Vom Märchenwald zum Windpark: Bäume fällen für Energieindustriegebiete

Der Windkraftausbau an Land macht nicht vor traditionsreichen Wäldern halt. Im tausendjährigen Reinhardswald in Hessen laufen die Bauarbeiten für mindestens 18 neue Windkraftanlagen. Das trifft auf Widerstand der Bevölkerung.
Reinhardswald
So könnte schon bald der Blick auf die Sababurg, auch genannt Dornröschenschloss, im Reinhardswald aussehen, wenn die Windkraftanlagen fertiggestellt sind.Foto: Rettet den Reinhardswald
Von 11. Dezember 2023

Mitten in Deutschland liegt der Naturpark Reinhardswald, die einstige Heimat der Gebrüder Grimm. Jahrhundertealte Hute-Eichen, Flusstäler, zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, historische Fachwerkorte zeichnen Hessens größtes zusammenhängendes Waldgebiet aus.

Doch statt Rapunzel und Dornröschen trifft man im „Märchenwald“ heutzutage eher Bagger, Baum-Vollernter und andere schwere Maschinen, die autobahnbreite Schneisen für mindestens 18 über 200 Meter große Windkraftanlagen in den Naturpark nördlich von Kassel reißen.

Viele lokale Bürger sind besorgt über die bereits laufenden Baumfällarbeiten. Sie befürchten, dass hier gerade ihr kulturelles Erbe zerstört wird – und die Auswirkungen auf die Natur nicht absehbar sind. Initiativen wie „Rettet den Reinhardswald“ setzen sich seit Längerem für den Erhalt des Naturparks und seiner Bäume ein.

Ein großindustrielles Bauvorhaben

Dennoch schreitet die Windenergieindustrie nun Meter um Meter mit ihren Bauvorhaben voran. Nach einem monatelangen Baustopp hat das Verwaltungsgericht inzwischen eine Fortsetzung der Bauarbeiten einschließlich Baumfällungen wo nötig erlaubt, wie „Bild“ berichtete.

Insgesamt sind sieben sogenannte Vorrangflächen mit zusammen über 2.000 Hektar (20 Millionen Quadratmeter) in „Grimms Märchenwald“ für die Bebauung mit Windkraftanlagen ausgewiesen worden. Das entspricht einer Fläche von rund 2.860 Fußballfeldern. Wenn alle Bebauungspläne umgesetzt werden, könnten somit auf circa zehn Prozent der Gesamtfläche des Reinhardswaldes in Zukunft mehr als 50 Windkraftanlagen stehen.

Die Baumaschinen schlagen laut „Blackout News“ derzeit 14 Kilometer lange Schneisen durch tausendjährigen Wald. Die Windkraftanlagen zur Stromgewinnung sollen eine Höhe von 241 Metern erreichen. Das ist höher als der Main Tower in Frankfurt am Main, das vierthöchste Hochhaus Deutschlands, mit Antenne. Die Rotorblätter haben eine Flügelspannweite von drei Airbus A380. Daher kann das Projekt als ein großindustrielles Bauvorhaben eingestuft werden.

Reinhardswald

Manche Bäume im Reinhardswald sind über 200 Jahre alt. Foto: iStock

Bürgermeister: „Windräder – ohne Sinn und Verstand“

Einer der Gegner des Windkraftprojekts ist der Naturschützer und Bundesverdienstkreuzträger Hermann-Josef Rapp. Er sagte der „Bild“: „Es ist das Schatzhaus der europäischen Wälder. Ein Ensemble der Sonderklasse. Das darf man doch nicht dem Fraß der geldgierigen Windkraftliga opfern.“

Zudem sind im Reinhardswald neun von elf Bürgermeistern gegen die Bauvorhaben. Einer davon ist Cornelius Turrey, amtierender Bürgermeister von Wesertal. Gegenüber „Bild“ äußerte er offen seine Bedenken über das Bauvorhaben: „Das Land Hessen hat das angetrieben, Habeck feuert das an. Die Grünen im Bund wollen die Windräder im Wald. Und das ohne Sinn und Verstand.“ Konkret würden er und seine Bürgermeisterkollegen aus den umliegenden Orten sich um Brandschutz, Belastung des Trinkwassers und den Lärm für die Bürger sorgen.

