Wumms für Bodengesundheit – aber auf wessen Kosten?

Die EU-Kommission plant ein neues Gesetz zur Bodengesundheit. Ein offener Brief von über 250 Akteuren sorgt für Rückendeckung. Doch das Vorhaben ist umstritten.
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Ein guter Boden ist Voraussetzung für gutes Wachstum.Foto: iStock
Von 21. März 2023

Im Juni 2023 will die EU-Kommission einen Entwurf für eine neue Richtlinie vorlegen, die federführend für die Bodengesundheit werden soll. In einem offenen Brief an die Europäische Kommission mahnt das Bündnis Soil Health Law Coalition (Bodengesundheitsgesetz-Koalition) die „dringende Notwendigkeit eines ehrgeizigen und fortschriftlichen EU-Bodenschutzgesetzes“ an.

Doch in verschiedenen Nationen regt sich Widerstand – denn Bodenschutz ist Ländersache.

Über 250 Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Lobbyverbänden und einzelne Bürger halten eine weitreichende EU-Gesetzgebung für erforderlich, um einen rechtlichen Rahmen für die Maßnahmen und Überwachung zur Bodengesundheit zu schaffen.

In ihrem offenen Brief machen sie Druck auf die EU-Kommission. „Gesunde Böden sind von grundlegender Bedeutung, um die Ziele des Europäischen Green Deal […] zu erreichen“. Das gelte im Hinblick auf Klima, biologische Vielfalt, Wasser als auch bezüglich der „Null-Verschmutzung“, die sich die EU zum Ziel gesetzt hat.

„Während die Kosten der Bodenbelastung für Gesellschaft, Unternehmen und biologische Vielfalt exponentiell steigen, nehmen die Kosten für die Überwachung und Wiederherstellung der Bodengesundheit rapide ab“, so die Autoren des Papiers.

Konkret fordert das Bündnis:

  • eine eindeutige Definition der Bodengesundheit nebst klaren Indikatoren aufgrund der neuesten Bodenforschung
  • ehrgeizige und verbindliche Ziele zur Erreichung der Bodengesundheit
  • strenge Anforderungen an eine nachhaltige Bewirtschaftung
  • Netto-Null-Flächenverbrauch
  • ein umfassendes, harmonisiertes und rechtlich verankertes Überwachungssystem
  • einen starken Steuerungsrahmen zur Durchsetzung des Gesetzes.

WWF setzt auf „Bodenschutz mit Wumms“

Zu den zeichnenden Verbänden zählen auch der Naturschutzbund Deutschland, der BUND und der WWF. Michael Berger, WWF-Referent für nachhaltige Landwirtschaft und Bodenschutz, erklärt: „Wir brauchen Bodenschutz mit Wumms. Europas Böden verschwinden unter Beton oder verwehen im Wind.“ Anstatt Treibhausgase zu binden, würden die Böden Treibhausgase freisetzen; seien schadstoffbelastet und verlören an biologischer Vielfalt.

Nach Schätzung der EU-Kommission leiden 60 bis 70 Prozent der EU-Böden unter anhaltender Degeneration. „Dieser verheerenden Entwicklung muss die Europäische Union entschiedener als bisher entgegenwirken. Das gelingt nur mit einem starken Gesetzesrahmen, der Bodengesundheit verbindlich definiert und mit messbaren Indikatoren hinterlegt“, so Berger.

Die Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland seien im vierjährigen Mittel der Jahre 2018 bis 2021 durchschnittlich um 55 Hektar pro Tag gewachsen. Nach Bergers Ansicht braucht es zusätzlichen Druck auf die Regierungen der Mitgliedstaaten, um eine Trendwende zu erreichen. Mit einer „schlagkräftigen Richtlinie“ solle die EU „unsere Böden, unser Naturkapital, unsere Existenzgrundlagen schützen“, fordert der WWF-Referent.

Während unterschiedliche internationale Lobbyverbände, Wissenschaftler und Einzelpersonen das Vorhaben der EU-Kommission ausdrücklich unterstützen, sehen andere eine rote Linie klar überschritten. Das wird aus der Anfang 2022 erschienenen öffentlichen Umfrage der EU-Kommission deutlich, anhand derer die Folgen des geplanten Gesetzes abgeschätzt werden sollten.

320 verschiedene Bodentypen in der EU

Die Wirtschaftskammer Österreich verweist in ihrer Stellungnahme im Rahmen der vor einem Jahr durchgeführten Sondierung darauf, dass bereits die erste Initiative der EU-Kommission und verschiedener Ratspräsidentschaften scheiterte, als es um die Schaffung eines EU-Rechtsrahmens für den Bodenschutz ging.

Seit 2006 rege sich der Widerstand einiger Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich. Das Umweltmedium Boden habe laut Wirtschaftskammer – anders als von der EU-Kommission darlegt – keine grenzüberschreitende Wirkung und würde das Subsidiaritätsprinzip aushebeln. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass politische Entscheidungen jeweils auf der untersten Ebene zu treffen sind.

„Aufgrund der Komplexität der knapp 320 verschiedenen Bodentypen in Europa sind die Prioritäten im Bodenschutz durch verschiedene geographische Besonderheiten bedingt und sollten deshalb auch regional priorisiert und bearbeitet werden“, so die Wirtschaftskammer weiter.

