„Frühwarnsystem der Gesellschaft“: Viele Gutverdiener warten nicht auf wirtschaftliche Probleme

Nicht nur die aktuellen bundesweiten Bauernproteste zeigen Sorgen und Nöte zur wirtschaftlichen Lage auf. Während hierzulande eine der höchsten Steuerbelastungen besteht, können Vollzeitbeschäftigte für die gleiche Arbeit im Ausland mehr verdienen. Immer mehr kehren deshalb Deutschland den Rücken.
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In den letzten Jahren wanderten bereits viele Gutverdiener aus. Symbolbild.Foto: iStock
Von 10. Januar 2024

Seit 2016 hat sich die Auswanderungs­quote bei deutschen Staatsbürgern verdoppelt. Während zwischen den Jahren 2000 und 2015 jährlich etwa 110.000 bis 140.000 Deutsche ausgewandert sind, waren es laut Statistischem Bundesamt seit 2016 jährlich zwischen 220.000 und 280.000 Menschen. Darunter sind viele hoch Qualifizierte. Im Vergleich zu Deutschland ist fast jedes andere Land gewissermaßen ein Niedrigsteuerland. Das ist die Bezeichnung für ein Land, welches die Person oder ein Unternehmen um mindestens ein Drittel geringer besteuert. Da Deutschland solch eine hohe Abgabenlast hat, gelten automatisch viele Länder als Niedrigsteuer­länder, darunter Spanien und Großbritannien. Hierzulande liegt der Einkommensteuersatz in der Spitze bei 45 Prozent und steht damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von knapp 38 Prozent. Deutschland hat die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast der OECD-Staaten, nur Belgien hat mehr.

Millionäre gehen als erste von Bord

Immer mehr Reiche und Superreiche verlassen die Eurozone. Darunter viele sogenannte „Reiche“ aus Deutschland. Eine Zäsur gab es nach 2015. In diesem Jahr haben etwa 1.000 Millionäre Deutschland verlassen, davor lag diese Anzahl im niedrigen dreistelligen Bereich. Im Jahr 2016 waren es dann schon 4.000. Das entspricht in etwa einer Verzehnfachung innerhalb weniger Jahre.

Währenddessen flüchten aus ärmeren Regionen der Welt wie Syrien und Afrika immer mehr Menschen in die wohlhabende Eurozone – diesen politisch brisanten Zusammenhang zog Andrew Amoils, seinerzeit ganz ohne Berührungsängste, vor sechs Jahren in seinem „Globalen Vermögensreport 2017: weltweiter Wohlstand und Trends der Vermögensmigration“.

Laut Amoils sind die Reichen eine Art Frühwarnsystem der Gesellschaft, die es Dank ihres finanziellen Rückhalts, einer oft guten Ausbildung und ihrer internationalen Kontakte oft leichter haben auszuwandern als andere. Zumal ein ausreichendes Vermögen in vielen Ländern in aller Regel zu einem legalen Einwanderungsstatus verhilft. Der Wegzug der Millionäre bedeute aber nicht, dass sich die restliche Bevölkerung in den Fluchtländern wohlfühlt. Auf Dauer müsse man von einem gesteigerten Auswanderungswunsch bis weit in die Mittelschicht ausgehen.

Massive Fachkräfteabwanderung: Abstimmung mit den Füßen

2018 schrieb das Magazin „Cicero“: „Deutschland erlebt eine Auswanderungswelle historischer Dimension. Während die einen noch beschwichtigen, das sei eben Globalisierung, warnen andere vor einer ‚Abstimmung mit Füßen gegen Deutschland‘. Vor allem in der bürgerlichen Elite greift die Auswanderung inzwischen tief in jede Familie ein. Noch hofft man, dass möglichst viele wieder zurückkehren. Doch insgesamt verbreitet sich eine Ahnung, dass etwas faul ist im Staate. In Universitäten wird offen vom ‚Exodus der Klugen‘, von ‚Braindrain‘ und ‚Massenflucht‘ geredet.“ 

Das bestätigt auch eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) aus dem Jahr 2019: Der durchschnittliche deutsche Auswanderer ist unter 40, hat einen akademischen Abschluss und Erfolg in seinem Beruf.

Auch 2023: Leistungsträger auf internationalen Abwegen

Im Jahr 2022 sind laut Statistischem Bundesamt insgesamt 268.167 Deutsche aus Deutschland ausgewandert. Die meisten davon (20.107) übrigens in die Schweiz. Aber wie sieht es 2023 aus?

„Immer mehr Leistungsträger wollen Deutschland verlassen“, titelte im März 2023 der „Focus“. Laut OECD, dem Zusammenschluss der 38 führenden Industrienationen weltweit, leben außerhalb Deutschlands circa 3,8 Millionen Deutsche. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit einer Auswanderungsrate von 5,1 Prozent auf Platz drei. Laut OECD ziehen rund 180.000 Deutsche jedes Jahr in ein anderes Land. Im Durchschnitt verdienten Vollzeitbeschäftigte monatlich dann rund 1.200 Euro mehr als in Deutschland.

Rainer Zitelmann, der Reichtumsforscher und selbst Millionär ist, schreibt als Gastautor im „Focus“ über die Thematik: „Vergangene Woche veranstaltete ich ein Seminar für Unternehmer. Diese kamen aus verschiedenen Branchen – einer war Weinhändler, der andere ein führender Spielzeughersteller, einer kam aus dem Bereich Energie. Ich fragte, wer sich schon ernsthaft mit dem Thema Auswanderung befasst habe. Das Erschreckende: Fast alle meldeten sich.“

Zitelmann ist auch selbst Protagonist in einer ZDF-Reportage über die Superreichen, ihre Steuerschlupflöcher, Auswanderungspläne und was sonst noch ihr Leben ausmacht: Er sagt gegenüber dem ZDF, Reiche seien in Deutschland eine diskriminierte Minderheit, „die mit Vorurteilen und Stereotypen konfrontiert ist, in den Medien oder auch in der Politik. Ich sage Ihnen jetzt, in meinem Bekanntenkreis sind überwiegend Unternehmer, und ich kenne fast keinen, der nicht über Auswandern nachdenkt.“

„Wegzugsbesteuerung“ soll Abwanderung unterbinden

Natürlich werden nicht alle diese Unternehmer das Land verlassen, schreibt Zitelmann zum Thema im „Focus“, zumal die Politik mit allen Mitteln versuche, genau das zu erschweren. Eines dieser Mittel sei die sogenannte Wegzugsbesteuerung, bei der Unternehmer beim Wegzug so behandelt werden, als hätten sie ihr Unternehmen beziehungsweise ihre Anteile verkauft, und der „Gewinn“, der in Wahrheit gar nicht entstanden ist, versteuert werden muss. Diese Wegzugsbesteuerung wurde jüngst noch einmal verschärft für Deutsche, die ins EU-Ausland ziehen.

„Faktisch handelt es sich um eine fiskalische Mauer, mit der Unternehmer daran gehindert werden sollen, das Land zu verlassen“, so Buchautor Zitelmann.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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