Urteil: Keine „Rosinenpickerei“ für Beamte – Streikverbot für verbeamtete Lehrer bleibt

Viel Hoffnung hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gesetzt. Nun wurde sie bitter enttäuscht.
Trotz günstiger Vorzeichen für ein wohlwollendes Urteil nahm der Prozess eine überraschende Wende. Foto: iStock
Trotz günstiger Vorzeichen für ein wohlwollendes Urteil nahm der Prozess eine überraschende Wende.Foto: iStock
Von 20. Dezember 2023

Spätestens in der Corona-Zeit hat sich gezeigt, dass kritische Lehrer am kürzeren Hebel sitzen. Die Vorschriften des Beamtenrechts machen es ihnen schwer, ihre Stimme zu erheben. In der vergangenen Woche musste nun die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine herbe Niederlage einstecken. Am 14. Dezember bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg die Entscheidung früherer Gerichte: Verbeamtete Lehrkräfte dürfen in Deutschland nicht streiken. Die GEW zeigte sich enttäuscht, denn sie hatte eine andere Entscheidung erwartet.

Bereits im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich deutlich gemacht, dass es verfassungsgemäß und europarechtlich rechtmäßig sei, dass deutsche Beamte nicht streiken dürfen. Das Gericht sah das Streikverbot auch mit dem Grundsatz der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Die Gewerkschaft widersprach und zog vor das Straßburger Gericht.

GEW sieht Streikrecht auch für Beamte

Die GEW geht – wie das Völkerrecht und das internationale Arbeitsrecht – davon aus, dass es ein Menschenrecht auf sogenannte Kollektivverhandlungen gibt, wozu auch Streiks als letztes Mittel gehören. Als Menschenrecht wohne es dem Menschsein inne und dürfe nur unter sehr eng umgrenzten Bedingungen eingeschränkt werden.

Im Gegensatz zu allen anderen demokratischen Staaten würde den deutschen Beamten dieses Recht verwehrt, kritisiert die GEW. In Deutschland lebe nach Ansicht der Gewerkschaft im Beamtenrecht „die obrigkeitsstaatliche Fiktion fort, wonach der fürsorgliche Dienstherr seine Beamten so gut versorgt, dass ein gleichberechtigtes Aushandeln der Beschäftigungsbedingungen überflüssig wird“. Das sei aber nicht mehr zeitgemäß.

Rechtsweg ausgeschöpft

Mit dem ablehnenden Urteil des EGMR ist der Rechtsweg nun ausgeschöpft. „Das ist jetzt die Situation, mit der wir leben müssen, das Urteil ist rechtskräftig“, so der Prozessvertreter der GEW, Rudolf Buschmann, in einer Pressekonferenz nach dem Urteil.

Doch es gibt einen Lichtblick. „Die Begründung des EGMR-Urteils enthält auch eine Aufforderung an Bund und Länder, sich mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an einen Tisch zu setzen und über eine demokratische Fortentwicklung zu einem zeitgemäßen Beamtenrecht in Deutschland zu sprechen“, betonte GEW-Vorsitzende Maike Finnern. „Hier müssen wir ansetzen und diese Rechte stärken.“

Hintergrund

Die GEW fordert gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund die vollen Koalitionsrechte auch für Beamte. Seit den 1970er-Jahren hat es immer wieder Streikaufrufe der Bildungsgewerkschaft gegeben. In den vergangenen zehn Jahren sind rund 10.000 verbeamtete Lehrkräfte in verschiedenen Bundesländern den Streikaufrufen der GEW gefolgt, meist als „Warnstreik“ für einige Unterrichtsstunden.

In den Jahren 2009 und 2010 hatten sich auch drei Lehrerinnen und ein Lehrer an den Warnstreiks beteiligt, wie Epoch Times berichtete. Dabei ging es zum Teil um die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Besoldung von Beamten und die Abwehr von Verschlechterungen in der Pflichtstundenordnung des Landes Schleswig-Holstein.

Die Lehrkräfte beriefen sich auf ihr Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Verbot der Diskriminierung und argumentierten, dass ein Streikverbot unverhältnismäßig und im Vergleich zu Lehrern ohne Beamtenstatus diskriminierend sei. Ihr Dienstherr strafte sie dafür mit Disziplinarmaßnahmen ab, wogegen die Lehrer wiederum mit GEW-Rechtsschutz klagten.

Aufgrund von früheren EGMR-Entscheidungen sah sich die Gewerkschaft ermutigt, den Weg vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg zu beschreiten. So hatte das EGMR in einem früheren Rechtsstreit das in der Türkei verhängte pauschale Beamtenstreikverbot als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gesehen. Vor einigen Jahren hatten die Richter insoweit entschieden, dass Beamte streiken dürfen, solange sie keine hoheitlichen Aufgaben bei den Streitkräften, der Polizei oder in der Staatsverwaltung wahrnehmen. Umso enttäuschter war die GEW, dass die Klage scheiterte.

Beamtenbund fühlt sich bestätigt

Freude hingegen löste das Urteil beim „dbb beamtenbund und tarifunion“ aus, welcher die Interessen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst vertritt. Das Streikverbot sei eng verknüpft mit den verfassungsrechtlichen Fundamenten des deutschen Berufsbeamtentums und lasse keine „Rosinenpickerei“ zu.

Die GEW habe sich „aus rein dogmatischen Gründen“ gegen die eindeutige Bewertung des Bundesverfassungsgerichts gewandt und „versucht, einen Konflikt auf europäischer Ebene über unsere Verfassung heraufzubeschwören“. Dass dieses Vorgehen gescheitert ist, begrüßte der dbb ausdrücklich.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion