Bundeswehr-Zustand im Heer und bei Drohnen besonders kritisch – Grüne für Kampfdrohnen

Der Einsatz von Drohnen als Waffe hat die militärischen Kräfteverhältnisse verändert. Deutschland liegt, im Vergleich zu anderen Ländern, bei der Entwicklung weit hinten. Doch nicht nur in dem Bereich sieht es bei der Bundeswehr kritisch aus.
Titelbild
Eine Drohne bei einer Übung.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times13. Juni 2021

Deutschland ist nach einer Analyse der Bundeswehr-Denkfabrik GIDS kaum gerüstet gegen die immer komplexer werdende Technik für Angriffe mit Kampfdrohnen. Die Experten des Hamburger Thinktanks haben dazu den internationalen Markt sowie den Verlauf der Kämpfe um Berg-Karabach untersucht.

Dort hatte Aserbaidschan im vergangenen Jahr Armenien mit Drohnen besiegt.

„Um es mal ganz drastisch auszudrücken: Wenn die Bundeswehr in diesem konkreten Konflikt gegen Aserbaidschan hätte kämpfen müssen, hätte sie kaum eine Chance gehabt“, stellt Oberstleutnant Michael Karl fest, GIDS-Experte für moderne Kriegsführung und neue Technologien. „Bei Waffensystemen, die genutzt wurden wie Kampfdrohnen und Kamikazedrohnen, hätten wir uns nicht ausreichend wehren können. Allein schon die fehlende Heeresflugabwehr wäre uns zum Verhängnis geworden.“

Existierende Technik bleibt unbenutzt

Das GIDS (German Institute for Defence and Strategic Studies) ist eine Kooperation der Führungsakademie der Bundeswehr und der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr in Hamburg. Das Institut untersucht sicherheitspolitische Probleme und berät Politik und die militärische Führung.

Um einem modernen Konflikt bestehen zu können, benötige die Bundeswehr Technologien, über die Deutschland grundsätzlich verfüge, die aber nicht im Militär eingesetzt seien. Die Experten verweisen auf Schall-, Stör- oder Abschussanlagen zur Drohnenabwehr.

Deutlich wird auch, dass die zwischen Union und SPD heftig geführte Debatte um die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr inzwischen schon von der Realität überholt wurde und als Antwort allein nicht mehr ausreichen könnte.

Die Bundeswehr setzt die unbemannten Flugkörper zur Aufklärung und Beobachtung ein. Verbündete und mögliche Gegner haben bewaffnete Drohnen, mit denen Gebiete beobachtet werden und zusätzlich per Steuerbefehl Raketen auf Ziele gefeuert werden können. „Aber die Entwicklung ist ja nun viel perfider geworden. Mittlerweile gibt es sogenannte Einwegdrohnen oder auch Kamikazedrohnen. Sie sind selber eine Waffe, also mit Sprengstoff bestückt“, so Karl.

„Anders aber als bei einer Rakete, bei der man Zielkoordinaten eingibt, verfolgen diese Art von Drohnen ihr Ziel. Man könnte beispielsweise einen Schwarm solcher Drohnen so programmieren, dass sie eine Formation Kampfpanzer angreifen.“

Andere Länder in Entwicklung viel weiter

Im Moment zählen die USA, Israel, die Türkei und vor allem China zu den wichtigsten Drohnenentwicklern und -herstellern. Der Türkei bescheinigt das GIDS, einen „Riesensprung“ gemacht zu haben und unter die führenden Nationen beim Verkauf und Einsatz von Kampfdrohnen vorgestoßen zu sein. Das vom Schwiegersohn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mitgeführte Unternehmen Baykar Technologies vertreibe eine Kampfdrohne, die auch in Berg-Karabach eingesetzt worden sei.

Die Drohne Kargu-2 des türkischen Herstellers STM soll bereits in Libyen als sogenanntes autonomes Waffensystem – mit einem Auftrag versehen und zuletzt ohne menschliche Kontrolle – unterwegs gewesen sein. Die Drohne kann mit einer Lernsoftware Daten über den Gegner lernen – beispielsweise Uniformen, Bewaffnung oder Gefechtsfahrzeuge. „Da kann der Mensch nicht mehr eingreifen. Diese Drohne soll Berichten zufolge ihr Ziel verfolgt haben bis zum Treffer“, stellt der Offizier fest.

