Ein chinesischer Schriftsteller über die Weltausstellung in Shanghai

Titelbild
Lange Warteschlangen mitten in der Hitzewelle – das war der Anblick der Weltausstellung in Shanghai Anfang September.Foto: AFP/Getty Images
Von 3. Oktober 2010

Hallen mit hoch entwickelten Technologien wie auf vorherigen Weltausstellungen fehlen. Stattdessen warten auf der Weltausstellung in Shanghai kleine Spekulanten, Warteschlangen, leere Gebäude und Videos auf den Besucher.

Kürzlich sagte mir ein Taxifahrer in Shanghai: „Sie werden es bedauern, wenn Sie die Weltausstellung nicht besuchen. Doch es wird Ihnen noch mehr leid tun, wenn Sie es tun.“

Darum beschloss ich hinzugehen, um herauszufinden warum.

Gegen Mittag des 4. September machte ich mich mit meinem Freund Wang und seiner Freundin auf den Weg. Wang ist Medienmitarbeiter und hatte Freikarten. Er bot mir eine an, doch ich bestand darauf, meine eigene Eintrittskarte zu kaufen. Ich bezahlte 160 Yuan (16 Euro) – ein Vermögen in China. Wir brauchten 32 Minuten für die Sicherheitskontrolle am Eingang. Es gab nur zwei Eingänge mit Sicherheitskontrollen. Niemand beklagte sich.

Dann fragte ein illegaler Verkäufer von Eintrittskarten, ob wir „reservierte Karten“ kaufen wollten. Ich war nicht überrascht; denn meine chinesische Weisheit hat mich gelehrt, dass immer dann, wenn irgendetwas Unangenehmes oder Unfaires im Gange ist, jemand auftaucht, der dazu bereit ist ungesetzlich zu handeln und dir Hilfe anzubieten – du brauchst nur zu zahlen.

Nachdem wir 20 Minuten mit dem jungen Mann geplaudert hatten, bot er uns eine Führung an. Er empfahl uns die Besichtigung einiger kleiner Ausstellungshallen. Er rief auch jemanden an, damit wir in zwei größere Ausstellungshallen gehen konnten, ohne uns der Warteschlange anzuschließen. Er gab mir auch zwei reservierte Karten für die Ausstellungshalle von Macao. Vier Stunden später verabschiedeten wir uns mit einem Händeschütteln und tauschten unsere Telefonnummern miteinander aus.

Wang fragte mich, was ich dem Führer bezahlt hatte. Ich sagte ihm, dass ich nichts bezahlt hätte. Der junge Mann erwies sich als ausgesprochen nett. Nach einem kurzen Gespräch mit uns beschloss er, uns mit einem Blick hinter die Kulissen zu zeigen, wie die Weltausstellung in Shanghai tatsächlich abläuft und gab mir ein paar reservierte Karten umsonst.

Heimlichkeiten der Weltausstellung

Gleich zu Beginn erklärte unser Führer uns die Authentizität und den Ursprung einiger Dinge der Ausstellungshallen. Zum Beispiel waren die „authentischen“ von Hand gefertigten Stücke in der Afrikahalle tatsächlich im Yuyuan Garden and Town God’s Temple in Shanghai gekauft worden, erklärte er.

Er erzählte uns, dass er im letzten Jahr seinen Abschluss an einer Universität in Südchina gemacht im April mit seiner Arbeit für die Weltausstellung begonnen habe. Anfangs war er auf seinen Sicherheitsjob sehr stolz gewesen. Aber bald machte sich Enttäuschung in ihm breit, als er von den Heimlichkeiten erfuhr, durch die einige seiner Mitarbeiter reich wurden: Geld dafür zu nehmen, dass man bestimmte Leute herein ließ, ohne dass sie sich der Warteschlange anschließen mussten. Auf diese Art und Weise verdiente ein Oberaufseher der Sicherheitsleute mehr als 100.000 Yuan (10.000 Euro). Zu Stoßzeiten betrug der Preis pro Person 1.000 Yuan (100 Euro).

Man berichtete über den Oberaufseher und er wurde wie viele andere gefeuert. Auch mit dem Verkauf von reservierten Tickets konnte die Belegschaft Geld verdienen. Der Führer erklärte uns, dass die Sicherheitsbeauftragten ihm normalerweise am Eingang reservierte Tickets geben. Nach der Arbeit verkaufte er dann die Tickets und teilte sich den Gewinn mit der Belegschaft. Er sagte uns, dass er anfangs die Tickets nicht verkaufen wollte, aber er hätte „blöd“ da gestanden, wenn er es nicht getan hätte.

Er erklärte auch, dass von höherer Stelle die Anweisung gekommen sei, dass niemand auf dem Gelände der Weltausstellung sterben dürfe – das müsse unter allen Umständen vermieden werden.

