„Das wird ein heißer Winter in Deutschland“: Stimmen von der Großdemo der Bauern in Berlin

Es war friedlich, aber hochemotional bei der Großdemo am Montag in Berlin. Neben den Landwirten nahmen auch Gastronomen, Handwerker und Bürger aus den verschiedensten Berufsgruppen teil. Während die Polizei mit den 1.300 Einsatzkräften insbesondere das Regierungsviertel schützte, zeigte sich in den Gesprächen mit den Teilnehmern, dass es den Menschen offenbar um mehr geht als um einen Regierungswechsel.
Titelbild
Landwirte, Lastwagenfahrer und Unterstützer aus ganz Deutschland führen Proteste in der Hauptstadt Berlin durch, indem sie sich am Brandenburger Tor versammeln und Straßen mit Traktoren und Lastkraftwagen blockieren.Foto: Stefan Frank/Middle East Images/AFP via Getty Images
Von 19. Januar 2024

8.500 Teilnehmer sollen sich zur Kundgebung am Brandenburger Tor eingefunden haben, schätzt die Polizei. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sprach hingegen von 30.000 Teilnehmern an der zentralen Protestveranstaltung.

Neben Vertretern verschiedener Bauernverbände trat auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als Redner auf und verteidigte die geplante Kürzung bei der Agrardieselvergünstigung.

Lindner hatte zunächst Mühe, sich wegen des Pfeifkonzerts überhaupt Gehör zu verschaffen. Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), versuchte, die Protestierenden zu beruhigen. „Der Finanzminister ist hier und es gebührt der Respekt ihm zuzuhören“, sagte er an die Menge gewandt. „Ich bitte Sie und fordere Sie auf, ruhiger zu sein.“

Mittlerweile geht es vielen der anwesenden Bauern und Unterstützer nicht mehr nur darum, dass die Steuervergünstigung für den Agrardiesel bestehen bleibt.

Für die junge Biolandwirtin Hannah Timmermann (31) aus Hamburg Sülldorf geht es beim Protest auch nicht nur darum, dass die Ampel weg soll. Das sei zu kurz gedacht. „Wir wollen eine vernunft- und faktenbasierte Politik und keine Ideologie. Das ist wirklich das Entscheidende.“ Da gehe es nicht um Parteien, sondern darum, dass seit vielen Jahren schon politische Entscheidungen getroffen würden die die Landwirtschaft immer mehr finanziell belasten.

Die junge Biolandwirtin Hannah Timmermann (31) aus Hamburg-Sülldorf. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Wir wollen gern unsere Standards anheben, aber das müssen wir uns auch leisten können. Wenn das eben nicht der Fall ist, braucht es finanzielle Unterstützung vom Staat.“

Wolfgang Gießner (66), ein Landwirt aus Sachsen-Anhalt, erklärt, dass der Protest über die Belastung der Bauern hinausgehe. Es gehe mittlerweile um allgemeine gesellschaftliche Probleme, von denen auch die Bauern betroffen seien, die die Menschen auf die Straße bringe. „Ich schätze, dass Zweidrittel der Menschen hier mit der Landwirtschaft was zu tun haben und die anderen, das sind Handwerker und andere Berufsgruppen, die wie wir ein Problem mit der gesamten Preispolitik der Bundesregierung haben.“

Wenn mehr Geld für andere Länder ausgegeben werde, als fürs eigene Volk und dadurch Schulden entstünden, die die Kinder und Enkel in diesem Land künftig schwer belasten würden, „wo soll das hinführen?“. Daher sage sich so mancher: „Warum sollen wir denn noch arbeiten gehen, da kann ich doch auch Sozialhilfe nehmen?“

Wolfgang Gießner beim Bauernprotest in Berlin am 15. Januar 2024. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Unsinnige Gesetze, unsinnige Bürokratie, ausufernde Steuern“

Hans-Joachim Ziemann ist in der Lebensmittelproduktion tätig. Für ihn sind die betroffenen Bauern nur die Speerspitze des Ganzen: „Unsinnige Gesetze, unsinnige Bürokratie, ausufernde Steuern und eine unglaubliche Vielzahl von sich widersprechenden Gesetzen“, fasst er seine Kritikpunkte an der jetzigen Politik gegenüber den Bauern zusammen gegenüber Epoch Times.

Die ganzen Verordnungen seien durch die Landwirte nicht mehr einhaltbar. „Wenn ich von einem befreundeten Bauern höre, dass er mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit im Büro verbringen muss, um die ganzen Auflagen zu erfüllen, dann sage ich, das ist nicht mehr sein Job.“

Unter den Teilnehmern am Brandenburger Tor ist auch die DDR-Bürgerrechtlerin und Autorin Angelika Barbe. Sie stellt die aktuelle Politik der Bundesregierung in den Zusammenhang mit den 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten 17 Zielen der „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen. „Deutschland hat sich zu einer ambitionierten Umsetzung dieser Agenda 2030 bekannt“, teilt die Bundesregierung auf ihrer Website mit. Die Regierung hat aus der Agenda 2030 für sich eigene Transformationsbereiche für eine „nachhaltige Entwicklung“ herausgearbeitet. Zwei dieser Bereiche, die besonders die deutschen Bauern betreffen, sind „nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme“ und „schadstofffreie Umwelt“.

Traktoren stehen im Rahmen der Bauernproteste aufgereiht auf der Straße des 17. Juni in Berlin Richtung Siegessäule. Foto: Alexander Gereg

„Das macht mir Angst!“

Barbe sieht hinter der Agenda 2030 das Ziel, dass auch die deutsche Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form zerstört werden soll, um Großaktionären wie Bill Gates und BlackRock das Thema Ernährung und Nahrungsmittelversorgung zu überlassen.

Sie findet die Aussagen des WHO-Generaldirektors, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, in seiner kürzlich veröffentlichten Videoansprache bedenklich:

„Unser Ernährungssystem schadet der Gesundheit der Menschen und des Planeten. Sie trägt zu über 30 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen bei und ist für fast ein Drittel der weltweiten Krankheitslast verantwortlich. Eine Umstellung des Ernährungssystems auf eine gesündere, abwechslungsreichere und stärker pflanzlich geprägte Ernährung ist daher unerlässlich.“

Barbe sieht darin einen Aufruf, die Landwirtschaft, wie man sie heute kennt, in allen Nationen zu beseitigen. Es gehe hier nicht nur um die Existenzen eines Berufsstandes, sondern es gehe um die Ernährung der Menschen, die die Bauern sicherstellten. „Das macht mir Angst!“, so die ehemalige Bürgerrechtlerin.

Bill Gates verdiene an Laborfleisch, so das CDU-Mitglied weiter. Inzwischen seien es über 99 Betriebe weltweit, die mit Laborfleisch Geld verdienen würden „und uns hier mit Insekten und Mehlwürmern durchfüttern wollen“. Gleichzeitig wolle man den Bauern das Wirtschaften verbieten und die deutsche Regierung beteilige sich mit ihrer Landwirtschaftspolitik daran. „Das geht nicht.“

Die DDR-Bürgerrechtlerin und Autorin Angelika Barbe. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Eine Gruppe Metallbauer aus Goslar (Niedersachsen) beteiligt sich am Protest am Brandenburger Tor. „Es geht uns alle an!“ Es habe nicht nur mit dem Agrardiesel zu tun. Ab Juli soll man für die Transporter Mautgebühren bezahlen. „Wozu?“, beklagt der Inhaber der Metallbau-Firma. „Das müssen am Ende die Endkunden bezahlen, also letztlich alle Bürger.“ Damit wird das Getreide teurer, das Brot […] „Deswegen sind wir hier.“

Durch eine Gesetzesänderung ist die Lkw-Maut jetzt an den CO₂-Ausstoß gekoppelt. Die Mautpflicht wird ab 1. Juli 2024 auf Fahrzeuge über 3,5 Tonnen ausgeweitet. Ausgenommen sind Handwerkerfahrzeuge unter 7,5 Tonnen.

„Das wird ein heißer Winter in Deutschland“

Lindners Redebeitrag auf der Kundgebung scheint die Gemüter der Landwirte nicht beruhigt zu haben. „Ich glaube, die Proteste gehen weiter, ich glaube, das wird ein heißer Winter in Deutschland“, so ein Bauer aus Nordrhein-Westfalen nach der Kundgebung.

Sein Begleiter ergänzt: „Wir fangen jetzt erst richtig an, jetzt geht’s zur Sache!“ Auch Märkte würden jetzt blockiert. „Wenn den Menschen das Essen fehlt, dann machen sie sich vielleicht mehr Gedanken darüber, wo es herkommt.“

„Heizungsgesetz, Elektroautoförderung erst ja, dann nein. Wenn die mit ihrem Haushalt nicht klarkommen, dann einfach so über Nacht den Landwirten das Geld zu nehmen, nur weil die nicht ihre Wählerschaft sind, das geht nicht“, so der Westfale weiter.

Ungarische Politiker kommen nach Berlin, um die Proteste zu unterstützen

Die nach Berlin angereisten ungarischen Regionalpolitiker Patrik Schwarcz-Kiefer (29, parteilos) und Bencze János (50, Jobbik – Konservative), auch Mitglied des ungarischen Parlaments, wollen mit ihrer Teilnahme an den Protesten ihre Solidarität mit den deutschen Bauern zeigen.

„Es ist schön zu sehen, dass hier in Deutschland die deutschen Bauern solch einen Protest organisieren konnten.“ Man sei ein bisschen neidisch, da dies in Ungarn unmöglich sei. „Die Regierung würde mit allen Mitteln versuchen zu verhindern, dass Bauern so zusammenkommen, um zu protestieren“, erklärt Schwarcz-Kiefer.

Der ungarische Regionalpolitiker Patrik Schwarcz-Kiefer (29, parteilos, l.) und der ungarische Parlamentarier Bencze János (50, Jobbik – Konservative). Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Auch polnische Bauern haben sich dem Protest ihrer deutschen Berufskollegen angeschlossen. „Wir wollen die deutschen Bauern unterstützen, weil diese Politik gefällt uns nicht, ob das in Deutschland, Polen oder Dänemark ist. In allen EU-Ländern zerstört die Politik die Landwirtschaft unter Bezugnahme auf EU-Verordnungen, die mit der Realität nichts zu tun haben“, sagte einer von ihnen. Die Gruppe der polnischen Bauern sind aus dem Raum Szczecin (Stettin) angereist.

Polnische Bauern aus dem Raum Szczecin (Stettin) unterstützen die Bauernproteste in Berlin. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Bauern demonstrieren weiter in der Hauptstadt

Gegenüber Epoch Times erklärte die oberste Pressesprecherin der Berliner Polizei, Beate Ostertag, nach der Bauerngroßdemo, dass es bis auf einzelne freiheitsbeschränkende Maßnahmen gegen Versammlungsteilnehmer aufgrund des Einsatzes von Pyrotechnik eine störungsfreie Veranstaltung gab.

Man habe die heutigen Versammlungen in Berlin mit 1.300 Polizisten betreut, unterstützt durch Kollegen aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern und der Bundespolizei. „Insgesamt eine gut vorbereitete und organisierte Versammlung, die planmäßig ablief“, so Ostertag.

Einige Bauern setzen direkt nach der Großdemo am Montag ihren Protest in der Hauptstadt fort. Mit ihren Traktoren und anderen Fahrzeugen standen sie am Dienstagvormittag auf der Straße des 17. Juni, wie die Polizei mitteilte. Von etwa 330 Fahrzeugen war die Rede, es sei aber ein ständiges Ankommen und Wegfahren, berichtete die Polizei. Zudem lief seit der Nacht eine Mahnwache des Bauernverbandes Freie Bauern.

Am Montagnachmittag hatten die Spitzen der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP im Bundestag Vertreter der Bauern zum Gespräch eingeladen. Ein Ergebnis brachte dies jedoch nicht.

„Wir setzen jetzt für die nächsten Tage auf den Austausch und hoffen, dass es eine Lösung gibt, die auch die Landwirtschaft mittragen kann“, sagte Bauernverbandspräsident Rukwied. Andernfalls „behalten wir uns weitere Aktionen vor“.



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