Portugal: Sozialisten droht Machtverlust – Konservative und rechte Chega! rechnen mit Erfolgen

Nach einem Korruptionsskandal an der Regierungsspitze wählt Portugal am Sonntag ein neues Parlament. Ein konservatives Bündnis strebt einen Machtwechsel aus eigener Kraft an. Allerdings könnte es am Ende auch auf die Sozialisten oder die rechte Chega! angewiesen sein.
Titelbild
Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PS), Pedro Nuno Santos, während einer Kundgebung in Setubal am 5. März 2024. Am 10. März finden Parlamentswahlen statt, nachdem der Premierminister am 7. November 2023 im Zuge eines Korruptionsskandals um Energieverträge zurückgetreten ist.Foto: PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP über Getty Images
Von 10. März 2024

Am Sonntag, 10. März, wählt Portugal vorzeitig ein neues Bundesparlament. Erforderlich wurde dies, nachdem das zuvor regierende sozialistische Kabinett unter Premierminister António Costa über einen Korruptionsskandal gestolpert war. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa nahm im November Costas Rücktrittsgesuch an.

Zur Wahl aufgerufen sind 10,8 Millionen stimmberechtigte Bürger. Die Wahllokale schließen um 21 Uhr MEZ.

Portugal von steigenden Preisen bei konstant niedrigen Einkommen heimgesucht

Im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten hatte es zuvor sogar eine Durchsuchung von Costas Amtssitz gegeben. Die Unwägbarkeiten standen hauptsächlich im Zusammenhang mit „Energiewende“-Projekten.

So soll es Auffälligkeiten im Kontext von Lizenzen für eine Lithium-Mine im Norden des Landes, einem Projekt für „grünen Wasserstoff“ und ein Rechenzentrum gegeben haben.

Die Korruption ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Sozialisten (PS), die 2022 überraschend eine absolute Mehrheit errungen hatten, vor einem Machtverlust stehen. Der Durchschnittsverdienst vor Steuern liegt in Portugal gerade einmal bei etwa 1.500 Euro. Etwa drei Millionen Beschäftigte erzielen Einkommen unter 1.000 Euro.

Gleichzeitig steigen die Mieten und Immobilienpreise, vor allem in den größeren Städten. Dies liegt zum Teil an der Fluchtmigration über das Mittelmeer. Auch immer mehr ausländische Immobilieninvestoren und Touristen beanspruchen Räumlichkeiten für Büros und Kurzzeitmietverträge.

Zudem ist die Zahl der Familien ohne Hausarztversorgung von 1,4 Millionen im Jahr 2022 auf 1,7 Millionen gestiegen, berichtet „U.S. News“.

Sozialisten vor Absturz – Konservative laut Umfragen nur leicht im Plus

Die Sozialisten präsentieren mit dem 46-jährigen Pedro Nuno Santos einen neuen Kandidaten, der angekündigt hat, „frischen Wind“ bringen zu wollen. Es erscheint jedoch als ungewiss, ob es ihm gelingen wird, die Wähler davon zu überzeugen. Die wenigsten sehen bei ihm einen wirklichen Bruch mit dem bisherigen Parteiestablishment.

Auch deshalb kann sich der Kandidat des konservativen Bündnisses Demokratische Allianz (DA), Luis Montenegro, Hoffnungen machen, nächster Premierminister des Landes zu werden.

Die bestimmende Kraft ist der PSD – in Portugal nennt sich die bürgerliche Mitte-Rechts-Kraft „Sozialdemokratische Partei“. Dazu kommen die kleinere Volkspartei (CDS-PP) und die Monarchistische Partei des Volkes (PPM).

Der PSD stellt seit 2021 auch den Staatspräsidenten. Allerdings könnte das Bündnis auf einen Koalitionspartner angewiesen sein. In Umfragen kann die DA laut „Europe Elects“ nur leicht von 30,6 (inklusive ihrer jetzigen Bündnispartner) auf 31 Prozent zulegen.

Der PS könnte von 41,4 auf 29 Prozent abstürzen. Ein potenzieller Koalitionspartner könnte die liberale IL sein, die Umfragen zufolge allerdings ebenfalls nur auf sechs Prozent hoffen kann.

Erste Rechtsaußen-Partei seit Ende des Estado Novo in Portugal etabliert

Tatsächlich könnte das vom PSD geführte Bündnis vor der Wahl zwischen einer Großen Koalition mit dem PS stehen – oder einem Experiment mit der rechten Partei „Chega!“ („Genug!“). Diese erst 2019 gegründete Partei hatte sich 2022 von 1,3 auf mit 7,2 Prozent steigern können. Nun könnte sie vor einem Erdrutschsieg stehen und auf 17 bis 20 Prozent der Stimmen kommen.

Für Portugal ist der Aufstieg einer Rechtsaußen-Partei ein absolutes Novum. Seit dem Ende des Estado Novo, dem von António de Oliveira Salazar errichteten, katholisch-korporatistischen Einparteienstaat, hatte es keine Partei jenseits des PSD ins Parlament geschafft.

Auf europäischer Ebene wird Chega! der ID-Parteienfamilie zugeordnet, der unter anderem der Rassemblement National, die FPÖ und die AfD angehören. Inhaltlich bietet Parteichef Andre Ventura ein Programm, das Kernelemente der Konservativen und Rechten in ganz Europa kennzeichnet.

Neben dem in Portugal derzeit besonders relevanten Thema der Korruption setzt man auf einen Anti-Immigrationskurs und Souveränismus gegenüber der EU. Vom Großteil der ID unterscheidet sich Chega! jedoch durch einen Pro-NATO-Kurs und eine Parteinahme für Kiew im Ukraine-Krieg.

Einen neutraleren Kurs fährt demgegenüber die „Neue Rechtspartei“ der in Angola geborenen Anwältin Ossanda Liber. Ihr werden jedoch nur wenig Chancen auf einen Parlamentseinzug zugebilligt.

Chega!-Chef Ventura sieht sich jetzt schon als Sieger

Eine Koalition mit der Rechten hat Luis Montenegro von der DA bereits ausgeschlossen. Denkbar wäre allerdings, dass Chega! ein Regierungsbündnis aus DA und IL toleriert. Konstellationen dieser Art sind in Spanien, wo sich VOX etabliert hat, auf Provinzebene bereits üblich.

Ventura sieht sich jetzt schon als großer Veränderer der politischen Verhältnisse in Portugal. Er habe es mit seiner Partei geschafft, ein Zweiparteiensystem um eine dritte Kraft zu ergänzen. Gegenüber dem „European Conservative“ erklärt er:

„Wir sind gekommen, um der schweigenden Mehrheit eine Stimme zu geben, denjenigen, die es aufgegeben haben, gegen das System zu kämpfen, bis wir auftauchten.“



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion