Streit beim G20-Ministertreffen: Lindner kritisiert Peking – keine Abschlusserklärung

Normalerweise enden G20-Treffen mit einem gemeinsamen Abschlusspapier. Russlands Krieg in der Ukraine überschattet auch dieses Forum. Olaf Scholz traf sich mit dem indischen Premierminister auch für wirtschaftliche Gespräche.
Titelbild
Bundesfinanzminister Christian Lindner auf einer Pressekonferenz am Rande des Treffens der G20-Finanzminister und Zentralbanker im Rahmen der indischen G20-Präsidentschaft in Bengaluru am 24. Februar 2023.Foto: MANJUNATH KIRAN/AFP via Getty Images
Epoch Times25. Februar 2023

Die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich bei ihrem Treffen in Indien wegen des Streits über den Ukraine-Krieg nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung verständigt. Stattdessen veröffentlichte das Vorsitzland Indien eine eigene Zusammenfassung.

Die meisten Staaten verurteilten demnach den russischen Angriffskrieg erneut aufs Schärfste und forderten einen bedingungslosen Abzug von ukrainischem Territorium. Der entsprechenden Passage stimmten Russland und China nicht zu.

Kritik an China

Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte nach dem Treffen China. Er bedauere sehr, dass sich die chinesische Haltung verschoben habe, sagte Lindner in Bengaluru. „Wir verurteilen gemeinsam den russischen Angriff auf die Ukraine. Hier gab es sehr große Gemeinsamkeit – allerdings mit Ausnahme der sehr ambivalent auftretenden Chinesen. Das muss man sehr klar sagen“, kritisierte Lindner. Während es einen „Rückschritt auf der Seite Chinas“ gegeben habe, habe zum Beispiel Brasilien nun eine klarere Position.

In den Diskussionen in Bengaluru ging es unter anderem darum, ob das Wort „Krieg“ ins Abschlussdokument aufgenommen werden sollte. Deutschland und Frankreich machten klar, dass sie keine Formulierung dulden wollten, die hinter der Aussage der Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali im November zurückbleibt. Dort hatten die G20 formuliert: „Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.“

Normalerweise werden nach einem G20-Treffen gemeinsame Bewertungen und Ziele in einem Kommuniqué festgehalten. Seit dem Ukraine-Krieg stocken die Gespräche aber immer wieder, weil auch Russland Mitglied der Gruppe ist.

Differenzen gab es bei dem Treffen auch über Schulden armer Länder. Lindner hatte China bereits am Freitag ermahnt, der Verantwortung bei möglichen Erleichterungen für Staaten wie Ghana stärker gerecht zu werden. Nach dem Treffen sagte er, er sei nun verhalten optimistisch, dass es in diesem Jahr weitere Fortschritte geben könnte.

China ist weltweit einer der größten Kreditgeber. Nach Berechnungen der Weltbank müssen die ärmsten Länder rund 62 Milliarden Dollar jährlich für den Schuldendienst an ihre Gläubiger überweisen – zwei Drittel der Schulden haben sie bei China.

Scholz besuchte indischen Premier

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besuchte ebenfalls Indien. Er fordert, eine klare Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beziehen. Die Verletzung des Grundsatzes, keine Grenzen mit Gewalt zu verschieben, müsse klar benannt werden, sagte Scholz am Samstag in Neu-Delhi. Scholz war am Samstag mit einer elfköpfigen Wirtschaftsdelegation zu einem zweitägigen Besuch in Indien eingetroffen. Darunter sind unter anderem Vertreter der Unternehmen Siemens, ThyssenKrupp, SAP und Deutsche Post.

Premierminister Narendra Modi betonte seinerseits die Konfliktlösung durch Diplomatie. Mit Blick auf eine angestrebte vertiefte Kooperation mit Deutschland hob er den Verteidigungsbereich hervor.

Der Krieg sei auch „vor allem eine große Katastrophe“, weil Russland den internationalen Grundsatz verletzt habe, „dass man nämlich nicht mit Gewalt Grenzen verschiebt“, sagte Scholz nach einem Treffen mit Modi in der indischen Hauptstadt. „Und insofern ist es sehr wichtig, dass wir auch in den Vereinten Nationen immer wieder ganz klare Feststellungen zu diesem Thema gefunden haben.“

Indien ist im Energie- und Rüstungsbereich stark von Russland abhängig. Das Land hat bisher den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verurteilt. Am Donnerstag enthielt es sich erneut bei einer Abstimmung der UN-Vollversammlung über eine Resolution, die den Abzug der russischen Truppen forderte. 141 der 193 UN-Mitgliedstaaten stimmten für den Text.

Indiens Ziel sei seit Beginn des Ukraine-Konflikts, diesen „durch Dialog und Diplomatie zu lösen“, sagte Modi bei einer gemeinsamen Erklärung vor der Presse. „Indien ist bereit, zu allen Friedensgesprächen beizutragen.“

Mit der Präsidentschaft der G20 großer Industrie- und Schwellenländer habe Indien dieses Jahr eine „sehr verantwortungsvolle Rolle in einer schwierigen Zeit“ übernommen, sagte Scholz. Es müsse dafür gesorgt werden, dass der russische Angriffskrieg in Asien, Afrika oder Südamerika „nicht zu Preissteigerungen führt, zu Energieknappheit, zu Nahrungsmittelknappheit.“

Wirtschaftliche Absichten

Der Kanzler verwies in Neu Delhi darauf, dass bereits 1.800 deutsche Unternehmen in Indien tätig seien. Er betonte das Potenzial bei der Zusammenarbeit im Bereich erneuerbare Energien und beim Austausch von Fachkräften. Scholz sagte dabei zu, sich für einen zügigen Abschluss des geplanten Freihandelsabkommens mit der EU einzusetzen.

Unterzeichnet wurden vier Absichtserklärungen. Dazu gehört ein Rahmenplan für gemeinsame Vorhaben im Bereich Innovation und Technologie, ein Pilotprojekt zum Austausch von Solarexperten, die Schaffung eines Wasserstoff-Forschungsinstituts in Indien mit Beteiligung der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Ausweitung bereits bestehender Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen in Indien mit dem deutschen Unternehmen SFC Energy.

Ein weiteres wichtiges Feld sei „die Sicherheits- und Verteidigungskooperation“, sagte der indische Premier, dessen Land seit Jahrzehnten in einem Grenzkonflikt mit China steht. Sie könne „ein wichtiger Pfeiler unserer Partnerschaft werden“. Hier könnten beide Seiten „unerschlossenes Potenzial“ freisetzen.

Der deutsche Botschafter in Indien, Philipp Ackermann, hatte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ vor dem Besuch gesagt, ThyssenKrupp Marine Systems sei einer von zwei Anwärtern für den Bau von sechs U-Booten für die indische Marine. Der Auftrag hätte demnach einen Wert von rund fünf Milliarden Dollar (rund 4,7 Milliarden Euro). Aus deutschen Regierungskreisen hieß es aber, während des Besuchs würden noch keine Entscheidungen in diesem Bereich erwartet.

Am Sonntag reist Scholz ins südindische Bangalore weiter. Dort stehen unter anderem Besuche einer Niederlassung des deutschen Softwarespezialisten SAP und eines Herstellers von austauschbaren Batteriezellen für Kleintransporter auf dem Programm. (dpa/afp/red)



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