Die Technik sei inzwischen breit verfügbar. „Man kann die Technik erwerben und die Software dazu. Dann sind Möglichkeiten da, eine handelsübliche Drohne zu einer Kampfdrohne umzustrukturieren und neu zu programmieren“, warnt er. Die Technik stehe auch Terroristen offen. Karl: „Es geht nicht nur um Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten vor Drohnen, sondern auch um den Schutz der Zivilbevölkerung.“

Grüne stellen sich nicht generell gegen den Einsatz von Kampfdrohnen

Die Grünen entschieden auf ihrem Online-Bundesparteitag dieses Wochenende, dass sie sich nicht generell gegen den Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen durch die Bundeswehr stellen. Diese Systeme könnten Soldaten in gewissen Situationen besser schützen, heißt es in einem am Sonntag auf dem Online-Parteitag beschlossenen Antrag, der Eingang ins Wahlprogramm der Partei findet.

„Deshalb muss klar gemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen, bevor über diese Beschaffung entschieden werden kann“, so der Beschluss. Auch technische Herausforderungen müssten in der Gesamtabwägung eine wichtige Rolle spielen.

Ein Einsatz der Drohnen für „extralegale Tötungen und andere völkerrechtswidrige Taten“ sei aber mit dem deutschen Verfassungs- und Wehrrecht nicht vereinbar.

Knapp abgelehnt wurde ein Gegenantrag, in dem der Einsatz von Kampfdrohnen generell abgelehnt wurde. Klar keine Mehrheit fand ein Antrag, der den Einsatz stärker zulassen wollte.

Bundeswehr-Heer besonders vernachlässigt

Neben der Drohnentechnologie sieht es aber auch bei dem Heer der Bundeswehr düster aus. Denn die größte Teilstreitkraft der Bundeswehr wird, laut eines Medienberichtes, von der Bundesregierung finanziell besonders schlecht bestückt. Demnach ging von 2018 bis 2020 nur 13 Prozent des vom Bundestag für Rüstungsvorlagen bewilligten Geldes an das Heer, obwohl in den Landstreitkräften gut ein Drittel der Soldaten beschäftigt sind. Die „Welt am Sonntag“ berichtet das und beruft sich auf eine Statistik des Verteidigungsministeriums.

Die mangelnde Berücksichtigung des Heeres bei den Rüstungsinvestitionen habe auch Auswirkungen auf die deutschen Verpflichtungen in der NATO. Zwar reduzierte das Heer bereits seine Ambitionen, doch auch dafür fehlt noch Gerät. So wären für die schwere Division 266 Schützenpanzer Puma auf dem modernsten Rüstungsstand erforderlich, im Haushalt finanziert sind nur 194.

Und sowohl für die schwere als auch für die mittlere Division fehlen Hunderte Radpanzer Boxer. Statt zweier schwerer und einer leichten Division sollen der NATO ausweislich des Eckpunktepapiers des Verteidigungsministeriums zur Zukunft der Bundeswehr von Mitte Mai nur noch ein Großverband mit „schweren/mechanisierten Kräften“ wie den Kettenpanzern Leopard II und Puma geschaffen werden, dazu einer mit „mittleren/radbeweglichen“ und einer mit „leichten/luftbeweglichen“.

BRD hat NATO eine zum intensiven Gefecht befähigte Division bis 2027 zugesagt

Deutschland hat der NATO eine zum intensiven Gefecht befähigte Division mit drei Brigaden bis 2027 zugesagt, bis 2032 drei Divisionen mit neun Brigaden. Im Eckpunktepapier werden diese Zeitpunkte nun infrage gestellt, sie seien „gegebenenfalls neu zu definieren“.

Der ehemalige NATO-General Heinrich Brauß dagegen warnt die Bundesregierung: „Für die deutsche Glaubwürdigkeit in der Allianz ist es wichtig, drei Divisionen wirklich sichtbar auf den Hof zu stellen und voll auszustatten – und zwar so wie zugesagt: bis 2032“, sagte der Generalleutnant a.D. der „Welt am Sonntag“. (dpa/dts)



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