Grauzone im Bundestag: Wenn Abgeordnete in eigener Sache agieren

Wie eng vermischen sich private Interessen und Bundestagsmandat? Auch wenn sich die Verhaltensregeln für Abgeordnete verschärft haben, ist nicht immer alles so strikt getrennt.
Blick in das Plenum des Bundestags. Diese Woche geht es dort erneut um das sogenannte Heizungsgesetz.
Blick in das Plenum des Bundestags. Parlamentarische Tätigkeit und persönliche Interessen der Abgeordneten sind nicht immer voneinander getrennt.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 6. Juli 2023

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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor brachte den Stein damals ins Rollen. Nachdem die dubiose Lobbytätigkeit des Abgeordneten 2020 öffentlich wurde und es Kritik von vielen Seiten hagelte, gelobte der Bundestag Besserung. Im Sommer 2021 verordnete sich das Parlament daher strengere Verhaltensregeln. Statt verborgener Interessenskonflikte hieß die neue Linie nun mehr Transparenz. Trotzdem stoßen die Regeln immer wieder an ihre Grenzen.

Geld für Vorträge im Zusammenhang mit Mandat?

So schildert der „Spiegel“ den Fall des FDP-Vizefraktionschefs Alexander Graf Lambsdorff. Der Bundestagsabgeordnete sprach vor einiger Zeit auf einer Veranstaltung der Vermögensverwaltung „DJE Kapital AG“ auf dem Schlossgut Hohenkammer.

„Deutschlands Rolle in den kalten Kriegen des 21. Jahrhunderts“ lautete sein Thema an diesem Abend. Es ging um den russischen Angriff auf die Ukraine, die Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschen Bundestag und den „geopolitischen Konflikt zwischen den USA und China“. Noch heute kann man das Video auf der Internetplattform „Youtube“  abrufen.

Laut der Website des Bundestages kassierte der FDP-Politiker für diesen Auftritt 6.910 Euro. Es war nicht das einzige Mal, dass Lambsdorff in dieser Wahlperiode bezahlte Vorträge über Außen- und Sicherheitspolitik hielt. Laut Auskunft auf der Seite des Bundestags trat der Bundestagsabgeordnete insgesamt elfmal gegen Honorar bei verschiedenen Veranstaltungen auf und redete über die „aktuelle Situation in Europa“ oder die „Entwicklungen in der Ukraine“. Insgesamt verdiente Lambsdorff mit diesen Vorträgen 52.750 Euro.

Seine Referententätigkeit wirft Fragen auf: Das Abgeordnetengesetz verbietet die Annahme von Geld für eine Vortragstätigkeit, wenn sie im „Zusammenhang mit der Mandatsausübung“ steht. Lambsdorff ist stellvertretendes Mitglied im „Auswärtigen Ausschuss“ und des „Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union“ im Deutschen Bundestag. Verstieß er mit seinen Auftritten gegen das Abgeordnetengesetz? Das Gesetz ist an dieser Stelle etwas schwammig – zumindest dürfte sich der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hier in einer Grauzone bewegen. Anfragen des Magazins „Spiegel“ ließ er zu diesem Thema unbeantwortet.

Der FDP-Politiker ist nicht der einzige Abgeordnete, bei dem sich private Interessen und das Bundestagsmandat miteinander vermischen. Die Onlineplattform „abgeordnetenwatch.de“  beschreibt einen weiteren Fall.

Öffentlichkeit erfährt meistens nichts

In einer Sitzung des Haushaltsausschusses im September letzten Jahres meldete sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle zu Wort. Thema an diesem Tag ist der Energiekonzern „Uniper“, der in Schieflage geraten ist.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist mit seinem Staatssekretär Udo Philipp in den Ausschuss gekommen, um den Abgeordneten die Pläne der Bundesregierung, bei „Uniper“ einzusteigen, zu erläutern. Gräßle möchte nun wissen, wann der Bund beabsichtigte, Uniper-Aktien zu kaufen und wie viele Aktien gekauft werden sollen?

Ganz uneigennützig ist das Interesse der Bundestagsabgeordneten an diesem Tag nicht. Seit 2016 besitzt sie Aktien des Energiekonzerns. Diese wären im Falle der Uniper-Pleite damals wertlos gewesen.

Auf Anfrage des „Spiegels“ bestätigte die CDU-Politikerin damals, dass sie „51 Aktien von Uniper“ besitzt. Gerade einmal 280 Euro sind die noch wert. Vor dem Ukraine-Krieg lag der Wert bei gut 2.000 Euro. Sie hält die Offenlegung angesichts der milliardenschweren Uniper-Rettung damals nach wie vor für richtig. Warum man diesen Hinweis aber nicht im Sitzungsprotokoll findet, das kann Gräßle sich auch nicht erklären.

Das ist dann auch das Problem. Von Interessenkonflikten wie diesen erfährt die Öffentlichkeit meist nichts. Zwar müssen Abgeordnete eine persönliche Betroffenheit im Ausschuss offenlegen, was dann auch im Protokoll vermerkt wird. Leider sind diese Protokolle ebenso wie die Sitzungen nicht öffentlich. Daher werden sie auch nicht in der Parlamentsdatenbank des Bundestages zugänglich gemacht.

Mag der Vermögenswert bei Uniper-Aktionärin Gräßle gering sein – beim Thema Interessenskonflikte von Abgeordneten geht es um etwas Grundsätzliches. Nur Abgeordnete können Gesetze beschließen, die sie am Ende selber betreffen. Daher ist das Interesse der Öffentlichkeit nachvollziehbar zu wissen, wann ein Volksvertreter in eigener Sache unterwegs ist.

