Der Wörlitzer Park – ein „begehbares Bild“

Nicht nur, doch ganz besonders in diesem Sommer – sind der Wörlitzer Park und seine Bauwerke eine Reise wert.
 Im Juni und Juli konzertiert die Anhaltinische Philharmonie unter freiem Himmel im Amphitheater der Parkinsel Stein. Im August wird mit einem großen öffentlichen Picknick im Park fröhlich weitergefeiert.
Titelbild
Strahlend schönes Jubiläum. Das Wörlitzer Schloss und sein Park werden 250 Jahre alt.Foto: Detlef Huhn, CC BY-SA 3.0
Von 20. Juni 2023

Es gilt ein außergewöhnliches Jubiläum zu begehen: Vor 250 Jahren, also im Jahr 1773, wurde das Schloss Wörlitz fertiggestellt und als erstes herausragendes Bauwerk seiner Art zur Initialzündung des deutschen Klassizismus. Im selben Jahr fand auch die erste große Etappe der Gartengestaltung des weltberühmten Landschaftsparks ihren Abschluss.

Dabei kennt der Wörlitzer Park keine verschlossenen Gittertore, keine schmiedeeisernen Zäune oder hohe, abweisende Parkmauern – und das von Beginn seines Bestehens an – bis heute. Er stand damals und steht auch heute allen Spaziergängern, Lustwandlern, Architekturliebhabern und Naturgenießern offen.

Selbst das Schloss konnten Interessierte schon kurz nach seiner Fertigstellung bei Abwesenheit des Fürstenpaares und nach einfacher Anmeldung ohne große Umstände besichtigen. Heute erwirbt man eine Eintrittskarte und trägt so zum Unterhalt der Anlage bei. Damals führte der Kastellan des Schlosses Besucher bereitwillig durch die geschmackvoll ausgestatteten klassizistischen Räume und großzügigen, lichtdurchfluteten Hallen.

Erbauung und Bildung für alle

Ganz offen und selbstverständlich zeigte sich hier der Reichtum, Stand und Einfluss des Bauherrn von Schloss und Park. Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau fühlte sich jedoch gleichzeitig – ganz im Sinne der Aufklärung – der Bildung und Erbauung seiner Untertanen verpflichtet.

Das gesamte Ensemble aus Landschaftspark, Bau- und Kunstwerken strahlt den Wunsch nach Schönheit und Harmonie, nach neuen Perspektiven, überraschenden Sichtachsen, nach unerwarteten Entdeckungen und erstaunlichen Einsichten aus, die sein Erbauer jedoch nicht für sich allein behalten, sondern mit anderen teilen mochte.

Durch ein Landschaftsbild dahingleiten: Im Wörlitzer Park ist es möglich. Foto: Rabe!, CC BY-SA 4.0

Leuchtend helles Schloss in sattem Grün

Das leuchtend helle, in zartem Gelb und Weiß getünchte Wörlitzer Schloss, eingebettet in das satte Grün seines 112 Hektar großen Parks, nannte der Bauherr dezent meist nur das „neue Haus“.

Im Jahr 1769 hatte er im Alter von 29 Jahren, als junger Fürst von Anhalt-Dessau, den Auftrag zum Abriss eines barocken Vorgängerbaus und zur Errichtung des „Fürstlich Anhalt-Dessauischen Landhauses“ erteilt. Schon vier Jahre später ist das Schloss nach den Plänen des Baumeisters Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff fertiggestellt.

Auf großer Erkundungstour durch fast ganz Europa

Pläne und Ideen für dieses ambitionierte Projekt kamen natürlich nicht aus dem Nichts. Sie waren das Ergebnis langer Überlegungen und Studien.
 Vor der Planung von Schloss und Park waren umfangreiche Bildungs- und Erkundungsreisen, sogenannte „Grand Tours“ absolviert worden.

Auftraggeber und Architekt besuchten Fürstenhöfe, Adelssitze, Bauwerke und Parks in fast ganz Europa. In den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz, doch vor allem in England und Italien fanden die Reisenden die Inspirationen, die sie gesucht und erhofft hatten.

Porträt von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) um das Jahr 1766 gemalt vom österreichischen Maler Anton von Maron in Rom. Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

So kam es in Rom zu prägenden Begegnungen mit dem Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann, dem Architekten und Zeichner Charles-Louis Clérisseau und dem Baumeister Giovanni Battista Piranesi. Insbesondere Winckelmanns Begeisterung für die Antike und seine Forderung nach „edler Einfalt und stiller Größe“ in Kunst und Architektur wurden zur gedanklichen Basis des sich anbahnenden deutschen Klassizismus.