Tiefe Eingriffe in Eigentumsverhältnisse und mehr Bürokratie

In einer Stellungnahme vom 8. März 2022 erklärt die Landwirtschaftskammer Österreich, dass das Schutzgut Boden im Privateigentum einer Vielzahl von Personen stehe und anders zu bewerten sei als andere Ressourcen. Mit dem Vorstoß der EU-Kommission seien „tiefgreifende Eingriffe in bestehende Eigentumsverhältnisse zu erwarten, die den Grundrechteschutz aushöhlen würden“.

Da Boden nicht mobil sei, stelle sich die Frage, ob eine EU-weite Regelung notwendig und überhaupt zulässig sei. Die österreichische Landwirtschaftskammer verweist zudem auf bereits bestehende umfassende nationale und europäische Bedingungen.

„Eine Vermeidung jeglicher Bodenverschmutzung in Form einer Null-Schadstoff-Strategie erscheint unrealistisch, weshalb auch zukünftig eine Grenzwert-Strategie zu verfolgen ist. Neue Grenzwert-Festlegungen dürfen eine konkurrenzfähige Produktion nicht unmöglich machen“, heißt es weiter in der Stellungnahme.

Ein neues Regelwerk bringt nach Ansicht der Landwirtschaftskammer keinen Mehrwert, „sondern führt nur zu Doppelregelungen, zur Aushöhlung des Bestimmungsrechts der Mitgliedstaaten und noch mehr Bürokratie“. Unter Beachtung des Subsidaritätsprinzips müsse es den Ländern vorbehalten bleiben, regional auf die unterschiedlichen Bodentypen, Bewirtschaftungsformen und Klimaverhältnisse zu reagieren.

EU-weites Gesetz ist der falsche Weg

Auch der Schwedische Bauernverband befürchtet, dass das neue Bodengesundheitsgesetz für Landwirte und Behörden einen hohen Verwaltungsaufwand birgt. Ein EU-weites Gesetz sei nicht der richtige Weg. Es bestünde vielmehr die Gefahr, dass das Gesetz lediglich ein „politisches Instrument“ werde, das den verschiedenen spezifischen Problemen in den unterschiedlichen Ländern nicht genüge.

Der Deutsche Bauernverband zeigte auf, dass die Herangehensweise zum Erhalt der Fruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher Böden regional und lokal angepasste werden muss. „Eine über die Europäische Union einheitliche Gesetzgebung missachtet diesen grundlegenden Sachverhalt und konterkariert die auf die regionalen Gegebenheiten angepassten Bodenschutzbestrebungen der einzelnen Mitgliedsstaaten.“

Auch das Landwirtschaftsministerium von Lettland sieht es als erforderlich, dass Fragen des Bodenschutzes nach Regionen, Klimazonen und Bodentypen differenziert werden. Indes geht der Lettische Wirtschaftsverband ebenfalls davon aus, dass das geplante Gesetz keinen Beitrag zum Bodenschutz leistet, sondern den Verwaltungsaufwand und die Umsetzung bereits bestehender EU-Richtlinien erschweren wird.

Worum geht es in der EU-Bodenstrategie?

Die EU hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Bodenökosysteme in Europa bis zum Jahr 2050 in einen gesunden Zustand zu versetzen. Der Flächenverbrauch soll auf netto Null gesenkt werden. Nach Auffassung der EU besteht ein klarer Handlungsbedarf – und zwar EU-weit.

„Die Bodendegradation, ihre Ursachen und ihre Auswirkungen kennen keine Grenzen“, heißt es von der EU-Kommission. „Böden spielen eine wichtige Rolle im Nährstoff-, Kohlenstoff- und Wasserkreislauf, und diese Prozesse werden durch physische und politische Grenzen nicht eingeschränkt.“

Die Einfuhr von Waren in die EU und deren Verbrauch in der EU könnten zu einer Degradation der Böden außerhalb der EU führen. Ausgehobene Böden würden häufig über Grenzen hinweg verbracht, während erodierte Bodenpartikel durch Wind und Wasser transportiert werden.

Weiter führt die EU aus, dass Schadstoffe über die Luft, die Oberflächengewässer und das Grundwasser transportiert werden und letztendlich die Böden in einem anderen Land verschmutzen könnten. Zudem könne Bodenverschmutzung die Lebensmittelsicherheit im Binnenmarkt gefährden.

Aufgrund unterschiedlicher nationaler Vorschriften mit unterschiedlichen Verpflichtungen gebe es „eine Verzerrung des Binnenmarktes, unfairer Wettbewerb, ein Mangel an Rechtssicherheit, ungleiche Wettbewerbsbedingungen und verschiedene Schutzniveaus für Boden und Land“.

„Infolge der Landdegradation und des Klimawandels werden bis 2050 voraussichtlich 50 bis 700 Millionen Menschen migrieren, was die europäischen Grenzen unter Druck setzen wird“, heißt es in einer weiteren Aussage, mit der die EU-Kommission das geplante Gesetz begründet. Der Entwurf soll voraussichtlich bis Juni 2023 vorliegen.

Dauerhafte Beobachtungs- und Überwachungsflächen

Der Deutsche Naturschutzring begrüßte die Initiative der EU-Kommission zu einem Bodenschutzgesetz. Gleichzeitig stellte die Organisation klar, dass im gesamten Hoheitsgebiet Dauerbeobachtungs- und Überwachungsflächen eingerichtet werden müssen, wenn man vergleichbare Daten erhalten will. Dadurch könnten bestehende Wissenslücken im Bereich des Bodenschutzes geschlossen werden.

 



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