EU-Gipfel: Von der Wut der Landwirte bis zum Kampf für die Ukraine

Der EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel soll helfen, große Konflikte nicht weiter eskalieren zu lassen. Mehrere Probleme stehen auf der Tagesordnung. Beraten wird auch über Europas Verteidigungsstrategien. Kommt eine Rüstungsfinanzierung über Eurobonds?
Fahnen wehen vor dem Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel.
Vor dem Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times21. März 2024

Erst der Ukraine-Krieg und dann auch noch die Eskalation des Nahost-Konflikts: Bei den turnusmäßigen Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs spielten zuletzt vor allem außenpolitische Themen eine zentrale Rolle.

Beim Frühjahrsgipfel in Brüssel, der heute beginnt, wird das nicht viel anders sein. Allerdings gibt es auch noch zwei weitere Punkte auf der Tagesordnung, die für schwierige Diskussionen sorgen könnte.

Der Gipfel beginnt mit einem Arbeitsessen mit UN-Generalsekretär António Guterres zur humanitären Notlage im Gazastreifen.

Die EU und die Wut der Landwirte

Nach teils heftigen Bauernprotesten in zahlreichen EU-Staaten ist das Thema Landwirtschaft nun auch in Brüssel Chefsache.

In einem Entwurf für die Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs heißt es unter anderem, dass die Europäische Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen unverzüglich weiter an kurz- und mittelfristigen Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirtschaft arbeiten soll. Die Kommission hatte in den vergangenen Wochen bereits mehrfach Entlastungen für Bauern präsentiert – etwa indem sie lockere Umweltvorgaben ermöglichen will.

Ziel ist auch, Bauern von Verwaltungsaufwand zu befreien und Landwirten ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. In dem Entwurf steht, dass die Position von Bauern innerhalb der Lieferketten für Lebensmittel gestärkt werden soll.

Aus dem Entwurf geht nicht hervor, welche Maßnahmen dazu genau ergriffen werden sollen. Grundsätzlich hat etwa der Lebensmitteleinzelhandel eine mächtige Verhandlungsposition, wenn es darum geht, wie viel den Bauern für ihre Lebensmittel gezahlt wird.

Im Entwurf der Gipfelerklärung wird auch die am Mittwoch von Unterhändlern des Europaparlaments und der EU-Staaten ausgehandelte teilweise Wiedereinführung von Zöllen auf ukrainische Lebensmittel erwähnt.

Kurz vor dem Gipfel hatte die EU sich auf Zugeständnisse an die Bauern zu Lasten der Ukraine geeinigt. Geplant ist eine „Notbremse“ für die zollfreie Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte wie Hafer und Mais sowie Eier, Geflügel und Zucker, die ab Juni greifen soll. 

Vor allem polnische Bauern hatten sich durch stark gestiegene Importe aus der Ukraine unverhältnismäßiger Konkurrenz ausgesetzt gesehen. Mit der Wiedereinführung von Zöllen soll nun Forderungen von Landwirten entgegengekommen werden. Zusätzlich ist auch im Gespräch, neue Zölle auf Getreideimporte aus Russland einzuführen.

Die EU und der Krieg in der Ukraine

Tun die EU-Staaten genug, um einen Sieg Russlands im Krieg gegen die Ukraine zu verhindern? Und wenn nicht, was muss noch getan werden? Das ist eine weitere Frage, mit der es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen an diesem Donnerstag und Freitag zu haben werden.

Angesichts der zunehmend schwierigen Lage wollen die EU-Länder die „Lieferung der notwendigen militärischen Hilfe beschleunigen und intensivieren“, wie es im Entwurf der Gipfelerklärung heißt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will per Videoansprache einen dringenden Appell an die Staats- und Regierungschefs richten.

