Regierungschefin auf Abruf

In den vergangenen Wochen hatte Theresa May trotz massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen, begleitet von hochrangigen Rücktritten aus ihrer Regierungsmannschaft, ihre Vorstellungen von einem Brexit durchgesetzt.
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Downing Street 10 in London, die derzeitige Residenz der Premierministerin Theresa May.Foto: iStock
Epoch Times7. Dezember 2018

Theresa May wird zwar nachgesagt, sie mache sich nichts daraus, wenn jemand sie nicht leiden könne. Doch was die britische Premierministerin gleich zu Anfang dieser Woche im Parlament erleben musste, dürfte ihr kaum gefallen haben.

Mehrere Niederlagen im Zusammenhang mit der Debatte über das von ihr befürwortete Brexit-Abkommen lassen wenig Gutes für den Dienstag ahnen, an dem mit der Abstimmung über den Deal auch das politische Schicksal der 62-Jährigen besiegelt werden dürfte.

In den vergangenen Wochen hatte May trotz massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen, begleitet von hochrangigen Rücktritten aus ihrer Regierungsmannschaft, ihre Vorstellungen von einem Brexit durchgesetzt. Seither wiederholt sie gebetsmühlenartig, dass dies der bestmögliche Deal sei und Brüssel Neuverhandlungen ohnehin ausgeschlossen habe. Zudem versucht sie gemeinsam mit ihren wenigen verbliebenen Anhängern den Eindruck zu erwecken, die Briten hätten die Nase voll von den Brexit-Debatten und wollten zweieinhalb Jahre nach dem Referendum endlich in die Zukunft schauen.

Ihre Neuwahlen 2016 scheiterten – seither regiert eine Minderheitsregierung

Erst das Chaos unmittelbar nach dem Referendum im Juni 2016 hatte May ins Amt gebracht. Die damalige Innenministerin wurde nach dem Abgang von David Cameron von den konservativen Tories zur neuen Regierungschefin gekürt. Eigentlich hätte sie anschließend mit absoluter Mehrheit noch bis 2020 regieren können – aufgrund hervorragender Umfrageergebnisse setzte sie aber Neuwahlen an, um sich ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlungen mit Brüssel zu holen – und scheiterte grandios.

Seit 2017 führt May nun eine Minderheitsregierung, die im Parlament auf die Unterstützung der nordirischen Unionisten angewiesen ist. Zwar stimmten die zehn Abgeordneten der Democratic Unionist Party (DUP) meist mit der Regierung, doch für die entscheidende Abstimmung am Dienstag haben sie bereits ihr Nein angekündigt. Einen Sturz Mays wollen die Brexit-Befürworter nach Angaben ihres stellvertretenden Parteichefs Nigel Dobbs aber nicht.

Ob sich May aber nach einer Niederlage im Amt wird halten können, ist mehr als fraglich. Bereits einmal warben ihre Gegner in der eigenen Partei für ein Misstrauensvotum, die nötigen 48 Stimmen kamen aber nicht zusammen. Doch diesmal könnte die einflussreiche Parlamentariervereinigung European Research Group (ERG) um Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg mehr Glück haben.

Trotz allem bleibt May äußerlich unbeeindruckt. Dass sie tough ist, bewies sie bereits in ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016, in der sie für eine stramme Sicherheitspolitik stand.

Theresa Mays Karriere

Geboren wurde May am 1. Oktober 1956 in eine Pfarrersfamilie in Eastbourne, einer Stadt am Ärmelkanal. Dort verbrachte sie auch ihre Kindheit. Sie studierte Geografie an der Elite-Universität Oxford, wo ihr ihr künftiger Mann Philip Berichten zufolge von der späteren pakistanischen Premierministerin Benazir Bhutto vorgestellt wurde, und arbeitete kurz bei der Bank of England.

Ihre politische Karriere startete May 1986 als Gemeinderätin im vornehmen Londoner Stadtbezirk Merton. Nach zwei gescheiterten Anläufen zog sie 1997 als Abgeordnete ins britische Unterhaus ein – für den wohlhabenden Wahlbezirk Maidenhead im südenglischen Berkshire.

Von 2002 bis 2003 war May die erste Generalsekretärin der Konservativen. Legendär wurde ihr Ausspruch auf einem Parteitag, die Tories müssten das Image der „fiesen Partei“ loswerden.

Sie selbst hat eher einen nüchternen Politikstil, ihr Auftreten und das endlose Wiederholen bestimmter Parolen brachten ihr den Spitznamen „maybot“ ein. Dass sie das Roboterhafte nicht ablegen kann, zeigte kürzlich eine Tanzeinlage bei einem Besuch in Afrika. Dass der kommende Dienstag ihr einen Anlass für einen Freudentanz bietet, bleibt zu bezweifeln. (afp)



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