Tschechien: Ein früherer NATO-General ist neuer Regierungschef

Tschechiens Volk will diplomatische Verhandlungen im Ukraine-Krieg. Der neue Regierungschef sieht das etwas anders. Keine EU-Armee, sondern die NATO soll es richten.
Der frühere Nato-General Pavel wird neuer Präsident in Tschechien. Hier mit seiner Frau Eva.
Kritiker sagen über Petr Pavel, dass er seinen Wahlsieg angesichts der Kriegssituation seinen militärischen Fähigkeiten zu verdanken habe. Hier mit seiner Frau.Foto: Petr David Josek/AP/dpa
Von 8. März 2023

Die Tschechische Republik hat einen neuen Ministerpräsidenten. Petr Pavel hoffte auf einen ukrainischen Kriegssieg und Sanktionen – und warnt zugleich vor der Idee einer EU-Armee.

Pavel traf sich kürzlich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in München. Macron stand bislang dafür ein, eine EU-Armee zu gründen. Doch dies stehe nicht mehr auf der französischen Agenda, bestätigte der tschechische Regierungschef auf „Euractiv.de“.

„Präsident Macron hat bereits einen großen Wandel vollzogen – von der europäischen Armee, über die er vor Jahren vor dem Hintergrund der ‚hirntoten‘ NATO sprach, hin zu der Aussage, dass wir eine europäische Verteidigung auf der Grundlage des europäischen Pfeilers der NATO aufbauen müssen, was ich begrüße“, sagte Pavel.

Die Strategie bewegt sich in Richtung kollektive Verteidigung mithilfe der NATO. Doch der neue Ministerpräsident muss noch die Unterstützung der tschechischen Bevölkerung für seinen Kurs gewinnen.

Eine von der NATO unabhängige Kommandostruktur

Petr Pavel hat einen starken militärischen Hintergrund. Er war von 2012 bis 2015 Generalstabschef der Armee der Tschechischen Republik und von 2015 bis 2018 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Kritiker sagen, dass er seinen Wahlsieg angesichts der Kriegssituation seinen militärischen Fähigkeiten zu verdanken habe.

Da er selbst in der NATO gearbeitet hat, ist es für Analysten nicht verwunderlich, dass er sich keine unabhängige europäische Armee vorstellt, sondern eine Verteidigung im Rahmen dieses Bündnisses. Gleichzeitig betont Pavel ebenso wie der französische Präsident Macron, dass Europa eine von der NATO unabhängige Kommandostruktur braucht.

Pavel erklärte gegenüber „Euractiv“, dass er davon überzeugt sei, dass Europa eine strategische Entwicklung brauche, um eine groß angelegte Operation ohne US-Unterstützung durchführen zu können. Das betreffe nicht nur die Kommunikationskanäle, sondern erfordere auch eine ernsthafte Entwicklung im Bereich Transport und Logistik. „Europa hat nur ein Minimum dieser Fähigkeiten“, es sei wichtig, in diesem Bereich voranzukommen. Andernfalls „können wir in der europäischen Verteidigung keine Fortschritte machen“.

Das Volk denkt anders

Der tschechische „iRozhlas“ veröffentlichte jüngst die Ergebnisse einer Meinungsumfrage. Demnach befürworten fast alle Menschen in Tschechien diplomatische Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Tatsächlich würden neun von zehn Befragten diese Option wählen. Allerdings meint auch gut jeder Zweite (56 Prozent), dass es wichtig sei, dass die EU die Ukraine mit Waffen und Munition beliefere.

Die öffentliche Unterstützung für EU-Sanktionen gegen Russland ist stark. Während vor einem Jahr 80 Prozent für Sanktionen waren, unterstützen jetzt nur noch 68 Prozent der befragten Tschechen diesen Weg. In der Umfrage wurde auch die Möglichkeit eines direkten Eingreifens der NATO angesprochen – hier sind drei von vier der Befragten dagegen. Und etwa die Hälfte der befragten Menschen sind laut der Umfrage dafür, dass die Ukraine in naher Zukunft der EU oder der NATO beitritt.

Das Volk denkt damit anders als ihr Präsident. Petr Pavel ist eher für einen Sieg der Ukraine im Krieg als für diplomatische Bemühungen. In einem Interview mit der „Zeit“ betonte er, dass es derzeit drei wichtige Faktoren gebe: Die Sanktionen sollten konsequent umgesetzt werden; sowohl die finanzielle Unterstützung der Ukraine als auch die Unterstützung mit Waffen sollten beibehalten werden. „Wenn all diese Dinge zusammenkommen, wird es für Russland wirklich schwierig sein, den Krieg in diesem Jahr fortzusetzen. Das wäre das bestmögliche Szenario.“

Pavel sprach sich eindeutig für einen NATO-Beitritt der Ukraine aus und erwähnte in dem Interview auch, dass längerfristig Kampfflugzeuge an die Ukraine geliefert werden sollten.

Russland in die Knie zwingen

Pavel wurde gefragt, wie er die Tschechen, die gegen den Waffentransfer sind, umstimmen will. Er sagte: „Indem ich ihnen geduldig und beharrlich die Situation erkläre.“ Und weiter:

Russland hat in den letzten Jahren gezeigt, dass es seine Ziele mit aller Macht durchsetzen will. Wir können nicht zulassen, dass ein Aggressor für seine Aggression belohnt wird, indem er die Kontrolle über fremdes Territorium übernimmt.“

Er fügte hinzu, dass Russland wahrscheinlich in der Ukraine gewinnen würde, wenn die Waffenlieferungen an die Ukraine eingestellt würden. Außerdem glaubt er, dass die russische Aggression damit nicht aufhört. „Es ist wichtig, den Menschen hier in Europa ganz klar zu sagen, auch um den Preis eines Popularitätsverlustes: Wir haben keine andere Wahl. Jede Alternative wäre noch schädlicher und teurer.“

Der tschechische Präsident sieht sich jedoch nicht nur in seinem eigenen Land kontroversen Reaktionen gegenüber. Auch in der Visegrád-Gruppe gibt es Spannungen, da Ungarn andere Ansichten über den Krieg vertritt. Doch „auch die ungarische Führung wird nicht ewig da sein. Früher oder später wird es einen Wechsel geben“, so der neue Regierungschef in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Monde“.



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