Grüne stellen gemeinsame Position zu Asylverfahren an EU-Außengrenzen infrage

Die Kommunen sehen sich in ihren Betreuungspflichten für Flüchtlinge weiter überfordert. Ministerin Faeser hält Asylverfahren an den EU-Außengrenzen für denkbar.
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Nach Aussage des BAMF wird jedes Asylverfahren individuell und bundesweit auf gleicher Rechtsbasis geprüft und entschieden.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 3. Mai 2023

Am 10. Mai will Bundeskanzler Olaf Scholz mit Vertretern von Bund und Ländern über die künftige Flüchtlingspolitik sprechen. Immer mehr Kommunen beklagen, mit ihren Betreuungspflichten überfordert zu sein und vom Bund im Stich gelassen zu werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will keine weiteren finanziellen Zusagen machen. Sie zeigt sich allerdings offen für die Verlagerung von mehr Asylverfahren an die EU-Außengrenzen.

Höhere Anzahl an Asylverfahren im ersten Quartal

Im ersten Quartal des Jahres hat die Bundespolizei 19.627 unerlaubte Einreisen ins Bundesgebiet gezählt. Das sei ein Plus von knapp 7.000 gegenüber dem Vorjahr, wo deren Anzahl mit 12.965 ausgewiesen war. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2021 sind es gar 9.653 mehr.

Experten weisen jedoch darauf hin, dass ein Teil der Migrationsbewegungen die Konsequenz eines Nachholeffekts infolge der Coronakrise sei. Die Anzahl unerlaubter Einreisen hatte im vergangenen Jahr insgesamt fast 92.000 betragen.

Die Anzahl der Asylanträge von Januar bis März 2023 lag dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge bei 87.777. Unter diesen waren 80.978 Erstanträge und 5.817 Anträge von Minderjährigen. Im ersten Quartal des Vorjahres hatte das BAMF 44.908 Erstanträge gestellt.

Die Hauptherkunftsländer der Asylsuchenden waren im ersten Quartal des Jahres Syrien mit 22.702 und Afghanistan mit 15.980 Personen. Außerdem sind laut Bundesregierung und Ausländerzentralregister 81.647 Menschen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eingereist. Sie müssen keine Asylanträge stellen.

Faeser wollte Ländern keine weiteren Zusagen machen

Länder und Kommunen hatten bereits im Vorjahr darüber geklagt, dass ihre Mittel nicht zur Bewältigung der Anzahl an Asylsuchenden ausreichten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte im Oktober des Vorjahres sowie im Februar 2023 Vertreter von Ländern und Kommunen zu Flüchtlingsgipfeln geladen.

Entgegen deren nachdrücklichen Forderungen hatte sie zu beiden Gelegenheiten verbindliche finanzielle Zusagen abgelehnt. Sie verwies in diesem Kontext auf 3,25 Milliarden Euro, die im Vorjahr für die Kommunen an die Länder geflossen seien. Für das neue Jahr seien bereits 2,7 Milliarden zugesagt. Allerdings, so Faeser, sei es „nicht in jedem Bundesland der Fall“, dass das Geld bei den Gemeinden ankäme.

Darüber hinaus habe der Bund 300 eigene Immobilien zur Verfügung gestellt, die erst zu 68 Prozent ausgelastet seien. Sie stellte in Aussicht, 56 zusätzliche Bundesimmobilien für die Unterbringung von 4.000 Geflüchteten nutzbar zu machen. Auch hier seien nun jedoch die Länder am Zug.

Die Kommunen betonen, die bisher zugesagten Mittel reichten bei Weitem nicht aus, zumal die Kosten der Integration nicht damit abgedeckt wären.

Flüchtlinge sollen bis zu 12 Wochen festgehalten werden dürfen

Faeser hatte im Rahmen ihrer Flüchtlingsgipfel auch angekündigt, sich auf EU-Ebene um eine „solidarische Verteilung“ der Lasten in diesem Bereich zu bemühen. Mittlerweile lässt sie sogar anklingen, eine Reform des EU-Asylsystems zu befürworten, die mehr Asylverfahren an den Außengrenzen zur Folge hätte.

Es sei darüber zu verhandeln, ob Flüchtlinge an den Außengrenzen zumindest für einen ersten Teil der Asylprüfung bis zu knapp drei Monaten festgehalten werden dürften. Wahrscheinlich gehe es um 12 Wochen. Gegenüber der ARD äußerte sie, dabei sei auch der Aspekt der Menschenwürde zu beachten. Allerdings müssten bestimmte Schritte schon früh gesetzt werden können:

Ich glaube, dass es wichtig ist, die Registrierung, die Identifizierung bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen, damit wir eben auch offene Grenzen in Europa haben können.“

Widerstand gegen Asylverfahren an EU-Außengrenzen aus Schleswig-Holstein

Die EU-Staaten wollen insbesondere das dysfunktionale System der Verteilung und Aufnahme reformieren. Ein Denkansatz gehe dabei in die Richtung, eine Prognoseentscheidung über die Aussicht auf Schutz direkt nach der Registrierung in Außengrenzstaaten zu prüfen.

Zudem könnte es zu einer Erhebung kommen, wohin Schutzsuchende weiterreisen wollten und ob es dort beispielsweise bereits Verwandte gebe. Auch könnte es bezüglich der Festhaltemöglichkeit Ausnahmen für Menschen mit Behinderungen oder Familien mit Kindern geben.

SPD, Grüne und FDP hatten sich auf eine gemeinsame Position für die Verhandlungen über die Reform der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik geeinigt. Allerdings gibt es aus den Reihen der Grünen Widerstände gegen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen.

Schleswig-Holsteins Integrationsministerin, Aminata Touré (Grüne), erklärte dazu gegenüber der „Welt“ (Dienstag):

Ich kann mir nicht vorstellen, wie das die Anrainerstaaten des Mittelmeers entlasten soll und zeitgleich menschenwürdige Unterbringung in bereits jetzt schon überforderten Staaten gelingen soll. Das widerspricht meiner Meinung nach außerdem dem Grundgedanken des deutschen Asylrechts.“

Grüne hatten bereits Erweiterung der sicheren Herkunftsländer blockiert

Aus der CDU und von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kommen zudem erneut Forderungen, die Liste sicherer Herkunftsländer zu erweitern. Bereits die alte schwarz-rote Bundesregierung wollte Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als sichere Herkunftsstaaten einstufen.

Der Vorschlag passierte 2019 den Bundestag, kam aber im Bundesrat wegen des Widerstands von Ländern, in denen Grüne oder Linke mitregieren, nicht voran. Von einem neuen Vorstoß halten die Grünen nichts.

(Mit Material von dpa)



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