Menschenrechte vs. Eigeninteressen: Amnesty International kritisiert den Westen

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollten nirgendwo auf Dauer ungestraft bleiben. Das mahnt Amnesty International. Doch es wird mit zweierlei Maß gemessen.
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Demonstranten vor der chinesischen Botschaft in Berlin schlossen sich am 3. Dezember 2022 mit ihrem Protest den Protesten in Festlandchina an.Foto: Omer Messinger/Getty Images
Von 5. April 2023

Der Generalsekretär von Amnesty International (AI) in Deutschland, Markus N. Beeko, sieht einen Unterschied beim Umgang Deutschlands und der EU mit dem Ukrainekrieg einerseits und Konflikten weltweit andererseits.

Die Rückendeckung für die Menschenrechte durch den Westen sei selektiv und von Eigeninteressen geprägt, meint AI im Rahmen der Vorstellung seines Menschenrechtsberichtes 2022.

„Von dieser Doppelmoral profitieren jedoch nicht nur westliche Mächte“, heißt es weiter. Obwohl China massive Menschenrechtsverletzungen begangen habe, scheuten die Generalversammlung und der Menschenrechtsrat der UN weiterhin davor zurück, diese Verbrechen öffentlich anzuprangern.

Eine der Lehren der Ukraine sei, das Völkerrecht und die international gültigen Regeln sowie deren konsequente Anwendung zu stärken. „Wenn wir glaubwürdig für die Menschenrechte eintreten wollen, darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden“, erklärt Beeko.

Dass die UN „mit einem Votum der Mehrzahl der Staaten“ entschlossen auf Russlands Eindringen in die Ukraine reagierte und der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen habe, fand er wichtig.

Beeko: Internationale Institutionen weiter stärken

Seiner Ansicht nach sei es notwendig, internationale Institutionen weiter zu stärken und dafür zu sorgen, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nirgendwo auf Dauer ungestraft bleiben: „Weder im Krieg gegen die Ukraine, im Iran, in Syrien, in Kolumbien oder im Jemen.“

Europäische Staaten hätten schnell und unbürokratisch Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. „Dies zeigt, was möglich ist, wenn der politische Wille vorhanden ist“, so Beeko. Dies müsse eine Blaupause dafür sein, zukünftig Menschen aus akuten Konflikt- und Krisengebieten den notwendigen Schutz zu bieten. „Wer flieht, braucht Schutz – ohne Wenn und Aber.“ Laut Amnesty sind im vergangenen Jahr weltweit 103 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen.

Beeko fordert einen stärkeren Einsatz Deutschlands und anderer Regierungen gegen andauernde Menschenrechtsverletzungen auch außerhalb Europas.

„Die kontinuierlichen Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen gegenüber Menschen, die vor der Gewalt in Syrien, Afghanistan oder im Iran fliehen, müssen ein Ende haben.“ Wer gegen Unterdrückung und Leid auf die Straße gehe, brauche Unterstützung durch die Öffentlichkeit und den politischen Druck der Regierungen.

Amnesty: Export westlicher Überwachungstechnologie stoppen

Gleichzeitig kritisiert der Amnesty-Geschäftsführer den Export von westlicher Überwachungstechnologie in Krisenstaaten.

„Unterstützung bedeutet auch, dass Deutschland und die Europäische Union den Export von biometrischen Überwachungstechnologien verbieten, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Solche Technologien werden in Ländern wie dem Iran oder Russland willkürlich eingesetzt, um friedlich Protestierende zu identifizieren und zu verfolgen.“ EU-Parlament und EU-Ministerrat sollten mit einer entsprechenden Regelung in der Verordnung zur Regulierung Künstlicher Intelligenz dieses wichtige Verbot wirksam verankern.

Viele Regierungen unterdrückten mit Gewalt und Überwachung die Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit. Auffällig sind massenhafte Proteste – wie im Iran, in Peru oder jüngst in Georgien – sowie eine zunehmende Anzahl von schutzsuchenden Menschen – ob aus der Ukraine, Myanmar, Venezuela oder der Demokratischen Republik Kongo.

Oft reagierten Regierungen auf die Proteste mit Repressionen: In 85 der 156 betrachteten Länder setzten Sicherheitskräfte unrechtmäßige Gewalt gegen Protestierende ein. In 35 Ländern gingen sie mit tödlichen Waffen vor. In 79 Ländern wurden Aktivisten willkürlich festgenommen. In 29 Ländern wurde das Recht auf friedlichen Protest eingeschränkt.

Deutsch-Iraner in Isolationshaft gehalten und gefoltert

In jüngerer Vergangenheit haben die iranischen Behörden zudem Dutzende Bürger mit doppelter Staatsangehörigkeit inhaftiert, darunter der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd und die iranisch-deutsche Frauenrechtlerin Nahid Taghavi. Taghavi wurde im Oktober 2020 festgenommen, monatelang in Isolationshaft gehalten und gefoltert. In einem unfairen Gerichtsverfahren wurde sie zu 10 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt.

Erstmals enthält der Amnesty International Report eine Statistik zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Amnesty International hat Belege dafür in 20 der 156 untersuchten Ländern dokumentiert. So gingen die russischen Streitkräfte in der Ukraine mit Angriffen auf Wohngebiete und dem Einsatz verbotener Streumunition vor. Männer, Frauen und Kinder wurden von Soldaten erschossen, vergewaltigt, gefoltert oder verschleppt.

Amnesty: Reformen bei internationalen Institutionen nötig

Amnesty International hält eine Stärkung und Weiterentwicklung der internationalen Institutionen und Systeme für dringend erforderlich. Hierfür müssten Regierungen die UN-Menschenrechtsmechanismen vollständig finanzieren, die Arbeit internationaler Gerichte unterstützen und deren Urteile konsequent umsetzen. Amnesty International fordert zudem eine Reform des UN-Sicherheitsrats.

Dieses Jahr begehe man den 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. „Sie war die Antwort der Welt auf die Barbarei des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust“, führt der Generalsekretär aus. Kriegsverbrechen, Flucht und Protest zeigten, dass es nun gelte, dem Recht und den Menschenrechten zu stärkerer internationaler Beachtung zu verhelfen.

„Wir müssen unsere Regierungen hierzu in die Pflicht nehmen. Das Jahr 2023 kann ein Wendepunkt für die Wahrung der Menschenrechte und der internationalen Ordnung werden“, so Beeko.



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