Montenegro wählt neuen Präsidenten – Ära Djukanovic am Ende?

Mit dem höchsten Staatsamt könnte der Langzeitherrscher seine letzte Machtposition verlieren. Die Gegner von Milo Djukanovic stehen auch für einen außenpolitischen Kurswechsel.
Dem pro-westlichen Amtsinhaber Milo Djukanovic droht eine Niederlage.
Dem pro-westlichen Amtsinhaber Milo Djukanovic droht eine Niederlage.Foto: Risto Bozovic/AP/dpa
Epoch Times2. April 2023

In Montenegro wählen die Bürger einen neuen Präsidenten. Der prowestliche Amtsinhaber Milo Djukanovic ging zwar mit den meisten Stimmen aus der ersten Runde vor zwei Wochen in die Stichwahl, gilt aber dennoch nicht als Favorit. Denn seinen Herausforderer Jakov Milatovic unterstützt das gesamte proserbische Lager, das in der ersten Runde noch mit mehreren Kandidaten angetreten war.

Bis 13:00 Uhr gaben 39 Prozent der rund 540.000 wahlberechtigten Bürger ihre Stimme ab, wie das Wahlforschungsinstitut Cemi mitteilte. Das waren um 3,2 Prozentpunkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt vor zwei Wochen. Die Wahllokale sollen um 20:00 Uhr schließen. Mit den Ergebnissen wird in der Nacht zum Montag gerechnet.

Djukanovic beherrschte mehr als drei Jahrzehnte lang in wechselnden Funktionen – zweimal als Präsident und viermal als Ministerpräsident – die Politik in Montenegro. Sein Sieg bei dieser Wahl wäre dennoch eine Überraschung. Eine Niederlage würde den Verlust seiner letzten Machtposition bedeuten. Bereits vor mehr als zwei Jahren war die Präsidentenpartei DPS bei der Parlamentswahl einer Koalition aus proserbischen und Reformparteien unterlegen.

Veteran oder Jungpolitiker?

2006 führte Djukanovic die frühere jugoslawische Teilrepublik in die Unabhängigkeit, 2017 in die NATO. Zugleich war seine Herrschaft immer wieder auch von Korruption und Vetternwirtschaft überschattet. Weithin besteht in Montenegro ein Bedürfnis nach neuen und unverbrauchten Personen in der Politik.

Diese Stimmungslage begünstigt den 36-jährigen Milatovic. Als Wirtschaftsminister der ersten kurzlebigen proserbischen Regierung nach 2020 errang er Popularität, indem er die Löhne erhöhte. Zugleich steht er der aus Belgrad gelenkten serbisch-orthodoxen Kirche nahe. Er bekennt sich zum angestrebten EU-Beitritt seines Landes, steht aber zugleich auch für dessen enge Anbindung an Serbien.

Mehrere instabile Regierungen

Der Präsident, der auf fünf Jahre gewählt ist, hat in Montenegro eher nur protokollarische Befugnisse. In Krisenzeiten können diese jedoch eine Aufwertung erfahren. So erwiesen sich die nach 2020 gebildeten, größtenteils proserbischen Regierungen als instabil. Infolgedessen löste Djukanovic noch drei Tage vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl das Parlament auf. Zugleich setzte er vorgezogene Neuwahlen für den 11. Juni an.

Der Schritt gilt als umstritten. Doch erwies sich die Volksvertretung als unfähig, einen Nachfolger für den im vergangenen August durch ein Misstrauensvotum gestürzten Ministerpräsidenten Dritan Abazovic zu wählen. Dieser amtiert bis heute immer noch an der Spitze einer geschäftsführenden Regierung.

Der Ausgang der Präsidentenwahl könnte Beobachtern zufolge Folgen für die außenpolitische Ausrichtung Montenegros haben, zumal die proserbischen Kräfte auch bei der Parlamentswahl im Juni dominieren dürften. In der Zeit vor 2020 war Montenegro unter den Westbalkan-Staaten ein Vorreiter bei der EU-Annäherung. Künftige proserbische Koalitionen würden sich von der EU wohl nicht abwenden. Zugleich könnten sie aber die EU-Integration durch eine stärkere Anbindung an das reformunwillige Nachbarland Serbien verlangsamen. (dpa)



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