Persönliche Interessen und parlamentarische Tätigkeit

Laut Recherchen von „abgeordnetenwatch.de“ und „Spiegel“ sind die Überlappungen zwischen persönlichem Interessen und parlamentarischer Tätigkeit eher die Regel als die Ausnahme. Bei insgesamt 51 Fällen haben Abgeordnete bisher Interessenskonflikte angezeigt. Dazu kommen noch 14 Fälle von Abgeordneten, die in einer herausgehobenen Stellung – beispielsweise als Obleute oder Berichterstatter – im Parlament tätig sind.

Artur Auernhammer, CSU-Bundestagsabgeordneter, fungiert als ein solcher Berichterstatter. Neben seiner Tätigkeit im Bundestag als Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft und Ernährung ist er auch Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs in seiner fränkischen Heimat. Diese Verbindung hat zur Folge, dass Auernhammer gelegentlich im Bundestag politische Entscheidungen trifft, die seine eigenen Interessen betreffen.

Am 18. Januar 2023 behandelt der Landwirtschaftsausschuss einen Antrag der Unionsfraktion, an dessen Ausarbeitung Auernhammer eigenen Angaben zufolge mitgewirkt hat. In diesem Antrag fordern Auernhammer und seine Fraktion „Ausnahmeregelungen für landwirtschaftliche Betriebe in roten Gebieten“. Diese Gebiete sind Flächen, in denen das Grundwasser aufgrund hoher Nitratwerte stark beschränkte Düngemaßnahmen erfordert.

Zu Beginn der Sitzung ergriff Auernhammer das Wort und enthüllte gemäß dem Protokoll, dass sein landwirtschaftlicher Betrieb sich vollständig in einem „roten Gebiet“ befindet – also genau den Gebieten, für die sein Antrag Ausnahmen fordert. Nach dieser persönlichen Mitteilung konnte die Beratung im Ausschuss nahtlos fortgesetzt werden, als wäre nichts geschehen. Landwirt Auernhammer konnte weiterhin aktiv an der Diskussion teilnehmen.

In einer Fußnote wird in einem Transparenzhinweis auf das Problem dieser Interessenkollision hingewiesen. Der CSU-Abgeordnete erkennt jedoch kein Problem darin, im Gegenteil. Er argumentiert, dass es unvermeidlich sei, als Berichterstatter selbst betroffen zu sein, und dass dies nur vermieden werden könne, wenn man auf Fachleute in den entsprechenden Fachausschüssen verzichte, so seine Antwort auf eine Anfrage.

Berichterstatter wie Auernhammer unterliegen strengeren Offenlegungspflichten als einfache Ausschussmitglieder. Sie müssen nicht nur dem Ausschuss gegenüber Interessenkonflikte offenlegen, sondern entsprechende Hinweise finden sich auch in den Beschlussfassungen zu Gesetzesinitiativen, die auf der Website des Bundestags veröffentlicht werden. Die Transparenzhinweise können leicht übersehen werden, da sie sich in einer Fußnote befinden.

Auswirkungen auf die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren haben die Interessenkonflikte für die Abgeordneten nicht. Sie können Änderungswünsche einbringen – und selbst das Abstimmen in eigener Sache ist nach dem Abgeordnetengesetz nicht verboten.

Grundsätzlich ist es Parlamentariern – anders als Bundesministern – erlaubt, Nebentätigkeiten nachzugehen. Allerdings spricht das Abgeordnetengesetz davon, dass das Mandat „im Mittelpunkt der Tätigkeit“ stehen muss. Niemand soll hier Diener zweier Herren sein. Zuletzt wurde das Gesetz dahin konkretisiert, dass „entgeltliche Beratertätigkeiten“ unzulässig sind, wenn sie im „unmittelbaren Zusammenhang mit dem Mandat stehen“.

Wirkung erzielt das nicht. SPD-Politiker Bernd Westphal ist Obmann im Wirtschaftsausschuss und gehört zugleich dem Expertenrat der Kommunikationsfirma „Kekst CNC“  aus München an. Das bringt ihm 10.000 Euro im Jahr ein. Das Unternehmen berät unter anderem Generali und Thyssengas.

Im Gesundheitsausschuss sitzt Lars Lindemann (FDP) – nebenbei Aufsichtsrat bei der IDEAL Lebensversicherung. Das Unternehmen zählt zu den Großen im Bereich private Pflegerentenversicherung. Pro Monat bringt das 2.400 Euro ein.

Wie Kavaliersdelikte behandelt

Bisher werden solche Überschneidungen im Bundestag wie Kavaliersdelikte behandelt. Wie „abgeordentenwatch.de“ berichtet, leitete die Bundestagsverwaltung in der vergangenen Wahlperiode insgesamt 388 Prüfverfahren ein. In 288 Fällen wies der Bundestagspräsident die Abgeordneten auf einen Pflichtverstoß hin, achtmal sprach er eine interne Ermahnung aus, fünf Abgeordnete erhielten eine öffentliche Rüge. Und nur ein Mal wurde ein Ordnungsgeld verhängt.

Organisationen wie beispielsweise „Lobbycontrol“ fordern daher schon seit Jahren eine unabhängige Stelle zur Kontrolle der Abgeordneten mit ausreichenden personellen Ressourcen und erweiterten Befugnissen.



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