BGH-Urteil nach Parkplatz-Unfall: Ohne Straße kein „rechts vor links“

Die universelle Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt nicht in jedem Fall, das entscheid der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Anlass des Urteils war eine Schadensersatzklage nach einem Unfall auf dem Parkplatz eines Baumarkts 2018.
Parkplätze sind laut BGH-Urteil nicht unbedingt Straßen, weshalb „rechts-vor-links“ nicht gilt.
Parkplätze sind laut BGH-Urteil nicht unbedingt Straßen, weshalb „rechts-vor-links“ nicht gilt.Foto: iStock
Von 13. Januar 2023

„Hier gilt die StVO“ schreibt auf einem Parkplatz keine Vorfahrtsregeln vor. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in dritter Instanz nach einem Unfall auf dem Parkplatz eines Baumarkts 2018.

„Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO [‚rechts vor links‘] findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.“

Der BGH veröffentlichte das schriftliche Urteil (Aktenzeichen VI ZR 344/21) am Mittwoch (11.1.). Gefällt wurde es bereits am 22. November 2022 bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe.

Ein Parkplatz ist keine Straße

Zum Tatbestand wird zunächst im Urteil der Rahmen abgesteckt: „Die durch markierte Parkbuchten gekennzeichneten Parkflächen des Parkplatzes waren durch sich teilweise kreuzende, durch ihre Pflasterung nicht von den Parkbuchten abgehobene Fahrspuren erschlossen.“ Auch eine Beschilderung zur Regelung der Vorfahrt oder Fahrbahnmarkierungen (mit Ausnahme der Markierungen der Parkbuchten) war nicht vorhanden.

„Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Kläger mit seinem Pkw eine zwischen den Parkflächen befindliche Fahrgasse, der Beklagte […] aus Sicht des Klägers von links kommend eine diese Gasse kreuzende Fahrspur. Die wechselseitigen Blickfelder […] waren dabei durch einen parkenden Sattelzug erheblich eingeschränkt. Im Kreuzungsbereich kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Die [Versicherung] regulierte den klägerischen Schaden unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 Prozent. Mit seiner Klage begehrt der Kläger […] den Ausgleich auch seines restlichen Schadens nach einer Quote von 100 Prozent.“

Salopp ausgedrückt hat auf einem Parkplatz ein Lkw die Sicht versperrt. Es hat gekracht. Der Kläger wähnte sich – von rechts kommend – vorfahrtsberechtigt und wollte sich nicht am Schaden beteiligen.

Allerdings, so stellte der BGH klar: „Rechts vor links“ gilt nur an „Kreuzungen“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Dies wiederum erfordere „Straßen“, die ihrerseits entscheidende Merkmale aufweisen müssen, wie „etwa Markierungen auf der Fahrbahn, Bordsteine oder das Fehlen von Parkboxen“. Auf Parkplätzen ist dies jedoch nicht immer gegeben.

Trotzdem „rechts vor links“?

Die auf einem Parkplatz aufgrund „der erforderlichen Rücksichtnahme auf ein- und ausparkende Kraftfahrer und die Fahrbahnen nutzende Fußgänger gebotene geringe Geschwindigkeit der Fahrzeuge“ würde keine strengen, automatisch anwendbaren Vorfahrtsregeln erfordern. Es sei in der typischerweise durch Ablenkungen geprägten Situation auf einem Parkplatz besser für die Sicherheit, „wenn die sich begegnenden Fahrzeuglenker aufeinander Rücksicht nehmen und über die Vorfahrt verständigen“.

Heißt: Ein Parkplatz dient dem Parken und Laden statt der „möglichst zügigen Abwicklung des fließenden Verkehrs“ – auch wenn das einige Verkehrsteilnehmer annehmen und bei Stau über Autobahnraststätten einige Fahrzeuglängen gewinnen möchten. Ein Parkplatz ist also im Regelfall keine Straße, und damit gibt es keine festen Vorfahrtsregeln.

Das Urteil des BGH heißt nicht, dass die Vorfahrt auf Parkplätzen ab sofort per Schere-Stein-Papier ausgelost und per Handschlag besiegelt werden muss. Das gegenseitige Verständigen kann auch beinhalten, dass sich die Beteiligten (stillschweigend) auf „rechts vor links“ einigen. Darauf bestehen könne man allerdings nicht. Wer ausparkende Fahrzeuge gewähren lässt, hat im besten Fall gleich eine Parklücke.

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