Berlinale: Einladung an AfD-Politiker erhitzt die Gemüter – Protestbrief findet 200 Unterschriften

Im Vorjahr hatten noch bekannte Hollywood-Größen die Berlinale für Unmutsäußerungen genutzt – damals ging es um den Abschied des künstlerischen Leiters Carlo Chatrian. In diesem Jahr ist die AfD der Aufreger. 200 Kulturschaffende unterzeichneten einen Protestbrief.
Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian stellen das Berlinale-Programm vor.
Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian stellen das Programm der Berlinale vor.Foto: Jens Kalaene/dpa
Von 6. Februar 2024

Im Vorjahr prophezeiten mehr als 400 Kulturschaffende der Staatssekretärin Claudia Roth den Abstieg der Berlinale in die Provinzialität. Unter den Unterzeichnern des offenen Briefes befanden sich klingende Namen wie jener des Regisseurs Martin Scorsese und der „Twilight“-Schauspielerin Kristen Stewart. Anlass war Roths Ankündigung, die Festivalleitung auf ein Intendanzmodell umzustellen – was eine Rücktrittsankündigung des künstlerischen Leiters Carlo Chatrian zur Folge hatte.

Die diesjährige Festivalausgabe wird Chatrians letzte Berlinale sein. Vor Beginn schon sorgte ein turnusmäßiger Vorgang für einen großen Aufreger. Im Brennpunkt stehen zwei AfD-Mitglieder.

Zwei AfD-Politiker erhielten Einladungen zur Berlinale

Wie das US-Magazin „Deadline“ berichtet, haben sich mehr als 200 Personen in einem offenen Brief darüber echauffiert, dass zwei der turnusmäßig versandten Einladungen an AfD-Politiker gingen. Dabei handelt es sich um die Berliner Landesvorsitzende Kristin Brinker und den Vize-Landeschef Ronald Gläser. Zumindest für Letztgenannten wäre es nicht der erste Berlinale-Besuch.

Brinker war jüngst in die Schlagzeilen geraten, weil sie an einem privaten Treffen in der Wohnung des früheren Finanzsenators Peter Kurth (CDU) teilgenommen habe. Dort soll der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner – ebenso wie im Rahmen des sogenannten Geheimplan-Treffens bei Potsdam – sein neues Buch vorgestellt haben.

Die Politikerin gab an, über dessen Anwesenheit nicht informiert gewesen zu sein. Außerdem sei sie über das dortige Publikum „geschockt“ gewesen und habe das Treffen zeitnah wieder verlassen. Letztgenannter Angabe widersprach allerdings ein ebenfalls anwesender Parteikollege.

Eröffnung des Filmfestivals „kein sicherer Ort“?

Das Treffen vom November in Potsdam hat sich mittlerweile – teilweise mit einiger Verzögerung – bis ins Ausland herumgesprochen. Möglicherweise war das der Grund für den offenen Brief. In diesem war die Rede von einem „feindlichen und heuchlerischen Umfeld, dem Kunst und Kultur in Berlin und Deutschland ausgesetzt sind“. Dies würden die Einladungen illustrieren.

Die Unterzeichner brachten Zweifel zum Ausdruck, dass „die Berlinale-Eröffnung als sicherer Ort angesehen“ werden könne. Dies gelte insbesondere für „Juden, Frauen, Behinderte, Zeugen Jehovas, Sinti und Roma sowie weitere Gruppen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Orientierung, ihrer Hautfarbe oder Herkunft“ von „einer anderen rechtsextremen, nationalkonservativen Bewegung in Deutschland verfolgt und ermordet wurden“.

Unter den mehr als 200 Unterzeichnern sind vorwiegend in Deutschland ansässige Kulturschaffende oder Mitarbeiter kultureller Einrichtungen. Zu den wenigen Namen, die jenseits des Kulturbetriebes bekannt sind, gehört jener der österreichischen Dokumentarfilmerin Elisabeth Scharang oder jener der Schauspielerin und Regisseurin Hanna Jürgens.

Leitung der Berlinale sieht sich zu Reaktion veranlasst

Die Festivalleitung sah sich dennoch zu einer Reaktion veranlasst. In einem Beitrag auf Instagram meldete sich die Leiterin der Berlinale, Mariette Rissenbeek, zu Wort. Darin heißt es, man erteile „rechtsextremem oder rechtspopulistischem Gedankengut eine klare Absage“. Zugleich beobachte man mit Sorge, dass „Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Hetze und andere antidemokratische Haltungen in Deutschland auf dem Vormarsch sind“.

Die AfD-Politiker hätten eine Einladung erhalten, weil die Partei im Bundestag, im Abgeordnetenhaus und in den Kulturausschüssen vertreten sei. Von den beiden geladenen Politikern ist allerdings keines Mitglied des für Kultur zuständigen Ausschusses.

„Das ist ein Fakt, und den müssen wir als solches akzeptieren“, hieß es weiter. Menschen, auch Mandatsträger, die den „grundlegenden Werten“ einer „weltoffenen und liberalen Demokratie“ entgegenhandelten, seien „auf der Berlinale nicht willkommen“. Das werde man auch „deutlich und nachdrücklich in persönlichen Schreiben an die AfD-Vertreter“ und auch bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck bringen. Die Berlinale unterstütze die derzeitigen bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.

Das Festival zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Rendezvous der Filmbranche. Die nächste Ausgabe läuft vom 15. bis zum 25. Februar 2024.

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