Fakten und Verstehen passen oft nicht zusammen

Titelbild
Symbolbild. Ein Mann schreitet am 14. August 2008 über das CIA-Logo in der Lobby des CIA-Hauptsitzes in Langley, Virginia.Foto: Saul Loeb/AFP/Getty Images
Von 15. September 2009

Wieviel dürfen wir wissen? In diesem Internet-Zeitalter, wo wir fast alles googlen können, könnte man meinen, wir wären besser informiert, als wir es tatsächlich sind. Wir haben Gesetze über die Auskunftspflicht öffentlicher Einrichtungen  und einen Präsidenten der Transparenz versprochen hat. Auf einer Webseite, die für jeden zugänglich ist, informiert er über so manches Detail seiner Arbeit. Und doch ist da wesentlich mehr, über das wir noch nichts, vielleicht nie etwas erfahren werden.

Endlich ist ein Bericht über die Misshandlung von Häftlingen durch die CIA aufgetaucht, doch Jahre nach der Tat und in einer stark verkürzten Form – sprich zensiert. Schon der für die strafrechtliche Verfolgung eingesetzte Ankläger sagte, die Informationen seien unzureichend. Der „Geldzar“ des Präsidenten traut sich nicht bekannt zugeben, was er über  Firmenentschädigung herausgefunden hat, weil er befürchtet, er könnte damit, Gott behüte,  „Angriffsflächen für Volkszorn“ schaffen.

Reuters berichtet, „Kenneth Feinberg hat gesagt, er ist nicht sicher, wie viele Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden. Gesetze zum Schutz der Persönlichkeit, und die Sorge, Personen in leitenden Positionen könnten zur Zielscheibe des Volkszornes werden, sprechen für die Einschränkung solcher Offenlegungen.“ Feinberg, der am 16. August auf Martha’s Vineyard seine einzige öffentliche Bemerkung von sich gab, seit er Präsident Obamas Weichensteller für die Management-Gehälter wurde, bezeichnete die Frage der Offenlegung als „ernstes Problem“. „Es besteht eine Spannung zwischen dem, dass man die spezifische Gesamtvergütung dieser Personen nicht in jeder Zeitung im Land auf die Titelseite bringen will … und dem Recht der Öffentlichkeit auf Information“, sagte er.

Wovor haben sie Angst? Anscheinend vor peinlichen Protesten. Hier wird die Sorge zitiert: „Eine frühere Bekanntgabe hätte Kritik ausgelöst an Finanzminister Timothy Geithner „und  linksgerichtete Gruppierungen dazu aufgefordert, Bustouren zu den Privatwohnsitzen der AIG-Mitarbeiter zu organisieren.“

OMG, bloß nicht!

Schließlich befiehlt ein Richter der Federal Reserve Bank, Informationen, auf deren Geheimhaltung sie bestanden hat, offenzulegen. Eine gute Sache. Bloomberg berichtet: „Manhattens Oberste Bezirksrichterin, Loretta Preska, wies das Argument der Zentralbank zurück, die Aufzeichnungen würden nicht unter das Gesetz fallen, weil deren Freigabe die Wettbewerbsfähigkeit der Geldnehmer schädigen würde. Die zusätzlichen Listen „sind das Entscheidende, will man die Antwort der Regierung auf die bisher verhängnisvollste Finanzkrise in Amerika seit Beginn der großen Depression verstehen und einschätzen, gemäß dem Rechtsstreit, der zu gestrigem Beschluss führte.“

Die Notwendigkeit der Illusion

Sicher, der Mangel an Information, durchgehende Falschinformation der Medien und die „Spin control“ durch mächtige Lobbys beeinflussen, was Menschen wissen, denken und worüber sie nachdenken. Oder, mehr noch, nicht nachdenken! Es ist sogar noch schlimmer. Manchmal halten wir sogar an Glaubenssätzen fest, obwohl sie nicht der Wahrheit entsprechen. Wenn es nötig ist zu glauben, kehrt man die Fakten unter den Tisch.

James Howard Kuntsler hat den finanziellen Niedergang nachverfolgt. Er schreibt: „Der Schlüssel zum derzeitigen Idiotismus ist sicherlich diese Erwartung, dieser Wunsch, all die Gaunereien, Spielchen, Täuschungen, Maschen und Übergangslösungen, die das amerikanische Bankenwesen, Unternehmertum und die Regierung in den vergangenen 30 Jahren entworfen haben – um die düstere Tatsache zu vertuschen, dass wir heutzutage so wenig an wirklicher Größe hervorbringen – einfach auf magische Weise wieder mit Vollgas laufen,  wie eine Maschine, die eben ein paar Wochen zur Reparatur war. Dies wird selbstverständlich nicht passieren.“ Klingt richtig, aber werden Menschen, die sich so sehr eine Wirtschaft wünschen die mirakelgleich zurückfedert, diese Realität akzeptieren, oder bevorzugen sie unseren Staat der Verleugnung?