Viele Anwohner um den 20.000 Hektar großen Wald lehnen die Windkraftanlagen, die im Naturpark entstehen sollen, ab. Dazu zählt auch Oliver Penner: „Das hat nichts mehr mit Grün zu tun, da wird ein Riesenwald zerstört. Der Reinhardswald ist derzeit bundesweit das größte Projekt im Wald – und nur der Anfang. Da werden sich viele in Deutschland ansehen, dass bald auch ihr Wald zerstört wird.“

Naturschutzinitiative fordert Waldnaturschutzgebiet

Darüber hinaus fordert die Naturschutzinitiative Deutschland, im Reinhardswald keine Großindustrieanlagen aufzustellen. Um dies zu erreichen, will sie den gesamten Naturpark zum Waldnaturschutzgebiet machen, wie die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ (HNA) berichtete.

Der Landesvorsitzende der Naturschutzinitiative, Harry Neumann, bemängelte deutlich die Bebauungspläne: „Störanfällige Arten wie Wildkatze und Luchs verlieren zentrale Lebensräume und Potenziale, auf die sie angewiesen sind. Die Arten kommen und bleiben mit den Lebensräumen, verschwinden aber auch wieder, wenn diese zerstört werden.“

20 Wissenschaftler und Naturschützer haben sich der Forderung angeschlossen, keine Windkraftanlagen im Reinhardswald zu errichten. Biodiversitätsforscher Dr. Andreas Segerer:

„Die Umwandlung von Wäldern und noch naturnahen Lebensräumen in Energieindustriegebiete stellt eine der größten zusätzlichen Gefahren für die Biodiversität und damit für die Lebensgrundlagen von Menschen und Tieren dar.“

„Beitrag, Wälder zu erhalten“

Die Genehmigungsbehörde beim Regierungspräsidium (RP) Kassel stellte nach Anfrage der HNA klar, dass ein rückwirkendes Verbot von genehmigten Bauvorhaben kaum möglich sein wird. Außerdem seien bereits große Teile des Waldes als Schutzgebiete ausgewiesen. Allerdings gehören die Anlagenstandorte nicht dazu, da sie zu forstwirtschaftlich genutzten Bereichen gehören und nicht die Schutzwürdigkeit von Schutzgebieten aufweisen.

Die hessische Umweltministerin verteidigt das Projekt. „Die Windenergie leistet für die Energiewende und für den Erhalt der Natur einen entscheidenden Beitrag. Nur so können Wälder und wichtige Ökosysteme erhalten werden“, so Priska Hinz (Grüne) gegenüber „Bild“. Sie sagte in einem früheren Interview, ohne eine „engagierte Klimapolitik wird es bald gar keinen Wald mehr geben“.

Die noch amtierende Landesregierung, bestehend aus CDU und Grünen, hat das Windkraftprojekt initiiert. Nach der Landtagswahl im Oktober bekommt Hessen voraussichtlich ab Januar eine neue Regierungskoalition aus CDU und SPD. Da die Koalitionsverhandlungen aber noch laufen, bleibt es unklar, ob der Ausbau nach den bisherigen Plänen fortgeführt wird.

Eine „Katastrophe der Grünen“

Viele Nutzer auf dem Kurzbotschaftendienst X kritisieren die Baumfällarbeiten – und gleichzeitig die Partei der Grünen, die den raschen Ausbau der Windkraft in Deutschland vorantreibt. Die deutsche Umweltpolitik sei in diesem Beispiel „der größte Feind der Natur“. Ein weiterer Nutzer bezeichnete die Entscheidungsträger als „grüne Ökosozialisten“.

Tatsächlich ist die Windkraft, obwohl von der Bundesregierung gefördert, bei vielen Fachleuten umstritten, nicht zuletzt deswegen, weil die „erneuerbaren“ Energien zunehmend die Stabilisierung der Stromnetze verteuern. Die Netzbetreiber müssen aufgrund von immer mehr Strom aus Windkraftanlagen die deutschen Stromnetze immer häufiger stabilisieren.

Der Physiker und Informatiker Prof. Horst-Joachim Lüdecke erläuterte bereits, warum Windkraftanlagen für ein Industrieland ungeeignet sind.



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