Einmal habe ein Tourist versucht, sich vom zweiten Stockwerk der koreanischen Halle zu stürzen, weil er meinte, man habe ihn misshandelt. Glücklicherweise konnten ihn die Sicherheitskräfte noch rechtzeitig packen. Aber das Risiko, (auf der Weltausstellung zu sterben), ist immer noch sehr hoch. Als im August die Hitzewelle einsetzte, erlitten fast 300 Touristen in der Warteschlange einen Hitzschlag.

Es gibt nichts Sehenswertes

Unser Führer war der Meinung, dass diese Weltausstellung eine reine Abzocke sei und das nicht nur durch kurzfristige kleine Spekulanten wie er selber einer ist, sondern durch die Organisatoren. Sie seien die echten Abzocker. Sie leiten den gesamten Vertrieb, um Leute herein zu bringen, können aber keine entsprechenden Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Auf jegliche Art und Weise werden überteuerte Tickets verkauft aber andererseits geben sie Freikarten weiter, um das Verkaufsvolumen (der Tickets) zu erhöhen.

Er erklärte, dass die Weltausstellung jetzt schon überlaufen sei und doch setzten die Behörden alle Propagandamittel ein, um noch mehr Besucher zu bekommen. Er sagte auch, dass die größeren Hallen mit Ausnahme einiger Videos nichts Sehenswertes enthielten. Während seiner Ausbildung hatte er festgestellt, dass alle vorangegangenen Weltausstellungen in anderen Ländern Schaukästen fortschrittlicher Technologien und Ideen waren. Doch diese Weltausstellung zeigte nur Architektur und Videos. Er konnte nicht verstehen, warum sie als so wichtig angesehen wurde, dass so viele Leute sie besuchten.

Das Image in der Welt

Nachdem ich stundenlang herum gewandert war und mir alles angesehen hatte, musste ich unserem Führer zustimmen: Diese Weltausstellung in Shanghai ist ein eigenartiges Phänomen. Ich war schon an vielen Orten in der Welt aber nie zuvor habe ich Leute bei solch‘ heißem Wetter mehrere Stunden lang Schlange stehen sehen, nur um einige leere Gebäude zu besichtigen.

Und doch ist der gesamte Apparat der staatseigenen Medien in eine Marketing-Kampagne involviert, für die Weltausstellung zu werben und macht sie zu einem gigantischen Deal für das Image des Landes. Meiner Meinung nach ist die Weltausstellung in Shanghai genauso wie die Olympischen Spiele von den Behörden politisiert worden und die einfachen Chinesen müssen dafür zahlen.

Die Weltausstellung ist ein Ort, an dem die Welt China begegnet. Was sieht die Welt auf dieser Weltausstellung von China und was sieht das chinesische Volk von der Welt? Unser Führer hat es mir gesagt: „Dieser Ort wimmelt nur so von Enttäuschungen und Lügen.“

Die Ausstellungshalle von Macao ist ein Beispiel dafür. (Anm. der Macao ist ein Territorium ähnlich wie Hong Kong) Die Macao-Ausstellung setzt die verdrehteste Videoaufführung ein, die ich jemals gesehen habe: Reden des Regierungschefs und anderer Führer, köstliche Eiertorten, portugiesischen Barbecue, Ausblicke auf den Ozean und Wolkenkratzer. Was aber fehlt, ist das wichtigste Merkmal Macaos – seine Spielindustrie. Kann die Ausstellung von Macao als authentisch bezeichnet werden, ohne dass die Nummer 1 der Touristenattraktion und die Quelle seiner Einkünfte erwähnt werden?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Weltausstellung ihre Kapazität für Besucher erreicht und doch werden immer noch Freikarten verteilt, Gruppenreisen von Arbeitgebern organisiert und im staatseigenen Fernsehen gibt es weiterhin kostenlose Werbesendungen. Fast jede Stunde werden in Shanghai Filme, Werbesendungen und Nachrichten über die Weltausstellung gezeigt.

Wenn ich ein Besucher wäre, der von außerhalb der Stadt kommt und sein Ticket für die Weltausstellung schon gekauft hat, dann hätte ich beim Anblick der Warteschlangen wohl auch das Gefühl, keine andere Wahl zu haben, als jemanden dafür zu bezahlen, der mir die Warteschlangen erspart. Oder ich würde mir sogar überlegen, einen Rollstuhl zu mieten.

Yang Hengjun ist ein Kommentator und Schriftsteller. Dieser Artikel wurde auf seinem Blog veröffentlicht.

Originalartikel auf Chinesisch: 大纪元 – 【新纪元】上海世博 之素质论战

Artikel auf Englisch: World Expo Exposed, in Words of Chinese Novelist

 

 

 



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