Kurz kritisiert europäische Arroganz: „Moralische Überlegenheit kann kein Erfolgsrezept sein“

Der frühere österreichische Kanzler Sebastian Kurz hat erstmals seit längerer Zeit wieder ein Interview gegeben. In diesem sprach er unter anderem über den Ukraine-Krieg, über Donald Trump und über seine Sicht auf den politischen Rechtsruck in Europa.
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Ex-Bundeskanzler von Österreich, Sebastian Kurz.Foto: Joe Klamar/AFP via Getty Images
Von 17. Februar 2024

Seit seinem Abschied aus der Politik im Herbst 2021 hat Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz nur noch wenige Interviews gegeben. Am Mittwoch, 14. Februar, sprach der frühere ÖVP-Chef für etwa 20 Minuten mit dem Sender „krone.tv“. Dabei äußerte sich der Altkanzler zu der gegen ihn erhobenen Anklage und zu aktuellen politischen Themen.

Altkanzler in der Privatwirtschaft auf der Überholspur

Kurz war im Herbst 2017 zum Regierungschef einer Koalition mit der rechten FPÖ gewählt worden. Im Frühsommer 2019 zerbrach diese unter dem Eindruck der „Ibiza“-Affäre und er wurde als Kanzler abgewählt. Bei den Nationalratswahlen im Herbst des Jahres gelang ihm ein triumphaler Wahlerfolg. Seit Anfang 2020 regiert eine schwarz-grüne Koalition.

Infolge von Korruptionsvorwürfen gegen sein engstes Beraterumfeld erklärte Sebastian Kurz im Herbst 2021 seinen Rücktritt. Er gab seinen vollständigen Rückzug aus der Politik bekannt und ist seither in der Privatwirtschaft tätig. Unter anderem ist er Mitgründer eines in Israel ansässigen Start-ups, das sich auf Cybersicherheit spezialisiert hat. Top-Hacker sollen dabei Künstliche Intelligenz trainieren, um Angriffe erkennen und abwehren zu können.

Sebastian Kurz verteidigt Koalition mit der FPÖ

Zur aktuellen politischen Situation kritisierte Kurz im „krone-tv“-Interview die „Aufgeregtheit“, die im Zusammenhang mit Wahlerfolgen rechter Parteien wie der FPÖ herrsche. Er verteidigte seine eigene Koalition mit der damals von Heinz-Christian Strache geführten Partei. Diese habe einen ausgeglichenen Haushalt, keine neuen Schulden und eine richtige Linie in der Migrationspolitik erreicht.

Auch die Möglichkeit eines Bundeskanzlers Herbert Kickl sei für ihn kein Schreckensszenario. Er ging dabei auf Distanz zu der grünen EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling und dem amtierenden Kanzler Karl Nehammer. Diese hatten Kickl, den Kurz 2019 als Innenminister entlassen hatte, als „rechtsextrem“ bezeichnet.

Kurz hielt dagegen, dass er eine politische Praxis bevorzuge, die auch Andersdenkenden Respekt entgegenbringe. Dass mittlerweile stetig versucht werde, andere zu kriminalisieren, folge hingegen dem Grundsatz:

Wenn einem das Wahlergebnis gefällt, ist es Demokratie und wenn nicht, ist es Populismus.“

Er selbst sei immer „am besten damit gefahren, andere Meinungen, ob links oder rechts, zu akzeptieren“.

Europäer können „Amerikanern nicht vorschreiben, wen sie wählen“

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg äußerte Kurz, es sei an der Zeit, eine Verhandlungslösung zu suchen. Russland sei immer noch eine Atommacht, der Krieg werde „nicht mit einem Sieg einer Seite“ enden. Je eher er auf Grundlage von Verhandlungen beendet und weiteres Blutvergießen vermieden werden könne, umso besser.

Zugleich prangerte er Arroganz an, mit der Europa anderen Ländern gegenübertrete. Diese betreffe nicht nur Russland, sondern auch Länder wie Indien oder die arabischen Staaten. Mittlerweile sei man sich nicht einmal sicher, ob man zu Gesprächen mit einem US-Präsidenten Donald Trump nach einem möglichen erneuten Wahlsieg bereit sein solle. Kurz mahnte in diesem Zusammenhang:

Wer bleibt denn dann noch übrig? Moralische Überlegenheit kann kein Erfolgskonzept sein.“

Demokratie, so der Altkanzler, bedeute, dass sich „die Menschen aussuchen, wer sie regiert“. Die Europäer könnten „den Amerikanern nicht vorschreiben, wen sie wählen“.

Urteil im WKStA-Prozess erwartet – Sebastian Kurz gibt sich gelassen

Für kommenden Freitag wird das Urteil im Prozess gegen den Ex-Kanzler wegen angeblicher Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss erwartet. Kurz selbst zeigte sich im Gespräch zuversichtlich, dass die Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft keinen Erfolg haben werde.

Diese wirft ihm vor, vorsätzlich unwahre Angaben über seine Rolle bei der Besetzung von Schlüsselpositionen in staatlichen oder teilstaatlichen Unternehmen gemacht zu haben. Belastet wird er vor allem durch den früheren ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Kurz deutet an, Schmid wolle als Kronzeuge selbst seine Ausgangsposition in gegen ihn gerichteten Korruptionsverfahren verbessern. Die Aufsichtsräte der staatlichen Beteiligungsgesellschaft hätten ihn vor Gericht jedoch einhellig entlastet. Selbst die SPÖ- und FPÖ-nahen Aufsichtsräte hätten bestritten, dass Kurz bei ihnen zwecks Besetzungen interveniert habe.

Ob das Gericht ihren Angaben folgen wird, ist unklar. Ein Selbstläufer ist dies jedoch nicht. In Österreich erinnern sich viele noch an einen verlorenen Verleumdungsprozess des früheren SPÖ-Kanzlers Fred Sinowatz Ende der 1980er-Jahre gegen einen Enthüllungsjournalisten. Damals schenkte ein Richter der Mitschrift einer Landesvorstandssitzung durch eine in Ungnade gefallene Funktionärin mehr Glauben als den teils unter Eid geleisteten Angaben von 51 weiteren Vorstandsmitgliedern.



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