Komplexe Symptomatik, keine Diagnose: Krank durch Brustimplantate?

Immer mehr Frauen berichten von Beschwerden, nachdem sie Brustimplantate erhalten hatten. Die vielfältigen Symptome werden von den Betroffenen als Brustimplantatekrankheit bezeichnet. Allerdings gibt es für die oftmals missverstandene Krankheit noch keine offizielle Bezeichnung oder eindeutige Diagnose.
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Silikonimplantate gelten als sicher. Doch sie beinhalten viele chemische Stoffe, die für den Körper schädlich sind.Foto: iStock
Von und 5. August 2023

Janna Durkee, eine Krankenschwester und Mutter von vier Kindern, litt jahrelang unter unerklärlichen Symptomen. Die Ärzte konnten bei Untersuchungen allerdings nichts finden. Als sie innerhalb weniger Monate zwei schwere allergische Reaktionen hatte – eine davon so heftig, dass sie einen Krankenwagen rufen musste –, war sie voller Angst.

„Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, dachte sie damals. Durkee hatte das beklemmende Gefühl, dass ihr ein Unheil bevorstand. Ihr Arzt konnte ihr das Gefühl nicht nehmen, denn er konnte nicht die Ursache für ihre Beschwerden finden.

Sie ließ Blutuntersuchungen, eine Mammografie und eine Brustultraschalluntersuchung durchführen. Alle Ergebnisse waren unauffällig. Dann stieß sie auf eine von ihrer Freundin geteilte Facebook-Gruppe und plötzlich änderte sich alles. Die Gruppe heißt „Breast Implant Illness and Healing“ (auf Deutsch etwa: „Brustimplantatekrankheit und Heilung“) von Nicole und zählt mittlerweile über 180.000 Mitglieder.

„Als ich die Geschichten dieser Frauen las, wurde mir einiges klar“, erzählt sie. „Ich konnte mich in so vielen dieser Erfahrungen wiederfinden.“

Brustimplantate und ihre Defekte verursachen persönliche Horrorgeschichten mit einer Vielzahl von Symptomen. Viele Ärzte behaupten jedoch, dass all dies nur in den Köpfen der Frauen stattfindet.

Was ist die Brustimplantatekrankheit?

Obwohl es sich nicht um eine offiziell anerkannte Krankheitsdiagnose handelt, ist die Brustimplantatekrankheit oder „Breast Implant Illness“ (BII) eine komplexe Ansammlung von Symptomen, die bei zuvor gesunden Frauen nach dem Einsetzen von Brustimplantaten auftreten können. Sie beeinflusst den gesamten Körper und umfasst körperliche und psychische Beschwerden, die oft schwerwiegend und einschränkend sind. 

Dazu gehören unter anderem chronische Müdigkeit, Gelenkschmerzen, Herzrasen, Gedächtnisstörungen und Konzentrationsprobleme, Migräne, Muskelschwäche, Taubheitsgefühle und Hautausschlag, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf seiner Website dargelegt.

Außerdem ist es nicht möglich, genaue Zahlen zu BII zu finden. Grund dafür sind die unspezifischen und vielfältigen Symptome, die den Ärzten die Krankheitsdiagnose erschweren, sowie dass der kausale Zusammenhang zu Brustimplantaten nicht immer sicher hergestellt werden kann. Das schreiben Forscher in einer Übersichtsarbeit, die im Januar 2023 in der Fachzeitschrift „Plastische Chirurgie“ erschien. Ferner gibt es in Deutschland kein funktionierendes zentrales Implantateregister, das BII-Fälle systematisch erfasst, heißt es in der Arbeit weiter.

Die US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) erfasst diese Daten jedoch. Im Jahr 2020 gab sie einen Bericht heraus, in dem die zehn häufigsten Symptome von BII aufgelistet waren. Zu den Beschwerden gehörten unter anderem (Mehrfachnennungen waren möglich):

  • Müdigkeit (49 Prozent), 
  • Konzentrationsschwäche (25 Prozent), 
  • Gelenkschmerzen (25 Prozent), 
  • Angstzustände (24 Prozent), 
  • Haarausfall (21 Prozent), 
  • Depression (19 Prozent), 
  • Hautausschlag (18 Prozent), 
  • Autoimmunerkrankungen (18 Prozent), 
  • Entzündungen (18 Prozent) und 
  • Gewichtsprobleme (18 Prozent). 

Da die Symptome so vielfältig, vage und zusammenhangslos sein können, dauert es oft eine Weile, bis die Frauen erkennen, dass sie eine Folge ihrer Implantate sein könnten. Auch die Ärzte stellen diesen Zusammenhang oft nicht her und viele sind sich der BII nicht bewusst.

