Wladimir Putin besucht das besetzte Mariupol – oder war es ein Doppelgänger?

Ein Besuch des russischen Präsidenten hat alle überrascht. Unmittelbar nach seiner Reise auf die Krim tauchte er in einer Stadt auf, die gerade dabei ist, sich vom Krieg zu erholen. Seine politische Botschaft wurde von vielen kritisiert.
Russlands Präsident Wladimir Putin in Begleitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Khusnullin.
Russlands Präsident Wladimir Putin in Begleitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Khusnullin.Foto: Russian TV/AP/dpa
Von 21. März 2023

Der russische Präsident stattete Mariupol am 19. März einen Arbeitsbesuch ab, wie der Pressedienst des Kremls am Sonntag mitteilte. Der Auftritt von Wladimir Putin in dem von der Ukraine besetzten Gebiet sorgte für Aufregung.

Während in ukrainischen politischen Kreisen Missbilligung geäußert wurde, wurde international viel über die Bedeutung der Ereignisse spekuliert. Zu der angespannten Atmosphäre trug auch die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vom 17. März bei, einen Strafbefehl gegen Putin zu erlassen.

Kritikern zufolge könnte das Auftreten Putins im besetzten Gebiet eine politische Botschaft, eine Trotzreaktion oder ein Ausdruck des Erfolgs sein. Viele bezweifeln auch, dass Putin selbst in der Donbass-Region war. Sie vermuten, dass er von einem Doppelgänger vertreten wurde.

Ein Besuch im Schutze der Nacht

Einem Sprecher des Kremls zufolge war der Besuch des russischen Präsidenten in der vom Krieg zerrütteten Donbass-Region weitgehend „spontan“. Es war auch das erste Mal, dass der Präsident ein während des Krieges besetztes Gebiet besucht hat.

Mariupol, eine Großstadt mit 500.000 Einwohnern, wurde besonders schwer beschädigt. Ein großer Teil der Bevölkerung ist geflohen und viele Gebäude in der Stadt sind zerstört und unbewohnbar. Laut dem Bericht des russischen Sprechers wollte sich Putin selbst ein Bild davon machen, wie der Wiederaufbau in der Region verläuft. Sein Besuch war unangekündigt und fand in der Nacht statt, was aus Sicherheitsgründen besonders vorteilhaft ist.

Russlands Präsident Wladimir Putin informierte sich in Mariupol über die Lage.

Russlands Präsident Wladimir Putin informierte sich in Mariupol über die Lage. Foto: Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Der Präsident sei vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Husnullin begleitet worden, der ihn über den Wiederaufbau der Stadt informiert habe. Er hätte vor allem berichtet, „wie sich die Wirtschaft der Stadt entwickelt, die Straßen, der Wiederaufbau der zerstörten Gebäude, wie viele Menschen arbeiten, wie die Arbeitsbedingungen gesichert sind, wie die Baumaterialien geliefert werden“, so der Sprecher laut einem ungarischen Portal, das über russische Nachrichten berichtet.

Sie besuchten unter anderem eine wiederaufgebaute Wohnsiedlung, wo Putin mit den Menschen sprach. Laut Pressesprecher Dmitri Peskow „war ursprünglich nur geplant, den Wohnkomplex zu besuchen, und natürlich gab es keinen Plan, sich mit Bürgern zu treffen oder [ihre Häuser] zu besuchen. Es hat sich alles spontan entwickelt.“

Aus Mariupol reiste Putin in die Stadt Rostow am Don, wo er im Hauptquartier des Kommandos, das für die Militäroperation in der Ukraine verantwortlich ist, mit den führenden Militärs Russlands zusammentraf. „Der Besuch im Kommandohauptquartier war nicht im Voraus geplant“, sagte Peskow und fügte hinzu, dass die Ankunft des Präsidenten keiner besonderen Vorankündigung bedurfte. Schließlich werde die militärische Einrichtung rund um die Uhr für Arbeiten und Besprechungen genutzt.

„Das erste und letzte Mal, dass Putin in Mariupol war“

Das Auftreten des russischen Präsidenten in Mariupol hat in ukrainischen politischen Kreisen heftige Reaktionen hervorgerufen.

Alexander Kamyshin, der ehemalige Chef der ukrainischen Staatsbahn, postete auf seiner Twitter-Seite ein Bild eines fiktiven Zuges, der zwischen Mariupol und Den Haag verkehrt. Er bezog sich damit auf den internationalen Strafbefehl gegen Putin. In seinem Posting merkte er zynisch an, dass der Zug abfahrbereit sei und für einen einzigen Fahrgast bestimmt sei.