In England wiederum begegnete die Reisegruppe Bauwerken der Brüder Robert und James Adam, die – beeinflusst von den Bauten des italienischen Renaissancearchitekten Andrea Palladio – ihren eigenen, von der Rückbesinnung auf Proportionen und Formen der Antike geprägten, charakteristischen Stil entwickelt hatten.

Gleichzeitig trafen die Reisenden auf einen in England bereits seit mehreren Jahrzehnten etablierten Gartenstil, der unter anderem von Landschaftsmalern des Barock wie Gaspard Poussin und Claude Lorrain inspiriert war.

Begehbare Bilder der Natur

Ab den 1720er-Jahren hatte sich in England die Idee des Gartenparks durchgesetzt, der sich als großes, begehbares Bild begriff. Ein genau geplantes, doch natürlich wirkendes Bild, dessen Erscheinung durch Tages-, Jahreszeiten und immer neue Blickwinkel des flanierenden Betrachters stetigem Wandel unterliegt und immer wieder neue Eindrücke und Gefühle vermittelt.

Als Glücksfall erwies sich, dass der Fürst von Anhalt-Dessau um 1763 den Gärtnerssohn Johann Friedrich Eyserbeck kennengelernt und umgehend als fürstlichen Hofgärtner eingestellt hatte. Durch seine Lehr- und Wanderjahre in Holland und England geprägt, ergänzte er die Reisegesellschaft in England geradezu ideal.

Auf Eyserbeck gehen dann auch große Teile der Gartenplanungen zurück. Von 1768 datieren seine ersten gezeichneten Entwürfe und gemeinsam mit seinen kongenialen Kollegen Johann Christian Neumark und Johann Leopold Schoch ließ er das harmonische und bis ins Detail konzipierte Landschaftsbild des Wörlitzer Parks Schritt für Schritt entstehen, das sich über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte in seiner ganzen Schönheit entfalten sollte.

Um den Wörlitzer See, einem Altarm der Elbe angelegt, führt der Park Wasser, Land und vielfältige Vegetation mit über einem Dutzend Gebäuden und 17 Brücken unterschiedlicher Stile, künstlichen Inseln, Grotten, einem Labyrinth, Tunnelsystemen, Statuen und Monumenten zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk zusammen.

Eine von 17 unterschiedlichen Brücken im Wörlitzer Park, die sogenannte „Hohe Brücke“. Foto: Empiriokritizismus, CC BY-SA 4.0

Landesvater mit Visionen

Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau von seinem Volk Fürst Franz oder geradezu liebevoll Vater Franz genannt, blieb bei der Umsetzung dieses faszinierenden Werkes jedoch nicht stehen.

Epochen überspannend ließ er den Wörlitzer Park mit schon bestehenden Garten- und Schlossanlagen seines Fürstentums zum bereits im 18. Jahrhundert sogenannten „Gartenreich Dessau-Wörlitz“ vernetzen. Mit den – oft von zweireihigen Obstbaum-Alleen gesäumten – Verbindungsstraßen zwischen den Parkanlagen erstreckt es sich über eine Fläche von über 150 Quadratkilometern.

Das Gotische Haus lugt zwischen Bäumen hervor. Foto: Rabe!, CC BY-SA 4.0

Zeitlos schönes Erbe

Das Leitmotiv des Fürsten zeigt sich hier besonders anschaulich. „Das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden“ war sein erklärtes Lieblingsziel. Aus diesem Motto, das der römische Dichter Horaz in der Antike formuliert hatte, entsprang auch die fürstliche Idee einer allgemeinen „Landesverschönerung“ des Fürstentums, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens umspannen sollte und dem Land und seinen Bürgern allgemeinen Aufschwung und wachsende Prosperität schenkte.

Sichtbar, ergehbar und erlebbar ist das Schöne und das Nützliche damals wie heute in zeitloser und unvergleichlicher Weise im paradiesisch anmutenden Gartenreich des Fürsten, das er und seine Baumeister den vergangenen und zukünftigen Generationen hinterlassen haben.

Zusätzlich zu den vielfältigen Veranstaltungen des alljährlichen Gartenreichsommers des Gartenreichs Dessau-Wörlitz finden in diesem Sommer am 30. Juni, sowie am 1. und 2. Juli Konzerte auf der Insel Stein im Wörlitzer Park statt. Ein öffentliches Picknick ist für den 12. August geplant.


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