Laut den Zahlen der internationalen Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie (International Society of Aesthetic Plastic Surgery) wurden im Jahr 2020 weltweit etwa 1,6 Millionen Brustimplantate eingesetzt. 80 Prozent davon waren ästhetischer Natur und 20 Prozent rekonstruktive Eingriffe nach einer Brustentfernung, Verletzung oder Fehlbildung.

In Deutschland legten sich neuesten Zahlen aus dem Jahr 2021 zufolge 66.945 Frauen für eine Brustvergrößerung unters Messer. Damit liegt Deutschland weltweit auf dem fünften Platz nach Argentinien (circa 67.500), Mexiko (circa 77.700), Brasilien (circa 178.000) und den USA (circa 378.700).

Bei so vielen Frauen, die sich ihre Brust vergrößern lassen, könnte die Zahl derer, bei denen Symptome auftreten, erheblich sein.

Eine umstrittene Diagnose

Die Thematik rund um die Brustimplantatekrankheit gestaltet sich komplex, da einige Ärzte, Chirurgen und andere medizinische Fachleute es derzeit nicht als Erkrankung einstufen. Viele sehen es eher als eine Art Hysterie an, die durch soziale Medien befeuert wird.

Darauf ging auch eine Forschungsübersicht mit dem Titel „Breast Implant Illness (BII): Real Syndrome or a Social Media Phenomenon?“ („Brustimplantatekrankheit: Tatsächliches Krankheitsbild oder ein Social-Media-Phänomen?“) ein. Die Arbeit erschien im Jahr 2022 in der Fachzeitschrift „Aesthetic Plastic Surgery“. Darin heißt es, dass „BII eine Erkrankung ist, die sich durch schwer fassbare Diagnosekriterien und selbstberichtete, vielfältige körperliche und psychische Symptome auszeichnet“.

Die Autoren betonen, dass diese Erkrankung „möglicherweise zum umstrittensten Thema in der ästhetischen und rekonstruktiven Brustchirurgie aufsteigt und zu hitzigen Debatten zwischen denen führt, die nicht an die Existenz einer solchen Erkrankung glauben, und denen, die ihre Anerkennung als anerkannte Diagnose fordern.“

Es gibt keinen einzigen diagnostischen Test für die Brustimplantatekrankheit. Viele Frauen, die vermuten, dass ihre Symptome auf ihre Brustimplantate zurückzuführen sind, wenden sich deshalb an ihre Ärzte. Viele Frauen berichten, dass die Vermutung oftmals nicht ernst genommen werden und ihre Implantate unmöglich die Ursache ihrer Symptome sein könnten. Nicht selten wird behauptet ihre Symptome seien nur Einbildung.

BII ist nicht gut erforscht und die Symptome sind äußerst vielfältig. Es gibt gleichzeitig auch Ärzte und Chirurgen, die nicht an die Existenz dieser Erkrankung glauben.

Die FDA ist sich jedoch der BII bewusst und das schon seit mindestens 2019. In einer Stellungnahme der FDA heißt es: „Die vorliegenden Beweise unterstützen die Tatsache, dass einige Frauen systemische Symptome erleben können, die möglicherweise abklingen, wenn ihre Brustimplantate entfernt werden. Dies wird von einigen Patientinnen und medizinischen Fachleuten als Brustimplantatekrankheit bezeichnet.“

BII nicht als Krankheit anerkannt

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte äußerte sich zur BII. So gebe es zwar keine „spezifische diagnostische Marker“, um die Erkrankung nachzuweisen, auch sei die BII amtlich nach dem ICD-10-Diagnoseschlüssel und auch bei der Weltgesundheitsorganisation nicht als Krankheit anerkannt. „Dennoch nimmt das BfArM die aktuellen Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Brustimplantaten und der beschriebenen Symptomatik sehr ernst.“ Die Behörde hat dafür extra ein elektronisches Meldesystem eingerichtet.

