Handyauslesen bei fehlendem Pass: Bundesgericht erklärt es für unrechtmäßig

Das höchste deutsche Verwaltungsgericht erklärte die jahrelange Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum generellen Handyauslesen bei fehlendem Pass für unrechtmäßig.
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Berlin, Deutschland, 18. Mai 2018: Eine Familie geht an der Berliner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorbei.Foto: Getty Images | Sean Gallup
Von 18. Februar 2023

Die regelmäßig erfolgende Auswertung von Mobiltelefon durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei Fehlen von Pässen oder Passersatzpapieren ist ohne hinreichende Berücksichtigung sonstiger vorliegender Erkenntnisse und Dokumente nicht rechtmäßig. Dies erklärte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Urteil vom 16. Februar.

Das Bundesamt führte die Auslesung von Handys durch, um die Identität und Staatsangehörigkeit von Asylsuchenden zu ermitteln.

Die Klägerin, ihren Angaben zufolge eine afghanische Staatsangehörige, reiste 2019 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen.

Um ihre Identität nachzuweisen, reichte sie damals eine von afghanischen Behörden ausgestellte sogenannte Tazkira (Ausweisdokument ohne biometrische Daten) und eine Heiratsurkunde ein. Daraufhin forderte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Klägerin auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Das tat die Klägerin. Nach kurzfristiger Auslesung und Datenspeicherung erhielt sie das Mobiltelefon zurück. Schließlich erhielt die Klägerin eine Ablehnung ihres Asylantrages. Daraufhin klagte sie gegen die Entscheidung.

Mildestes Mittel zur Identitätsfeststellung muss gewählt werden

Das Verwaltungsgericht stellte mit dem Urteil fest, dass die Anordnung des Bundesamtes gegenüber der Klägerin, die Zugangsdaten für ihr Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig gewesen sei. Denn das Bundesamt sei nicht berechtigt, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen, mittels Software auszuwerten, den aus der Auswertung generierten Ergebnisreport für das Asylverfahren freizugeben und davon ausgehend eine Entscheidung über den Asylantrag zu treffen. Die sonst vorliegenden Erkenntnisse und Dokumente hätten gegenüber der Datenauswertung ein milderes Mittel zur Identitätsfeststellung dargestellt, begründet das Gericht seine Entscheidung.

Mit der Entscheidung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts und wies die Revision des Bundesamtes zurück.

Das Verwaltungsgericht erklärte im Fall der Klägerin, dass mildere und damit vom Bundesamt vorrangig heranzuziehende Mittel wie Tazkira, Heiratsurkunde, Registerabgleiche und Nachfrage beim Sprachmittler zu sprachlichen Auffälligkeiten zur Gewinnung weiterer Indizien zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit zur Verfügung standen.

Laut der Plattform LTO wertet bei der Analyse durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Software die Metadaten des Smartphones aus und überprüft die ein- und ausgehenden Anrufe sowie die empfangenen und versendeten Nachrichten. Teilweise erfolgt auch eine Analyse der verwendeten Sprache, heißt es hier weiter.

Ziel sei es dabei Anhaltspunkte zu konkreten Ländern zu finden. Anhand dieser Daten werden dann Ergebnisreporte erstellt, auf dessen Grundlage das Bundesamt nach zuvor erfolgter Freigabe durch einen Volljuristen eine Entscheidung über den Asylantrag trifft, erklärt LTO weiter.

Bundesamt las über 80.000 Mobiltelefone aus

Nach eigenen Angaben des Bundesamtes in der Verhandlung war in über 80.000 Fällen eine Auswertung von Daten erfolgt, berichtet LTO. Das Bundesamt berief sich in seiner Verteidigung darauf, dass die nun durch das Gericht für unrechtmäßig befundene Rechtsgrundlage infolge der Migrationskrise und des damit einhergehenden Bedarfs 2017 geschaffen wurde. Sie sollte bei den damals knappen Personalressourcen eine Hilfestellung sein.

Der Senat stellte laut LTO zudem fest, dass die ausgelesenen Daten bei der Feststellung nicht wesentlich geholfen haben. Sie würden lediglich einen Indizcharakter aufweisen und keine zweifellose Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit ermöglichen.

Inwiefern das Bundesamt nach dem Urteil seine Arbeitsweise umstellt, ist unklar. Das Bundesamt hat sich zum Urteil bisher noch nicht geäußert.



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