Von Tierseuchen bis Krieg: So bereitet sich Europa auf eine Lebensmittelkrise vor

Bei einem Workshop in Brüssel beschäftigten sich 60 Teilnehmer mit verschiedenen Szenarien. Dazu gehörte, dass Indonesien die Lieferungen von Palmöl nach Europa eingestellt hat, El Niño und La Niña die Sojaernte in Lateinamerika zerstört hat, während China alle verfügbaren Ernten aufkauft und Landwirte in der Ukraine und Russland im Krieg stehen. Fazit: Nur wenige europäische Regierungen sind auf eine Versorgungskrise vorbereitet.
Titelbild
Leere Regale wie hier in einem Supermarkt in Göppingen im März 2020 könnten die Folge eines Versorgungsengpasses sein, wie er nur bei einem Planspiel in Brüssel simuliert wurde.Foto: Tom Weller/dpa/dpa
Von 14. März 2024

Leere Regale und das Szenario zusammenbrechender Lieferketten diktierten für einige Wochen unser Konsumverhalten in der Frühphase der Corona-Pandemie. Das ausverkaufte Toilettenpapier war vor knapp vier Jahren gewissermaßen das Symbol einer sich zuspitzenden Krise.

Videos gingen in sozialen Netzwerken viral, die Menschen zeigten, wie sie überquellende Einkaufswagen mit Hygieneartikeln zu ihren Autos schoben. Epoch Times berichtete mehrfach über Hamsterkäufe und die Konsequenzen.

Probleme bei Versorgung bisher weitgehend ausgeblieben

Die Hysterie sorgte bisweilen auch für skurrile Schlagzeilen. So brach im Mai 2020 ein Unbekannter ein Auto auf und erbeutete neben zwei Bohrschraubern sechs Pakete Toilettenpapier. Viele Deutsche bunkerten seinerzeit aber auch Mehl, Konserven, Reis, Nudeln und alles, was länger haltbar war.

Zwingend nötig war das alles letztlich nicht, die oft kolportierte Versorgungskatastrophe blieb glücklicherweise aus. Was blieb, waren volle Vorratskammern in deutschen Haushalten, deren Inhalt nun mit Blick auf Haltbarkeitsdaten langsam wieder aufgebraucht werden musste.

Vor genau einem Jahr kochte das Thema Lieferengpässe noch einmal kurz hoch, doch so richtig gespürt haben es Verbraucher kaum. Auch blieben die Hamsterkäufe aus. Im Blick der Öffentlichkeit steht das Thema Lebensmittelkrise jedenfalls nicht.

Wie groß ist die Gefahr jedoch, dass die Regale leer bleiben, Nachschub möglicherweise wochenlang nur in geringerem Umfang geliefert werden kann oder gar ganz ausbleibt? Welche Situationen könnten neben einem eskalierenden militärischen Konflikt dazu führen, dass Europa Hunger leidet?

Wetterphänomene, Krieg und Lieferstopps

Das Thema stand vor wenigen Wochen bei einem zweitägigen Treffen in Brüssel im Mittelpunkt. Etwa 60 Beamte der Europäischen Union (EU) und der Regierung, Fachleute für Ernährungssicherheit, Vertreter der Industrie und Journalisten waren dabei, berichtet „Bloomberg“ (Bezahlschranke).

Sie konstruierten gemeinsam das Bild einer schweren Lebensmittelkrise, ausgelöst durch globale Szenarien. Dazu gehörte etwa, dass Indonesien die Palmöl-Lieferungen nach Europa gestoppt hat. Oder auch, dass die Wetterphänomene El Niño und La Niña die Sojaernte in Lateinamerika vernichtet hat, während China auf der Jagd nach Ernten alles aufkauft und ukrainische und russische Landwirte im Krieg kämpfen.

Widerstandsfähigere Lebensmittelsysteme

Initiator der Veranstaltung war das Projekt Food Alert, zu Deutsch „Lebensmittelwarnung“. Es existiert erst seit dem vergangenen Jahr, ist auf der Internetseite zu erfahren. Die Idee dient dem Versuch, die Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelsysteme zu stärken.

Zu den Bedrohungen gehören demnach „externe Stressfaktoren“, die der „immer schwerwiegendere“ Klimawandel verursache. Zu dem offenbar ersten Workshop hatten sechs Partner von Food Alert eingeladen.

Dazu gehört etwa das französische Institut für politische Studien (SciencesPo), dessen letzte sechs Staatspräsidenten allesamt Absolventen waren. Das Institut verlieh Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr die Ehrendoktorwürde.

Des Weiteren gehört die britische Denkfabrik Chatham House dazu. 1920 gegründet, befasst sie sich mit international relevanten Themen des politischen Zeitgeschehens. Für einzelne Projekte erhielt die Denkfabrik finanzielle Zuwendungen von der Bill & Melinda Gates Foundation, der Rockefeller-Stiftung, aber auch von der NATO oder der EU.