Die BII wird mit einer Vielzahl von Symptomen in Verbindung gebracht. Dazu gehören unter anderem:

  • Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Gehirnnebel
  • Hautausschläge und andere Hautprobleme
  • chronische Müdigkeit
  • Probleme mit Gedächtnis und Konzentration
  • Schlafprobleme und -störungen
  • Depressionen
  • Angstzustände
  • Panikattacken
  • Allergien
  • Schilddrüsenprobleme
  • gastrointestinale Probleme
  • wiederkehrende Infektionen
  • Anhaltende virale und bakterielle Infektionen
  • Herzklopfen
  • Häufige Candida- oder Harnwegsinfektionen
  • Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose und Hashimoto-Krankheit
  • Krebserkrankungen
  • Schneller Gewichtsverlust oder schnelle Gewichtszunahme
  • Kurzatmigkeit
  • brennendes Gefühl
  • Haarausfall
  • metallischer Geschmack im Mund
  • Taubheit und Kribbeln in den oberen und unteren Gliedmaßen
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Tinnitus
  • Schluckbeschwerden
  • Fibromyalgie (chronische Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen)
  • plötzliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien sowie
  • überwältigende Untergangsängste oder das Gefühl, dass man sterben wird

Auf der Seite „Krank durch Brustimplantate“ wird die chemische Zusammensetzung der Implantate als ein Grund für die große Anzahl an Symptomen diskutiert. Viele dieser Stoffe sind schädigend für den Körper, wie eine Analyse der Inhaltsstoffe in Brustimplantaten ergab.

Im Jahr 2016 veröffentlichten Pathologen der Radboud-Universität aus dem niederländischen Nijmegen einen Autopsiebericht. Dabei untersuchten sie Gewebeproben und das Nervengewebe einer toten Frau, die 17 Jahre mit beschädigten Silikonimplantaten gelebt hatte. Sie stellten fest, dass sich „eine große Menge“ Silikon im gesamten Körper – im Gehirn, verschiedenen Organen, dem Zell- und Nervengewebe – angesammelt hatte. 

Das führte zu einem „beschleunigten Alterungsprozess, der zu unterschwellig ist, als dass er in einer epidemiologischen Studie entdeckt werden könnte, der aber zu gegebener Zeit bei anfälligen Frauen auftauchen wird“, schrieben die Forscher.

Frauen helfen Frauen

Da derzeit oftmals die Unterstützung und Anerkennung seitens der Ärzteschaft fehlt, wenden sich Zehntausende Frauen, die unter BII leiden, an Selbsthilfegruppen im Internet. Sie teilen ihre Erfahrungen in den sozialen Netzwerken und unterstützen einander in dem oft verwirrenden und schmerzhaften Prozess. Dieser umfasst das Einsetzen sowie die Entfernung der Implantate und den langen Heilungsprozess.

Kürzlich sprach Danica Patrick, ehemalige NASCAR-Fahrerin, in einer Reihe von Interviews über ihre eigenen Erfahrungen mit der BII. Sie ermutigt Frauen mit Brustimplantaten dazu, diese entfernen zu lassen und ihrem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen, wenn sie das erste Mal den Verdacht haben, dass etwas nicht stimmt. In einem Gespräch mit der Zeitschrift „People“ erzählte Dancia Patrick, dass sie im Jahr 2014 die Entscheidung traf, sich Brustimplantate einsetzen zu lassen. Sie wollte ihrem Idealbild eines perfekten Körpers näher kommen.

Nach einigen Jahren erlebte sie allerdings verschiedene Symptome, darunter Erschöpfung, Gewichtszunahme, Haarausfall, hormonelle Probleme, Schwermetallvergiftung, Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) und einen durchlässigen Darm. Dies führte schließlich zur BII-Diagnose und zur Entfernung der Implantate im März 2022. Sie berichtete, dass es ihr half, auf Plattformen wie YouTube und anderen sozialen Medien die Geschichten vieler weiterer Frauen mit BII kennenzulernen.

Genesung nach Entfernung der Implantate

Dank Empfehlungen von Frauen in der Gruppe konnte die Krankenschwester Durkee einen qualifizierten Chirurgen finden, der die Implantate sicher entfernen konnte. Viele Chirurgen und unzählige Frauen erachten es als notwendig, die Implantate und die umgebende Kapsel (besteht aus dem Narbengewebe, das sich um das Implantat bildet) zu entfernen, um eine vollständige Genesung zu erreichen.

Nur zwei Wochen nach der Operation schrieb die Mutter von vier Kindern das Folgende auf Facebook:

„Morgen sind zwei Wochen nach der Operation vorbei. Ich kann euch mit Freude berichten, dass die Gelenkschmerzen verschwunden sind, der Nebel im Kopf sich lichtet, Herzklopfen nur noch minimal auftreten, vor allem wenn ich Kaffee trinke. Meine trockenen Augen gehören der Vergangenheit an, meine Sicht ist klarer und rote Augen sind verschwunden. Selbst der extreme Durst, den ich hatte, ist weg. […] Ich erhole mich noch, daher ist die Müdigkeit noch da, aber ich bin guter Hoffnung.“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: The Very Real Consequences of Breast Implant Illness (redaktionelle Bearbeitung as)



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