Habeck und Baerbock verlassen Parteirat – Unmut über Asylpolitik

Am Donnerstag beginnt ein viertägiger Parteitag der Grünen in Karlsruhe. Die Minister Habeck und Baerbock werden nicht mehr für den Parteirat kandidieren. An der Basis regt sich Unmut über den restriktiven Kurs in der Asylpolitik.
Der Grünen-Parteitag unter dem Motto «Machen, was zählt» findet in Karlsruhe statt.
Der Grünen-Parteitag unter dem Motto „Machen, was zählt“ findet in Karlsruhe statt.Foto: Uli Deck/dpa
Von 23. November 2023

Zu einem viertägigen Parteitag werden die Grünen ab Donnerstagabend, 23. November, in Karlsruhe zusammenkommen. Auf dem Programm stehen unter anderem die Wahl eines neuen Parteirats und die Vorbereitung der EU-Wahl.

Ihre letzten beiden Parteifunktionen, nämlich die Sitze im Parteirat, wollen dabei die Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock abgeben. Dies erklärte eine Sprecherin gegenüber „Zeit online“. Das Gremium berät den Bundesvorstand und koordiniert die Arbeit zwischen Bundespartei, Fraktionen und Landesverbänden.

Nur Grünen-Wähler für Weiterregieren der Ampel

Ungeachtet der Krisenstimmung im Land insgesamt befinden sich die Grünen in der verhältnismäßig komfortabelsten Rolle. Obwohl der Rückhalt für die Ampelkoalition in der Bevölkerung massiv einbricht, hält sich die Partei dank einer entsprechenden Stammwählerschaft deutlich im zweistelligen Bereich.

Den vorwiegend unter den Gegnern grüner Politik verbreiteten Eindruck, die Grünen würden der Koalition ihren Willen aufdrücken, teilen offenbar auch ihre Wähler. Der jüngsten INSA-Umfrage für „Bild“ zufolge sprechen sich 60,5 Prozent der Grünen-Wähler für eine Fortsetzung der Ampelregierung aus. Sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch bei Wählern von SPD und FDP sind es deutlich weniger als die Hälfte.

Grüne werden EU-Wahlergebnis von 2019 kaum halten können

Dennoch ist für viele Mitglieder und Funktionäre der Partei das Glas offenkundig halb leer. Im Vorfeld des Parteitages macht sich eine getrübte Stimmung breit. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass 2024 voraussichtlich deutlich weniger Abgeordnete der deutschen Grünen im EU-Parlament vertreten sein werden.

Die Voraussetzungen des Jahres 2019 wie ein medial gestützter „Fridays for Future“-Hype und eine Merkel-Regierung, die bereitwillig grüne Inhalte umsetzt, sind nicht mehr gegeben. Der Realitätsschock von Energieknappheit und Inflation hat auch Teile des deutschen Bildungsbürgertums erreicht. Greta Thunberg ist infolge antisemitischer Eskapaden auch bei manchen Grünen in Ungnade gefallen.

Zu allem Überfluss gab es nun auch den Schuss vor den Bug durch das Karlsruher Schuldenbremse-Urteil. Am 9. Juni wird der grüne Balken deshalb aller Voraussicht nach ins Minus weisen. Als Wahlverlierer ist man aber keine Modeerscheinung mehr.

Offener Brief hat bereits 1.200 Unterstützer

Auch inhaltlich regt sich Unmut an Teilen der Parteibasis. Vor allem die Asylwende, die Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt hatte, bereitet vielen Grünen Kopfschmerzen. Bislang galt es nicht als Kennzeichen der Partei, sich der Beteiligung an geplanten „Abschiebe-Turbos“ zu rühmen.

Dies bringen auch Mitglieder in einem offenen Brief zum Ausdruck, der es mittlerweile auf mehr als 1.200 Unterschriften gebracht hat. Um zum Antrag zu werden, benötigt er 2.000. Inhaltlich übt der Text deutliche Kritik am Kurs der Bundespartei und der grünen Minister.

Unter dem Motto „Zurück zu den Grünen“ treten die „Unterstützer*innen“ für „wertegeleitete bündnisgrüne Politik und gelebte Basisdemokratie“ ein – die sie in der Partei derzeit offenbar vermissen.

Grüne „übernehmen teils verdeckt rassistische Diskursmuster“

In dem Text nimmt man Anstoß an der Räumung von Lützerath, am Bundeswehr-Sondervermögen und am EU-Asylkompromiss. Deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei man auch bei der Kindergrundsicherung, beim Bürgergeld und in der Klimapolitik. Die Verschärfung der Abschiebegesetze seien ein weiteres Ärgernis.

„Schockiert“ sei man aber darüber, dass die Partei diese Entscheidungen auch noch als Erfolge zu verkaufen versuche:

„Manchmal erscheint es uns, als ob die Grünen von einer Partei für echte Veränderung zu einer Werbeagentur für schlechte Kompromisse geworden sind.“

Mit Blick auf den „gesellschaftlichen Rechtsrutsch“ helfe die Partei sogar mit, das Overton-Fenster zu verschieben. Statt die Narrative der Rechten zu entkräften, „machen wir ihre Migrationspolitik für sie und übernehmen gefährliche, teils verdeckt rassistische Diskursmuster“.

Trittin mahnt zu Aussetzung der Schuldenbremse

Neben einer Dringlichkeit des Vorstandes zur Migration wird es zu dem Thema noch weitere Anträge geben. Die Grüne Jugend will eine Order an die Regierungsmitglieder durchsetzen, keinen weiteren Verschärfungen des Asylrechts mehr zuzustimmen.

Ein weiterer Debattenschwerpunkt wird das Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse sein. Ex-Minister Jürgen Trittin warnt vor einem „Konsolidierungsbedarf von rund 100 Milliarden Euro“ mit Blick auf die Sondervermögen KFT und WSF.

Der Minister mahnt zu einer weiteren Aussetzung der Schuldenbremse. Andernfalls drohe humanitäre Hilfe für den Nahen Osten, Verkehrsinfrastruktur und die Ansiedlung strategischer Industrien zu scheitern.

 



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