Dritter im Bunde ist das Center for Systems Solutions (CRS). Der gemeinnützige Verein hat seinen Sitz im polnischen Breslau. In der Selbstdarstellung heißt es, dass die Verknüpfung von Theorie und Praxis mit verschiedenen „Systemmethoden“ Ziel der Arbeit sei.

Aktuell ist der Verein unter anderem auch an der Initiative NetZeroCities beteiligt. Sie spielt eine zentrale Rolle in der EU-Mission 100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030.

Kooperation mit Gates Foundation

Mit Fragen zu europäischer Politik beschäftigt sich das European Policy Centre (EPC) mit Sitz in Brüssel. Vorsitzender ist der belgische Politiker Herman van Rompuy (76), der zwischen 2009 und 2013 für zwei Amtsperioden Präsident des Europäischen Rates war.

Ebenfalls dabei ist die Prospero AG, die damit wirbt, seit 1999 als Beratungsunternehmen biobasierter Innovationen in Landwirtschaft und Ernährung zu fördern. Welche Personen hinter dem Unternehmen mit Brüsseler Adresse stecken, ist dem sehr minimalistisch aufgemachten Internetauftritt nicht zu entnehmen.

Um die Anpassung an den Klimawandel, die Umstellung der Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit geht es beim Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE). Die französische Einrichtung ging 2020 aus dem Zusammenschluss zweier anderer Institute hervor.

INRAE beteiligt(e) sich beispielsweise an einem Projekt zur nicht-hormonellen Schwangerschaftsverhütung. Das Projekt hatte die Bill & Melinda Gates Foundation 2021 ins Leben gerufen.

Ausführlicher Bericht Ende März für die EU

So viel zu den Protagonisten dieses Workshops. Doch was haben die Teilnehmer an den zwei Tagen besprochen? Ein ausführlicher Bericht soll am 27. März 2024 unter anderem der EU-Kommission vorgelegt werden, heißt es auf der Internetseite des beteiligten Center for Systems Solutions. Dort ist auch einiges über den Ablauf aufgeführt.

Demnach startete die Veranstaltung mit einer Politiksimulation, die den Teilnehmern einen Blick in die Zukunft bot. Sie wurden in die Entwicklung von Richtlinien einbezogen, waren zum Handeln aufgefordert und hatten Gelegenheit zum Austausch von Wissen. Die Rolle von sogenannten Task-Force-Mitgliedern übernahmen sie in der Szenario-Simulation Food Alert.

Die Aufgabe der Teilnehmer war es, politische Empfehlungen für „hochrangige EU-Entscheidungsträger“ zu entwickeln. In drei Arbeitsgruppen aufgeteilt, beschäftigten sie sich mit Themen wie Handel und Finanzen, Krisenreaktionsmechanismen sowie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Das Ziel war hier ebenfalls die Entwicklung politischer Empfehlungen.

Dass am ersten Tag des Workshops die Bauern in Brüssel gegen die EU-Politik demonstrierten, sei ein Zeichen für bereits vorhandene Nahrungsmittelkrisen, heißt es auf der Internetseite weiter. So hätten die Streiks für leere Regale in belgischen Supermärkten gesorgt.

Weg vom Fleisch auf der Speisekarte

Im Mittelpunkt des zweiten Tages standen politische Vorschläge und mögliche Schlussfolgerungen. Auf überwiegend einhellige Reaktion sei der Vorschlag gestoßen, dass man bei der Ernährung weg vom Fleisch und hin zu gesünderen Alternativen kommen müsse. Auch habe sich die Frage gestellt, wie Nahrungsmittelreserven besser verwaltet und überwacht werden können, berichtet „Bloomberg“.

Die Teilnehmer sammelten auch Themen für weitere Simulationen. Dabei reichte das Spektrum von Lebensmittelsicherheit über Bioterrorismus und Desinformation bis zur Verbreitung von Tierseuchen. Diese seien „ein großes Problem, das noch größer werden könnte“, wird Katja Svensson, leitende Beraterin für Ernährungssysteme beim Nordischen Ministerrat, zitiert.

Chris Hegadorn, ein pensionierter US-Diplomat und Mitorganisator des Workshops, wies darauf hin, dass nur wenige europäische Regierungen auf mögliche Lebensmittelkrisen vorbereitet seien. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren in einer Krise gelebt“, sagte der außerordentliche Professor für globale Ernährungspolitik an der SciencesPo in Paris. „Es gibt auf allen Ebenen noch viel zu tun. Die Krisen werden schneller und härter werden.“

Ideen für eine „strategische Planung“

Neben der EU-Kommission sollen auch die EU-Abgeordneten den für den 27. März 2024 in Aussicht gestellten Workshop-Bericht erhalten. Er liefere „wertvolle Erkenntnisse und Ideen für die strategische Planung“.

Im April sollen die Organisatoren des Workshops dann in Brüssel bei der Gruppe des Europäischen Mechanismus zur Vorbereitung und Reaktion auf Krisen im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM) ihre Ergebnisse präsentieren.



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