhersteller Michelin plant laut Medienberichten offenbar massive Einschnitte in seine Deutschland-Präsenz: Mit dem wohl geplanten Rückzug seiner Lkw-Reifenproduktion aus Deutschland würden Stellenstreichungen und sogar die Schließung mehrerer Produktionsstätten einhergehen. Damit ist der Autozulieferer nicht allein in der Branche.
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Ausgerollt in Deutschland: Der französische Reifenhersteller Michelin.Foto: Hannibal/dpa
Von 29. Oktober 2023

Nachdem der Michelin-Konzern „mögliche Umstrukturierungen“ gegenüber den Belegschaften seiner Standorte in Deutschland angekündigt hatte, wurden diese Planungen von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) öffentlich gemacht.

Streichungen im Homburger Werk, komplettes Aus für Trier und Karlsruhe

Nach Gewerkschaftsangaben würden demnach circa 1.500 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Betroffen wären die Michelin-Standorte Homburg, Karlsruhe und Trier. Im Homburger Werk sollen Produktionslinien gestrichen werden, für die Standorte in Trier und Karlsruhe sei sogar die Schließung geplant.

Der Konzern selbst erklärte den Medien gegenüber, man habe „vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbsdrucks und steigender Kosten in Deutschland“ Beratungen mit den Sozialpartnern aufgenommen. Es ginge dabei um eine Produktionsreduzierung, eine Entscheidung zu möglichem Jobabbau oder Schließungen sei aber bislang nicht gefallen.

Was Michelin Deutschland offiziell „das Prüfen von Optionen“ für seine Werke in Karlsruhe, Trier und Homburg nennt, bezeichnet die Industriegewerkschaft IGBCE als „Sparprogramm“ zulasten von bis zu 1.500 Beschäftigten. Das wären über ein Viertel (27,78 Prozent) der rund 5.400 Beschäftigten, die für den französischen Konzern an deutschen Standorten arbeiten. Michelin ist aktuell mit 67 Reifenproduktionsstandorten in 17 Ländern präsent, der Konzern hat insgesamt 127.000 Beschäftigte weltweit.

Ohne Alternative „einfach ausknipsen“

Matthias Hille von der IGBCE Mainz, Konzernbetreuer und Aufsichtsratsmitglied bei Michelin Deutschland, kündigte Widerstand gegen den „beabsichtigte[n] Kahlschlag“ und die Abbaupläne an, in deren Zuge nicht nur die Produktion, sondern auch Teile der Administration verlagert werden könnten.

„Hier drohen ebenso traditionsreiche wie hochmoderne Standorte einfach ausgeknipst zu werden, ohne zuvor Alternativen systematisch durchdacht zu haben“, kritisiert Hille. Das Ganze sei „überhaupt nicht nachvollziehbar“.

Schlechtes Investitionsklima in Deutschland

Mit diesem angekündigten Rückzug aus der Lkw-Reifenproduktion steht Michelin nicht allein da, denn immer mehr Autozulieferer haben zu kämpfen und ziehen Konsequenzen bis hin zur Insolvenz. Das Investitionsklima in Deutschland ist „wirklich schlecht“, so Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), über Deutschlands Wirtschaft.

Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck hingegen betonte noch kürzlich, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland gut sei und er deshalb mit Milliardeninvestitionen von Unternehmen rechne.

Diesen Aussagen entgegen hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ob der wirtschaftlichen Entwicklungen im Land bereits Alarm geschlagen. DIHK-Präsident Peter Adrian gegenüber dpa: „Deutschland ist in einer Rezession. Wir sind eines der wenigen Länder in Europa, die wieder unter dem Vor-Corona-Niveau bei der Wirtschaftsleistung sind. Das ist ein Alarmsignal.“

Es gebe eine große Investitionszurückhaltung. „Wir liegen im Moment noch ganz deutlich mit den Ausrüstungsinvestitionen auf dem Stand vor Corona 2019. Eigentlich müssten wir einen deutlichen Impuls erfahren, weil Corona vorbei ist. Dass dieser Effekt bislang ausbleibt, ist bedenklich“, so Adrian.

Krise zieht sich durch die ganze Branche

Mittlerweile ist die gesamte Automobilbranche in der Krise: In Deutschland wurden in der Spitze im Jahr 2016 noch 5,7 Millionen Pkw hergestellt. 2021 waren es noch 3,1 Millionen, im Jahr 2022 stieg die Zahl auf 3,4 Millionen.

Unter den Zulieferern trifft es aber auch die Großen; Bosch, Continental und Co kämpfen mit Rückgängen oder roten Zahlen. Während allerdings die Branchenriesen die aktuelle Krise mit Strategien wie der von Michelin wohl durchaus überleben werden, haben es die kleinen Unternehmen in der Branche schwer.

Besonders betroffen sind viele Mittelständler, die Zulieferer der Automobilindustrie, die oft nur Einzelteile produzieren. Immer mehr dieser mittelständischen Unternehmen der Branche müssen Insolvenz anmelden.

Standortverlegung ins Ausland als Überlebensstrategie

Schon 2021 wurde die Produktion des wohl berühmtesten Mercedes-Teils, der Stern auf der Kühlerhaube, eingestellt. Gleiches gilt für die BMW-Kühlergrills, die bei der BIA GmbH im Werk der Tochtergesellschaft in Forst (bei Bruchsal) vom Band liefen. Der Hersteller von galvanisierten Kunststoffteilen und Zulieferer der Automobilindustrie entließ 154 Beschäftigte und machte die Forster Fabrik Ende Dezember 2022 dicht.

„Angesichts der seit rund zwei Jahren stetig fallenden Umsätze und dadurch rasant ansteigenden Verluste sehen wir leider keine Möglichkeit mehr für eine nachhaltige Fortführung der Gesellschaft“, begründete seinerzeit Unternehmenschef Jörg Püttbach den Schritt.

Auch Meldungen wie die von der Schließung von gleich zwei Produktionsstandorten der fränkischen Firma Fehrer in Deutschland zu spätestens Ende 2024 sind keine Seltenheit. Wie bei anderen Unternehmen wird auch hier die Produktion ins Ausland verlagert.

Man sehe sich „zu einer umfangreichen Restrukturierung gezwungen“, heißt es vonseiten des Unternehmens. Die Produktion werde nicht eingestellt, sondern an andere Standorte verlagert. „Nur so kann Schaden von der gesamten Fehrer-Gruppe abgewendet werden“, verlautete es im Juli 2023 vom weltweit führenden Spezialisten für Komponenten im Fahrzeuginnenraum: „Insgesamt sind 270 Arbeitsplätze betroffen. 140 in Großlangheim und 130 in Wiesentheid“, erklärte eine Sprecherin.

Die Kostenexplosion in Deutschland bekomme die Automobilindustrie besonders zu spüren. Kostentreiber seien die Corona-Pandemie, Lieferkettenprobleme, Rohstoffverknappung, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und „unerwartet hohe Tarifabschlüsse in Deutschland“.



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