Oleksii Ryabchyn, ein Berater des stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidenten, erklärte gegenüber „Sky News“ unverblümt, dass Putin „zum ersten und letzten Mal“ in Mariupol eingetroffen sei, da die für das Frühjahr geplante ukrainische Gegenoffensive die Russen aus dem ukrainischen Gebiet vertreiben werde, berichtet das ungarische Wirtschaftsnachrichtenportal „Portfolio“.

Der ehemalige ukrainische Bürgermeister der Stadt, Wadim Bojtschenko, erklärte gegenüber der BBC, dass der Präsident sich selbst ein Bild von der Lage in der Stadt machen wollte. Bojtschenko sagte:

Keine andere Stadt hat eine solche Verwüstung erlitten. Keine andere Stadt wurde so lange belagert. Keine andere Stadt wurde mit Teppichbomben bombardiert. Er kam persönlich hierher, um zu sehen, was er getan hatte.“

Eine inszenierte Szene?

In der Presse wurde auch darüber spekuliert, ob Präsident Putin tatsächlich persönlich in Mariupol war oder ob nur ein Doppelgänger von ihm vor Ort war.

Igor Girkin, ein bekannter Kritiker des Kreml, hat dazu einen Kommentar abgegeben. Girkin ist ein ehemaliger Kommandeur der pro-russischen Separatisten im Donbass und ein Agent des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes FSB. Er kommentierte auf der sozialen Netzwerkseite Telegram unter dem Pseudonym „Strelkov“:

„Der echte Wladimir Wladimirowitsch war an Weihnachten allein in der Kremlkirche. Allein! […] Das ist der echte Wladimir Wladimirowitsch, der am Ende des Tisches sitzt, seine Minister empfängt und sie durch ein Fernglas betrachtet. […] Wenn ich einen vermeintlichen Putin inmitten von Menschen sehe, weiß ich sofort, dass ich ein Double sehe“, schrieb der ehemalige Agent laut einem Bericht des Wirtschaftsportals „Privatbankar“.

Auf diesem von einem russischen Fernsehsender veröffentlichten Screenshot spricht Wladimir Putin in Mariupol mit Anwohnern.

Auf diesem von einem russischen Fernsehsender veröffentlichten Screenshot spricht Wladimir Putin in Mariupol mit Anwohnern. Foto: Uncredited/POOL Russian TV/AP/dpa

Von kritischen, pro-ukrainischen Stimmen werden die Szenen auf den viral gegangenen Videoaufnahmen über Putins Besuch in Mariupol ebenfalls als inszeniert angesehen. Vor allem das Treffen mit den örtlichen Bewohnern, die den Präsidenten in einer wiederaufgebauten Wohnsiedlung begrüßen sollten. Ein BBC-Korrespondent, Will Wernon, hat dazu ein Video auf seiner Twitter-Seite veröffentlicht. Darin rief eine weibliche Stimme mitten in Putins Treffen mit den Bewohnern auf Russisch, dass die Szene eine Lüge sei.

Fest im Griff

Putin selbst sprach am Sonntag auch im russischen Staatsfernsehen. Er hat zwar über die Reisen nichts Konkretes gesagt, erklärte aber, dass entgegen den Erwartungen seiner Gegner in Russland nichts zusammengebrochen sei. Er betonte, dass „das Finanzsystem funktioniert, die Banken erhöhen ihre Kapazität“.

Der Präsident suggerierte sowohl auf seinen Reisen als auch in seinen Erklärungen die Botschaft, dass es in Russland Stabilität gebe. Selbst die verwüsteten Gebiete würden wiederhergestellt, berichtet „Origo“.

In dem Interview wurde auch erwähnt, dass der Aufbau der Armee im Gange ist. Putin machte auch eine klare Aussage: „[2014] hatten wir keine Hyperschallwaffen, jetzt haben wir sie. Ja, wir benutzen sie zwar nicht, aber wir haben sie.“ Zudem sagte er: „Im Fall der Krim musste Moskau dringend handeln und seine heilige Pflicht erfüllen, die lokale Bevölkerung zu schützen, weil sie von den ‚Nazis‘ bedroht wurde.“

Kritiker meinten, die Botschaft sei klar genug – und auch an das Tribunal in Den Haag gerichtet: „Lasst uns den schlafenden Löwen nicht wecken.“



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