Islam-Expertin fordert mehr Kompetenzen für Jugendämter

"Wenn Kinder in einem Terrorgebiet waren, sie von ihren Eltern dort hingebracht und dort aufgezogen wurde, sollte das pauschal zu einem Prüffall für das Jugendamt werden", sagte Claudia Dantschke von der Organisation Hayat, einer Beratungsstelle für Islamisten oder deren Angehörige.
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"Wenn Kinder in einem Terrorgebiet waren, sie von ihren Eltern dort hingebracht und dort aufgezogen wurde, sollte das pauschal zu einem Prüffall für das Jugendamt werden", sagte Claudia Dantschke von der Organisation Hayat.Foto: Adam Berry / Getty Images
Epoch Times21. Februar 2019

Im Falle einer Rückkehr der Kinder von IS-Dschihadisten aus Syrien hat eine führende Islamismusexpertin deutlich mehr Kompetenzen für die Jugendämter in Deutschland gefordert, denen derzeit oft die Hände gebunden seien. „Wenn Kinder in einem Terrorgebiet waren, sie von ihren Eltern dort hingebracht und dort aufgezogen wurde, sollte das pauschal zu einem Prüffall für das Jugendamt werden“, sagte Claudia Dantschke von der Organisation Hayat der Nachrichtenagentur afp am Donnerstag.

Jugendämter können nicht einfach losmarschieren und Familien besuchen. Sie brauchen eine rechtliche Handhabe.“

Sie forderte deshalb eine Reform des Jugendschutzgesetzes.

Die Forderung von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), spezielle Hilfen für Kinder und Jugendliche von deutschen Dschihadisten aus Syrien und dem Irak anzubieten, sei „insofern gut“.

Doch so einfach geht das nicht

Das Problem sei aber: „Wenn eine Frau mit ihren Kindern zurückkommt, und es liegt hier nichts gegen sie vor, dann kann man sie auch nicht belangen und sie auch zu keiner Hilfsmaßnahme zwingen“, sagte Dantschke.

Das Kindeswohl muss aktuell gefährdet sein. Man kann nicht sagen: Weil das Kind beim IS war, ist es immer noch gefährdet.“

In einem solchen Fall müsse die Frau das Jugendamt von sich aus um Hilfe bitten. „Da haben die Innenbehörden natürlich Bauchschmerzen, weil es auf Freiwilligkeit beruht“, räumte die Chefin der Beratungsstelle Hayat ein.

Deswegen müssen wir schauen, wie wir an die Familien rankommen.“

Hayat ist eine deutschlandweit arbeitende Beratungsstelle für Islamisten oder deren Angehörige, die sich salafistisch radikalisieren oder sich dem Dschihad anschließen und gegebenenfalls in Konfliktregionen ausreisen. Hayat bietet auch Hilfen zur Deradikalisierung an.

Je nach Fall Druck ausüben – Scheindebatten um ehemalige Dschihadisten

Zu Überlegungen, aus Dschihadisten-Gebieten zurückkehrende Frauen grundsätzlich als potenzielle Gefährderinnen einzustufen, sagte Dantschke:  „Aus Sicherheitsgründen muss je nach Fall punktuell Druck ausgeübt werden.“ Aber Deradikalisierungsarbeit sei immer am erfolgreichsten, „wenn sie auf Freiwilligkeit basiert“.

Die laufende politische Diskussion um die Rückkehrer hält Dantschke für eine Scheindebatte. „In der öffentlichen Debatte wird versucht, auf Zeit zu spielen.“ So sei etwa die Diskussion um eine Aberkennung der Staatsbürgerschaft „gar nicht relevant“. Solch ein Gesetz könne nicht rückwirkend angewendet werden. Auch mache eine aberkannte Staatsbürgerschaft einen Dschihadisten „nicht ungefährlicher“.

Die deutsche Politik versuche zudem Zeit zu gewinnen mit der Behauptung, sie wisse nicht, wer in den Lagern und Gefängnissen in Syrien und im Irak sei, kritisierte Dantschke.

In den vergangenen anderthalb Jahren haben sich die Familien dieser Inhaftierten schon beim Auswärtigen Amt gemeldet, der Bundesnachrichtendienst geht vor Ort ein und aus, hat alle dort schon befragt. Die Familien haben Anfragen über den Suchdienst des Roten Kreuzes gemacht.“

Allein Hayat betreue in Syrien und im Irak 23 Erwachsene aus Deutschland mit insgesamt 37 Kindern. Die Gesamtzahl der dort inhaftierten Deutschen – Erwachsene und Kinder – liege nach Hayat vorliegenden Schätzungen bei „zwischen 100 und 150 Personen“.

Dantschke plädierte für eine Versachlichung der Diskussion. Natürlich sei „die Bevölkerung in Deutschland nicht gerade erpicht drauf, zum IS oder zu Al-Kaida ausgereiste Dschihadisten zurückzuholen“. Es sei auch immer wieder betont worden, dass die Gefahrenlage etwa durch Anschläge nach wie vor bestehe. Einerseits sei die Angst „nicht unberechtigt, aber man kann sie rationalisieren“.

Bisher gebe es „keinen Beleg, dass von den Rückkehrern eine erhöhte Anschlagsgefahr ausgeht“, sagte Dantschke. So sei auch immer wieder pauschal gewarnt worden, Kinder von Dschihad-Rückkehrern seien „potenzielle Zeitbomben“. „Das ist völlig überzogen.“ (afp)



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