Neue EU-Zulassung von Glyphosat: Deutschland enthält sich

Der Vorstoß aus Brüssel für eine Neuzulassung des Totalherbizids hat keine Mehrheit gefunden. Neue Abstimmung nächste Woche im Berufungsausschuss. Die FDP macht sich für eine Verlängerung stark. Hersteller Bayer überreicht eine Petition an Bundestagsabgeordnete.
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Bayer vermarktet Glyhosat über sein Pflanzenschutzmittel Roundup.Foto: PHILIPPE HUGUEN/Getty Images
Von 13. Oktober 2023

Für die Neuzulassung von Glyphosat gibt es unter den EU-Ländern vorerst keine Mehrheit. Ein Expertengremium der Mitgliedstaaten konnte sich nach Angaben der EU-Kommission am Freitag, 13. Oktober, in Brüssel nicht auf deren Vorschlag einigen, den Einsatz des Mittels für weitere zehn Jahre zu erlauben. Die Entscheidung wurde damit zunächst auf November verschoben, teilen Agenturen mit. Fehlt dann weiter eine Einigung, kann die EU-Kommission im Alleingang entscheiden.

Frankreich und Italien stimmen ebenfalls dagegen

Bei der Vorabstimmung über die Zukunft von Glyphosat hat es am Tag zuvor keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen den Vorschlag der Kommission gegeben. Deutschland habe sich während der Abstimmung im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) enthalten, teilen gut informierte Quellen nach Angaben von „table.media“ mit. Das gelte ebenso für Frankreich und Italien. Die übrigen EU-Mitgliedstaaten sollen sich den Informationen nach positioniert haben.

Die Frage nach einer erneuten Zulassung von Glyphosat hat die Ampelkoalition tief gespalten. Je nach Perspektive interpretieren die drei Parteien den Koalitionsvertrag auf unterschiedliche Weise. Die FDP beruft sich etwa auf einen Passus, demzufolge die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln „nach wissenschaftlichen Kriterien“ erfolgen soll. Durch das grüne Licht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sei dies gewährleistet, argumentieren die Freidemokraten.

Großabnehmer Deutsche Bahn verzichtet auf Glyphosat

Vor allem Verkehrsminister Volker Wissing und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger setzen sich für eine erneute Freigabe ein. Wissing sieht sich über die Deutsche Bahn für das Thema zuständig, berichtet die „Tagesschau“. Die Bahn hatte Glyphosat seit vielen Jahren eingesetzt, um Schienen von Unkraut zu befreien.

Das Unternehmen hatte im März 2023 angekündigt, noch in diesem Jahr vollkommen auf das Mittel zu verzichten. Stattdessen kündigte es ein „nachhaltiges Vegetationsmanagement“ an, um Schienen von Wildwuchs zu befreien. Neben mechanischen Lösungen wie Mähwerkzeuge, Heißwasser-Geräte und Elektrolanzen komme auch Pelargonsäure zum Einsatz – ein natürlicher Unkrautbekämpfer, der unter anderem aus Rapsöl gewonnen wird und seit Jahren in Privatgärten verwendet wird.

Doch stößt die Bahn bei ihrem umweltfreundlichen Umstieg auf größere Schwierigkeiten. So klagten Lokführer über schlechte Sicht auf Signale. Auch erschwere Gestrüpp den Fahrgästen das Einsteigen in die Waggons, berichtet der Spiegel. Außerdem explodieren die Kosten durch den Glyphosatausstieg.

53 Millionen Euro hat die Bahn im kommenden Jahr für die alternative Unkrautbekämpfung eingeplant. Das sind 16 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr. Diese Mehrausgaben könnten laut Wissing durch einen erneuten Einsatz von Glyphosat vermieden werden. Stark-Watzinger hatte zur Verlängerungsbegründung Argumente wie die Forschungs- und Innovationsfreiheit genannt.

Bayer verdiente 2022 mit Agrarsparte 25 Milliarden Euro

Schützenhilfe haben die beiden Minister vom Glyphosathersteller Bayer bekommen. Vertreter des Unternehmens hatten laut „tagesschau“ am Mittwoch in Sichtweite zum Reichstagsgebäude in Berlin eine Petition mit mehr als 17.300 Unterschriften an Mitglieder des Bundestages übergeben.

Ziel ist es, ein Verbot des Herbizids zu verhindern. Die „tagesschau“ nannte diese Aktion ungewöhnlich, doch gehe es für Bayer auch um viel Geld. So habe das Unternehmen 2022 allein mit der Agrarsparte 25 Milliarden Euro verdient. Einen erheblichen Anteil hatte das Geschäft mit Produkten wie Glyphosat.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) sind gegen eine erneute Zulassung. Im Koalitionsvertrag hatten sich ursprünglich alle Partner darauf verständigt, einer Verlängerung von Glyphosat nicht zuzustimmen.

Französische Eltern erhalten Entschädigung für missgebildetes Kind

Nachdem es am heutigen Freitag in Brüssel keine Mehrheit für den Antrag auf Verlängerung gegeben hat, muss die EU-Kommission laut „table.media“ in der kommenden Woche in den Berufungsausschuss (Appeal Committee). Gibt es auch dann keine Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission, kann das Gremium über eine erneute Zulassung ohne die Zustimmung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) verfügen.

Um eine Entscheidung im Berufungsausschuss zu erreichen und selbst nicht in die Schusslinie zu geraten, könnte die Brüsseler Behörde ihren Vorschlag weiter an die Vorstellungen der französischen Regierung anpassen. Dabei wäre eine Verkürzung des Zulassungszeitraums eine Möglichkeit.

Ob das den deutschen Nachbar überzeugt, ist allerdings offen. Zwar gilt der französische Landwirtschaftsminister Marc Fesneau als „glyphosatfreundlich“. Aber innenpolitisch ist die französische Regierung unter Druck geraten, nachdem in dieser Woche bekannt wurde, dass eine französische Familie, deren Sohn mit einer Missbildung zur Welt kam, finanziell vom Fonds d’indemnisation des victimes de pesticides (FIVP) entschädigt wird.

Wo Glyphosat gespritzt ist, wächst kein Gras, kein Strauch, kein Moos

Glyphosat, auch bekannt als Totalherbizid, bewirkt das Absterben von Pflanzen. In Gebieten, in denen Glyphosat angewendet wird, gedeihen weder Gras noch Sträucher oder Moos. Das Produkt findet vor allem in der Landwirtschaft Anwendung, um Unkraut auf einem Acker zu beseitigen, bevor Nutzpflanzen ausgesät werden.

In der Regel werden speziell gezüchtete glyphosatresistente Nutzpflanzen verwendet, um sie in einem Acker auszusäen, der zuvor mit Glyphosat behandelt wurde. Diese Pflanzen werden auch als „Roundup Ready“ bezeichnet. „Roundup“ ist der amerikanische Markenname, unter dem Glyphosat von Bayer/Monsanto vertrieben wird. Diese Pflanzen überleben das Herbizid, während das umliegende Unkraut abgetötet wird. Dies ermöglicht es Landwirten, Glyphosat zur Unkrautbekämpfung in der Nähe ihrer Nutzpflanzen einzusetzen, ohne die Nutzpflanzen selbst zu schädigen. Diese glyphosatresistenten Nutzpflanzen wurden durch gezielte gentechnische Veränderungen entwickelt, um diese Resistenz zu erreichen. Nach der Übernahme von Monsanto durch Bayer wird die Vermarktung an „Roundup Ready“ Saatgut und Nutzpflanzen unter der Marke „Bayer CropScience“ geführt.



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