Westen sendet nach Festnahme von Kurdenpolitikern starke Warnsignale nach Ankara

Nach der nächtlichen Verhaftung der Führungsriege der prokurdischen HDP-Partei in der Türkei haben die EU und die USA am Freitag starke Warnsignale nach Ankara gesandt. Bundesaußenminister Steinmeier (SPD) bestellte den türkischen Gesandten ein.
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TürkeiFoto: Chris McGrath/Getty Images
Epoch Times5. November 2016

Nach der nächtlichen Verhaftung der Führungsriege der prokurdischen HDP-Partei in der Türkei haben die EU und die USA am Freitag starke Warnsignale nach Ankara gesandt.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestellte den türkischen Gesandten ein und sagte, die Opposition in der Türkei dürfe nicht „zum Schweigen oder gar hinter Gitter“ gebracht werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini berief ein Treffen der EU-Botschafter in Ankara ein.

Steinmeier drohte der Türkei indirekt mit einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. „Es ist jetzt an den Verantwortlichen in der Türkei, sich darüber klar zu werden, welchen Weg ihr Land gehen will und was das bedeutet für die Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union“, sagte der Außenminister.

Die Bundesregierung stehe den Festnahmen „ablehnend und missbilligend“ gegenüber, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich „bestürzt“. Er warf die Frage auf, ob die Politik Ankaras „die endgültige Abkehr vom Weg in Richtung Europa“ sei.

Staatssekretär Stephan Steinlein führte im Auswärtigen Amt ein Gespräch mit dem türkischen Gesandten Ufuk Gezer über die aktuellen Entwicklungen. Der türkische Geschäftsträger war von Steinmeier einbestellt worden. Vor dem Treffen hieß es aus dem Auswärtigen Amt, die Festnahmen von HDP-Politikern seien aus Steinmeiers Sicht „eine weitere drastische Verschärfung der Lage“.

Bei Anti-Terror-Razzien in der Nacht waren unter anderem die beiden Vorsitzenden der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, sowie mehrere HDP-Abgeordnete festgenommen worden. Trotz der internationalen Proteste wurden am Nachmittag Haftbefehle gegen die beiden Spitzenpolitiker und fünf weitere HDP-Abgeordenete ausgestellt. Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittgrößte Partei im Parlament und die größte politische Vertretung der Kurden. Die türkischen Behörden gehen gegen die HDP im Rahmen von „Anti-Terror“-Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kontakte zwischen der HDP und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz sagte der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ (Freitagsausgabe), er sehe „die Türkei nicht als Mitglied in der Europäischen Union“. Aus seiner Sicht habe sich die Türkei „in Fragen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte in den letzten Jahren immer weiter weg von Europa entwickelt“, sagte Kurz. Der österreichische Außenminister verwies auf „die Überlegungen zur Einführung der Todesstrafe“ und die „neuerlichen Verhaftungen von Journalisten“. Die EU-Beitrittsverhandlungen sollten „unter diesen Umständen nicht weitergehen“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok der „Huffington Post“.

Der US-Menschenrechtsbeauftragte Tom Malinowski erklärte, Demokratien hätten eine „Rechtfertigungspflicht“, wenn sie gegen gewählte Volksvertreter vorgingen. Als „Freunde und Alliierte“ seien die USA „tief beunruhigt“ über die Festnahme der HDP-Politiker und die Blockade des Internet-Zugangs. Internetnutzer konnten WhatsApp, Twitter, Facebook, YouTube und andere Netzwerke am Freitag gar nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten erreichen, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Nach Angaben der Beobachtungsstelle Turkey Blocks waren Twitter, Facebook und YouTube ganz gesperrt, WhatsApp, Skype und Instagram waren gestört.

Wenige Stunden nach den Festnahmen von Demirtas und Yüksedag wurden bei einem Autobombenanschlag in der Kurdenhochburg Diyarbakir mindestens neun Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt. Ministerpräsident Binali Yildirim machte die PKK für die Tat verantwortlich.

Die türkische Währung fiel auf ein historisches Tief. Am Freitag mussten für einen Dollar 3,17 Lira bezahlt werden, so viel wie nie zuvor. Die türkische Währung war damit noch schwächer als nach dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli, der die Märkte ebenfalls heftig erschüttert hatte. (afp)



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