Kreditanfragen von Unternehmen auf historischem Tiefpunkt

Die Kreditnachfrage von Unternehmen ist im zweiten Quartal so drastisch eingebrochen wie noch nie, wie aus einer Umfrage der EZB unter 150 Großbanken hervorgeht. Für die Eurozone stehen die Zeichen offenbar auf Rezession.
Titelbild
Die Kreditanfragen von Unternehmen sind im letzten Quartal drastisch eingebrochen.Foto: Boris Roessler/dpa/dpa
Von 28. Juli 2023

Die Kreditanfragen von Unternehmen sind im zweiten Quartal dieses Jahres so stark eingebrochen wie noch nie zuvor. Das geht aus der vierteljährigen Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) unter 150 Großbanken hervor.

Wie die am Dienstag veröffentlichte sogenannte „Bank Lending Survey“ belegt, erreichte der gemessene Nettowert ein Minus von 42 Prozent. Die Zentralbank misst dafür die Differenz zwischen den Banken, die einen Anstieg der Nachfrage melden, sowie den Banken, die einen Rückgang mitteilen. Seit der erstmaligen Messung dieses Wertes im Jahr 2003 sei der Nachfragerückgang noch nie so stark in den Keller gerutscht wie im vergangenen Vierteljahr, heißt es in der Pressemitteilung der EZB. Wie die Notenbank weiter in ihrem Bericht schreibt, hatten die Banken ursprünglich mit einem sehr viel weniger dramatischen Rückgang gerechnet.

Vor allem das Interesse an langfristigen Darlehen sei in der Eurozone stark zurückgegangen. Das sind die Darlehen, die von Unternehmen für Investitionen verwendet werden.

Die Erhebung der EZB deckt sich in etwa mit den Ergebnissen der Deutschen Bundesbank über die Kreditvergabe an Unternehmen, die eine Woche zuvor veröffentlicht wurde.

Hohe Zinsen – geringer Finanzierungsbedarf

Das nachlassende Interesse an Darlehen begründet die EZB vor allem mit den steigenden Zinsen und dem geringen Finanzierungsbedarf für Anlageinvestitionen. Das traf auf jede der vier größten Volkswirtschaften im Euroraum zu, also Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Am stärksten betroffen war Italien.

Dass die Nachfrage nach Krediten in den vorangegangenen Quartalen höher gewesen war, begründet der Bericht mit dem hohen Finanzbedarf für Betriebsmittel und Lagerhaltung. Unternehmen benötigten Kredite, um die Instabilität in ihren Lieferketten durch vollere Lager auszugleichen. Außerdem mussten sie aufgrund der Inflation mehr Geld für ihre Vorprodukte ausgeben.

Dieser Effekt spielt nun offenbar keine Rolle mehr. Im zweiten Quartal hatten Betriebsmittelkredite nur noch einen neutralen Einfluss auf die Kreditmittelvergabe. Da es sich hier meistens um kurzfristige Darlehen handelt, stützten diese bisher immer die Zahlen der Kreditvergabe. Das ist im aktuellen Bericht erstmals seit 2019 nicht mehr der Fall, schreibt die Bundesbank in ihrem Bericht.

Banken rechnen mit weiterem Rückgang

Für das dritte Quartal rechnen die Banken mit einem weiteren Nachfragerückgang bei Unternehmensdarlehen. Allerdings gehen sie davon aus, dass das Minus dann geringer ausfällt als im zweiten Quartal.

Obwohl das Interesse an Krediten seitens der Unternehmen drastisch abgenommen hat, haben die Banken nach Eigenangaben bisher ihre Vergaberichtlinien nicht erleichtert. Nach wie vor achten sie genau darauf, welchem Unternehmen sie Geld leihen. Die Banken hatten zuletzt europaweit ihre Kreditstandards verschärft. Daran werden sie wohl auch in absehbarer Zeit festhalten. So ist der Anteil der Banken, die in Europa Kredite abgelehnt haben, im Vergleich zum Vorquartal angestiegen.

Stehen die Zeichen in Europa auf Rezession?

Dass die Kreditnachfrage abnimmt und die Kreditstandards auf der anderen Seite verschärft werden, könnte auf eine länger anhaltende Rezession in der Eurozone hinweisen. Darauf weist auch der Geschäftsklimaindex des ifo Instituts in München hin, der im Juli zum inzwischen dritten Mal in Folge auf 87,3 Punkte von im Juni 88,6 Punkten absank.

Auch der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft verzeichnete im Juli einen alarmierenden Rückgang. Mit einem Wert von 48,3 Punkten fiel der Index um 2,3 und unterschritt erstmals seit Januar die Schwelle von 50 Zählern. Ein Wert unter 50 signalisiert eine Kontraktion und deutet auf eine mögliche Rezession hin.

Im Februar hatte die EZB in ihrem Wirtschaftsbericht eine deutlich optimistische Prognose für das zweite Halbjahr 2023 abgegeben. Ob sich diese halten lässt oder nach unten korrigiert werden muss, werden die nächsten Wochen zeigen. Momentan stehen die Zeichen auf Rezession.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion