Warten auf Donnerstag: Bringt ein Angebot der Ampel den Bauernfrieden?

Nach erfolglosen Gesprächen am Rande der Protestkundgebung in Berlin versprachen Vertreter der Ampelkoalitionen den Landwirten mehr Entlastungen und „Planungssicherheit“. Der Bauernverband setzt eine Frist bis Donnerstagabend. Bei Nichtgefallen seien weitere Proteste möglich.
Titelbild
Joachim Rukwied (l.), der Chef des Deutschen Bauernverbands, will das Nein von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu den Agradieselplänen auch nach dem großen Protesttag nicht hinnehmen.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 16. Januar 2024

Nach der vorläufigen Abschlusskundgebung der Bauern- und Mittelstandsproteste in Berlin vom 15. Januar 2024 ist der Streit um den Agrardiesel weiterhin nicht passé. „Diese Steuererhöhung muss vom Tisch“, bekräftigte Joachim Rukwied, der Chef des Deutschen Bauernverbands, mehreren Medien zufolge nach einem ergebnislosen Treffen mit Spitzenvertretern der Bundestagsfraktionen vom 15. Januar. „Wenn jetzt nichts passiert, stehen wir in einigen Wochen wieder hier“, kündigte Rukwied nach Informationen von „Table Media“ an.

Als Frist habe Rukwied konkret den Donnerstagabend, 18. Januar, gesetzt, berichtet ntv. Denn dann sollte die Haushaltsbereinigungssitzung im Bundestag vorbei sein. Sollte es danach noch immer kein zufriedenstellendes Angebot vonseiten der Politik geben, das „auch die Landwirtschaft mittragen“ könne, werde es möglicherweise zu weiteren Protestaktionen kommen, habe Rukwied angekündigt.

Der Bauernverband sehe in den Plänen der Bundesregierung, die aktuellen Steuervergünstigungen auf landwirtschaftlich genutzten Dieselkraftstoff bis zum Jahr 2026 schrittweise abzuschaffen, einen „massiven Wettbewerbsnachteil“: Abgesehen von den niederländischen Berufskollegen müssten die Landwirte in Deutschland mit dem „teuersten Agrardiesel […] in ganz Europa“ klarkommen, habe Rukwied betont. Der ursprüngliche Ampelplan, zusätzlich auch noch die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge einzustampfen, war bereits im Vorfeld der Protestwoche aufgegeben worden.

Doch längst ist klar: Es geht bei dem Protest der Landwirte und anderer zumeist mittelständischer Unternehmer nicht mehr nur um Spritkosten, sondern um große Teile der gesamten Ampelpolitik.

SPD-Fraktionschef verspricht weitere Entlastungen und „Planungssicherheit“ bis zur Sommerpause

Rolf Mützenich, der Fraktionschef der SPD im Bundestag, habe nach dem am Rande des Protestgeschehens anberaumten Dialog mit den Landwirtschaftsverbänden weitere Entlastungen und „Planungssicherheit“ für die Betroffenen in Aussicht gestellt, berichtete ntv weiter. Die Ampelkoalition werde dazu „bis zur Sommerpause strukturelle Entscheidungen“ vorlegen. Bereits am Donnerstag wolle die rot-grün-gelbe Koalition im Bundestag einen Entschließungsantrag einbringen, der einen „Fahrplan für konkrete Erleichterungen bis zur Sommerpause“ skizzieren solle.

Nach Einschätzung von „Table Media“ dürfte es dabei um „Punkte wie die Tierwohlabgabe, die Entwicklung der Boden- und Pachtpreise, faire Erzeugerpreise, aber auch die Marktmacht der Handelsketten“ gehen.

Mützenich habe zudem bedauert, dass sich die sogenannte „Borchert-Kommission“ im August 2023 wegen des Desinteresses der Regierung selbst aufgelöst habe. Die Kommission war nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums 2019 unter dem Namen „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ eingerichtet worden, um „konkrete Vorschläge“ zur Optimierung der landwirtschaftlichen Zukunft in Deutschland zu erarbeiten. Ihr Kurzname rührt vom früheren Bundesminister Jochen Borchert (CDU) her, der die Kommission anfangs geleitet hatte.

Grüne gegen „Marktmacht des Großhandels“, für „Tierschutzcent“

Britta Haßelmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, räumte nach dem Treffen mit Bauernvertretern laut ntv ein, dass „dringend“ über die Frage geredet werden müsse, warum eigentlich „nicht mehr Einkommen auf den Höfen bleibe“. Dabei machte sie bereits einen möglichen Schuldigen aus: Es sei die „Marktmacht des Großhandels“, die den Landwirten die Preise diktiere. Insofern gebe es „kein Erkenntnis-“, sondern ein „Handlungsdefizit“, so Haßelmann nach Angaben von „Table Media“.

Die Grüne hatte sich laut ntv zudem offen gezeigt, „einen Tierschutzcent oder eine Tierschutzabgabe“ einzuführen, die letztlich zulasten der Endverbraucher gehen würde. Diese nicht eben neue Idee hatte auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schon vor wenigen Tagen als „Bauern-Soli“ ins Spiel gebracht.

Die Idee, „die Marktmacht der Handelsketten zu brechen“, war laut „Table Media“ bereits im Dezember 2023 vonseiten der Ampelfraktionen zu Papier gebracht worden. Damals beherrschte das Ringen um einen verfassungskonformen Bundeshaushalt die Regierungspolitik. Nach Silvester habe sich die FDP dann wieder von dem gemeinsamen Kompromiss zum Umgang mit den Handelsriesen distanziert. Auch der ebenfalls bereits getroffene Kompromiss zu einer „Tierwohlabgabe“ sei letztlich „im Gestrüpp der Geschäfte und Gegengeschäfte auf Regierungsebene hängen“ geblieben.

Einen anderen Ansatz habe der FDP-Fraktionschef Christian Dürr vertreten: Die „bürokratische[n] Belastungen der Landwirtschaft“ müssten „faire[n] Rahmenbedingungen“ weichen. Immerhin handele es sich bei den Betroffenen um „Unternehmer“, die ihr Geld am Markt verdienen wollten, zitiert ntv. „Table Media“ zufolge sehe Dürr den Ball im Feld der Politik: „Es ist an uns, jetzt zu Entscheidungen zu kommen“.

Finanzminister Lindner ausgebuht

Mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zum Höhepunkt der Protestveranstaltungen in Berlin ein führendes Regierungsmitglied den Unmut der Bauern zu spüren bekommen: Während seiner knapp 20-minütigen Ansprache an die Protestierenden am Brandenburger Tor ließen die Buhrufe und Pfiffe nicht nach.

Lindner hatte gegenüber den Bauern und ihren Mitstreitern zwar sein Verständnis, seine Sympathie und seine Solidarität beteuert, wollte beim vordergründigen Streit um den Agrardiesel aber keinerlei Zugeständnisse mehr machen. Bauernpräsident Rukwied stellte sich dabei schützend vor den Minister und bat die aufgebrachte Menge um mehr Ruhe – allerdings mit wenig Erfolg (Video auf YouTube).

Nach BVerfG-Urteil: 17-Milliarden-Loch im Haushalt

Hintergrund sämtlicher Kürzungspläne des Bundes ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. November 2023. Der Zweite Senat des höchsten deutschen Gerichts hatte das „Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021“ (2. NHG 2021) für nichtig und grundgesetzwidrig erklärt: Es sei nicht erlaubt, übrig gebliebene Milliardenbeträge aus dem Corona-Sonderfonds nachträglich für klimapolitische Maßnahmen zu verwenden. Das BVerfG war damit einer Klage der Unionsfraktion im Bundestag gefolgt (Az: 2 BvF 1/22).

Das Urteil riss zunächst eine Lücke von 60 Milliarden in den Sonderfonds für Klima und Transformation (KTF). Zwei Wochen und etliche ampelinterne Verhandlungs- und Rechenstunden später hatte Finanzminister Lindner festgestellt, dass durch das Urteil auch im Haushalt 2024 17 Milliarden Euro fehlen würden.

Seither dreht sich die finanzpolitische Debatte in Deutschland um Nachtragshaushalte, Sondervermögen, Sparpotenziale, höhere Kosten für Energie, um die Schuldenbremse und die Proteste des Mittelstands, allen voran der Bauern. Als Sofortmaßnahme strich das Bundeswirtschaftsministerium kurzfristig die „Umweltprämie“ für E-Automobile.

Bauernverband versprach „sehr heißen Januar“

Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte kurz vor Weihnachten bereits „einen sehr heißen Januar“ für den Fall angekündigt, dass die Regierung ihre Maßnahmen nicht ersatzlos zurücknehmen würde. Man nehme die „Kampfansage“ der Bundesregierung an, sagte Rukwied im Beisein von Minister Özdemir (Video ab ca. 4:45 Min. auf YouTube).

 



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