Die EU-Außenminister hatten zu Wochenbeginn eine Aufstockung des gemeinsamen Militärhilfe-Topfes für die Ukraine um fünf Milliarden Euro gebilligt. Deutschland sagte Kiew im Rahmen der internationalen Ukraine-Unterstützergruppe zudem 500 Millionen Euro zusätzlich für dringend benötigte Munition zu.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schlägt vor, das in Europa eingefrorene russische Vermögen zu Gunsten der Ukraine zu nutzen. Er will dabei Zinsgewinne abschöpfen – in diesem Jahr rund drei Milliarden Euro. Die Mittel sollen überwiegend in Waffen und Munition für die Ukraine fließen.

Rüstungsfinanzierung über Eurobonds?

Die EU-Kommission schlägt vor, Europas Rüstungskapazitäten hochzufahren und sich unabhängiger von den USA zu machen. Im Gespräch ist unter anderem, der Europäischen Investitionsbank (EIB) künftig auch die Förderung von Rüstungsprojekten zu ermöglichen. Bislang ist ihr das nicht erlaubt.

Frankreich, die Baltenländer und Polen sind laut Diplomaten für Eurobonds, also durch Gemeinschaftsschulden finanzierte Anleihen im Umfang von 100 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte solchen Plänen mehrfach eine Absage erteilt – Deutschland würde in diesem Fall am meisten zahlen müssen.

Deutschland setzt vor allem auf Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg. Nach ihrem bisherigen Mandat kann die EU-Förderbank keine Rüstungshersteller fördern. Deutschland und 13 weitere Länder wollen ihr zumindest ermöglichen, mehr zivil wie militärisch nutzbare Güter zu finanzieren.

Begrüßen wollen die Staats- und Regierungschefs eine internationale Initiative Tschechiens. Damit sollen insgesamt 800.000 Schuss Artillerie-Munition für die Ukraine beschafft werden, vor allem außerhalb der EU. Die Europäer waren zuvor mit einem Plan gescheitert, eine Million Geschosse aus eigenen Armeebeständen oder europäischer Produktion zu liefern; lediglich gut ein Drittel der Menge kam zusammen.

Die EU und der Nahost-Konflikt

Angesichts der Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen will eine große Mehrheit der EU-Staaten von Israel fordern, im Kampf gegen die Hamas eine Feuerpause einzulegen, die dann zu einem nachhaltigen Waffenstillstand führen soll. Bis zuletzt war allerdings unklar, ob es den notwendigen Konsens für eine gemeinsame Erklärung gibt.

Hauptgrund ist der Streit darüber, wer für die Notlage im Gazastreifen verantwortlich ist. Insbesondere Spanien und Irland verlangen eine deutlich schärfere Sprache gegenüber Israel. Kanzler Scholz drängt zu einem längeren Waffenstillstand, Deutschland steht nach seinen Worten aber fest hinter Israel.

So sieht es zum Beispiel Ungarn eigentlich als unangebracht an, Israel nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober zu Zurückhaltung aufzufordern. Auf der anderen Seite stehen Länder wie Spanien, die das Vorgehen Israels im Gazastreifen für völkerrechtswidrig halten und sich eine stärkere Reaktion der EU wünschen.

Die EU und die Beitrittskandidaten

Das Balkanland Bosnien-Herzegowina ist nach Einschätzung der EU-Kommission bereit für die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union.

Die Entscheidung liegt allerdings bei den Staats- und Regierungschefs – und vor allem aus den Niederlanden waren zuletzt noch kritische Stimmen zu hören. Diese verweisen unter anderem auf noch bestehende Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.

Staaten wie Österreich dringen hingegen auf eine positive Entscheidung für Bosnien-Herzegowina und drohen, sonst vorerst Fortschritte im Beitrittsprozess für Länder wie die Ukraine und Moldau zu blockieren. Grund ist auch die Sorge, dass sich das Balkanland mit etwa 3,2 Millionen Einwohnern ansonsten Richtung Russland oder China orientieren könnte. (dpa/red)



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