Es gibt sogar eine neue Studie, die besagt, dass sich viele von uns auf angenehme Wahrheiten stützen, und unangenehme ablehnen. Eine Zeitschrift berichtet: „In einer Studie, veröffentlicht in der neuesten Ausgabe des Journals Sociological Inquiry, untersuchen  Soziologen von vier führenden Instituten einen der merkwürdigsten  Aspekte der Präsidentschaftswahl 2004: die Stärke und Ausdauer vieler Amerikaner in dem Glauben,  Saddam Hussein habe etwas mit den Terroranschlägen vom 11. September zu tun gehabt. Obwohl dieser Glaube die Wahl im Jahr 2004 beeinflusste, reklamieren die Forscher, resultiere dieser nicht aus der Bush-Propaganda, sondern dem dringenden Bedürfnis vieler Amerikaner, einen Krieg der bereits im Gange war zu rechtfertigen. Die Ergebnisse dürften Gründe, warum manche Menschen beispielsweise falsche Überzeugungen über das Für und Wider der Gesundheitsreform bilden, oder bezüglich Präsident Obamas Nationalität, neu beleuchten. Die Studie: „Es muss einen Grund geben: Osama, Saddam und Rückschlüsse“ nennt solche unbegründeten Glaubenssätze „eine ernsthafte Gefahr für demokratische Theorie und Praxis“ und hinterfragt, wie und warum sie ohne unterstützende Beweise so lange und unter so vielen Wählern Bestand haben konnten.

So formt unsere Kultur nicht nur Bewusstsein, sondern erzeugt ebenso auch unrichtiges Bewusstsein.

Gleichheit und andere Werte

Nehmen wir die Idee der Gleichheit. Wir glauben, unser Land nimmt mehr Gleichheit an, während die Tatsachen in eine andere Richtung weisen, nämlich hin zu mehr wirtschaftlicher Ungleichheit. Dazu ein Artikel in der London Review of Books. Walter Benn Michaels hinterfragt unsere Illusionen in seiner Kritik: „Wer kümmert sich um die weiße Arbeiterklasse?“, herausgegeben von Kjartan Pall Sveinsson: „Eine offensichtliche Frage ist demnach, wie wir die Tatsache verstehen sollen, dass wir in einigen Gebieten so viele Fortschritte gemacht haben, in anderen aber rückwärts gegangen sind. Und eine fast ebenso offensichtliche Antwort: Gebiete, in denen wir Fortschritte gemacht haben, stehen in grundsätzlichem Zusammenhang mit den tiefsten Werten des Neoliberalismus, und dort wo wir es nicht getan haben, ist es nicht so.“

„Wir können diesen Punkt direkter ansprechen, wenn wir in Betracht ziehen, dass zunehmendes Tolerieren von wirtschaftlicher Ungleichheit und zunehmende Intoleranz gegenüber Rassismus, Sexismus und Homophobie – gegenüber Diskriminierung als solcher – fundamentale Werte des Neoliberalismus sind. Deshalb die herausragenden Fortschritte beim Kampf gegen Diskriminierung, und deshalb auch seine Grenzen als Beitrag an jede  linksgerichtete Politik. Die vermehrten Ungleichheiten des Neoliberalismus wurden nicht durch Rassismus und Sexismus verursacht und können nicht geheilt werden durch Anti-Rassismus oder Anti-Sexismus – Sie werden auch nicht mit Anti-Rassismus oder Anti-Sexismus betitelt.“

„Somit hat der Vorrang  der Anti-Diskriminierung nicht nur die ökonomische Funktion bei der Bildung leistungsfähiger Märkte, sondern auch die therapeutische Funktion, dass diejenigen, die von jenen Märkten profitiert haben, nachts besser schlafen können.“ Der Kampf um Transparenz und mehr Informationen ist kritisch, er muss aber damit einhergehen, die Tatsachen zu erklären und die Punkte zu verbinden, will man die Wahrheit finden. Ansonsten werden wir weiterhin in einer Welt der Täuschung leben. Weitere Details finden sich in Chris Hedges neuem Buch, „Reich der Illusion“.

News Dissector Danny Schechter ist Herausgeber von Mediachannel.org. Er dreht gerade einen Film und beendet sein Buch über die Finanzkrise als Verbrechensgeschichte. Schreiben Sie an:  [email protected].

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 35/09

 



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