Größte Erhöhung seit 30 Jahren: Abgeordnetendiäten steigen um mehr als 600 Euro

Seit Jahren erhöhen sich die Abgeordnetenentschädigungen automatisch, da sie an die Lohnentwicklung gekoppelt sind. Dieses Jahr fällt der Anstieg besonders hoch aus. Vor allem der Bund der Steuerzahler übt scharfe Kritik an der mangelnden Transparenz der Abgeordneten – er nennt das jetzige Verfahren unwürdig für den Bundestag.
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Die Bundestagsabgeordneten können sich auf eine satte Gehaltserhöhung im Juli freuen.Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images
Von 3. März 2024

Am Donnerstag meldete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden den stärksten Nominallohnanstieg seit 2008. Dieser lag demnach im vergangenen Jahr bei sechs Prozent. Das dürfte auch eine gute Nachricht für die 736 Bundestagsabgeordneten sein.

Seit 2014 haben diese beschlossen, die Höhe ihrer Abgeordnetenentschädigung an den Nominallohnindex zu koppeln. Das heißt, dass es nun ab dem 1. Juli 2024 sechs Prozent mehr Geld gibt. Konkret steigen die Diäten von heute 10.591,70 Euro auf 11.227,20 Euro. Das sind 635,50 Euro mehr als bisher. 

Vier Jahre Bundestag, monatlich 1.057 Euro Pension

Ebenfalls an den Nominallohnindex sind auch die Abgeordnetenpensionen gekoppelt. Auch diese steigen dann ab Juli um sechs Prozent. Die konkrete Pension für den einzelnen Bundestagsabgeordneten hängt von der Länge seiner Mitgliedschaft im Bundestag ab.

Das Abgeordnetengesetz sieht vor, dass dem Abgeordneten nach dem ersten Jahr im Bundestag 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung zusteht. Mit jedem weiteren Jahr im Bundestag kommen 2,5 Prozent dazu. Der Höchstbetrag liegt bei 65 Prozent und wird erst nach 26 Jahren erreicht. 

Das heißt, dass ein Abgeordneter, der vier Jahre im Bundestag sitzt,  jetzt monatlich 1.059,17 Euro an Abgeordnetenpension erhalten würde. Ab Juli stünden ihm dann 1.122,72 Euro zu. Das Geld gibt es allerdings nicht sofort nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag: Das Eintrittsalter für die Altersentschädigung ist zum 1. Januar 2008 – wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung – stufenweise vom 65. auf das vollendete 67. Lebensjahr erhöht worden.

„Rentner und Beschäftigte können von solchen Zuständen nur träumen“, sagt der Bund der Steuerzahler und fordert seit Langem eine Einbindung der Abgeordneten in die Rentenversicherung. Und zwar „zu denselben Konditionen, die die Politik den Bürgern auferlegt“.

Keine Diskussion, keine Aussprache, keine Erklärung

Für den Bund der Steuerzahler (BdSt) ist auch die Vorgehensweise des Bundestages ein Unding. Um sechs Prozent sollen die Diäten der 736 Abgeordneten ansteigen – eine so hohe Steigerung habe es seit 1995 nicht mehr gegeben, kritisiert Reiner Holznagel, der Präsident des Steuerzahlerbundes gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland” (RND).

Mit diesem Vollautomatismus findet keine Diskussion, keine Aussprache oder Erklärung der Abgeordneten im Bundestag gegenüber der Bevölkerung statt.“

Mussten bis 2016 Erhöhungen der Abgeordnetenentschädigungen regelmäßig vom Bundestag beschlossen werden, findet das jetzt automatisch statt. Gab es vorher eine Aussprache zu den geplanten Erhöhungen im Plenum des Bundestages, sind Erhöhungen nun kein Thema mehr in der Öffentlichkeit. 

Es war die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD, die 2014 die jetzige Regelung mit ihrer Mehrheit im Bundestag beschloss. Damals kritisierte unter anderem der bekannte Staatsrechtler und Parteienkritiker Professor Hans Herbert von Arnim im Rechtsmagazin “Legal Tribune Online”  das Verfahren und stellte die Verfassungsmäßigkeit infrage.  

Dem Hohen Haus nicht würdig

„Bei Diätengesetzen entscheidet der Bundestag in eigener Sache und ist somit befangen. Deshalb ist eine wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit besonders wichtig”, befindet von Arnim. 

Jede einzelne Veränderung der Höhe der Entschädigung sei gesondert “im Plenum zu diskutieren“ und müsse vom Bundestag „vor den Augen der Öffentlichkeit“ beschlossen werden, argumentiert von Arnim weiter. Das sei neben der Kontrolle durch den Bundespräsidenten und des Bundesverfassungsgerichts die “einzige wirksame Kontrolle”. 

Das „Diäten-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 1975 verpflichtet die Abgeordneten ausdrücklich, selbst und „vor den Augen der Öffentlichkeit“ über die Höhe ihrer Entschädigung zu beschließen. Die Kontrolle dürfe also nicht durch Indexerhöhungen ausgehebelt werden, kritisiert der Staatsrechtler von Armin. 

Ähnlich argumentiert nun auch Reiner Holznagel. Notwendigerweise regelten die Abgeordneten die Höhe ihrer Entschädigung selbst – „sie entscheiden in eigener Sache“, sagt der Präsident des Steuerzahlerbundes.

Umso wichtiger seien Transparenz und eine nachvollziehbare Begründung in Form eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, „wenn die Abgeordneten höhere Diäten für sich beschließen wollen“. Ein Automatismus leiste diese Verpflichtung nicht und sei „dem Hohen Haus – demokratisch gesehen – nicht würdig“.

Schon im vergangenen Jahr wurde die Abgeordnetenentschädigung für Bundestagsabgeordnete angehoben. Der Index legt 2022 um 2,6 Prozent zu: Die Bruttogrundentschädigung eines jeden Abgeordneten legte um 268,41 auf 10.591,70 Euro monatlich zu, steigt also auf rund 127.100 Euro im Jahr.

Die Diätenanpassung funktioniert jedoch genauso in die andere Richtung: Im Jahr 2021 sanken die Diäten im Jahr 2021 um 70 Euro. Außerdem kann der Bundestag beschließen, auf diese Erhöhung zu verzichten. Dies hat er beispielsweise 2020 in der Corona-Pandemie getan.



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