Menschen folgen Aufruf zu Anti-AfD-Demos: „Eine Welle des Protests hat dieses Land erfasst“

Ein Bündnis aus Gewerkschafts-, Sozial- und Umweltverbänden hatte nach Veröffentlichung eines Berichts zu einem „Remigrations-Treffen“ zu Demonstrationen „gegen die AfD und für eine wehrhafte Demokratie“ aufgerufen. Epoch Times sprach mit den Teilnehmern in Berlin.
Titelbild
Teilnehmer bei einer Anti-AfD-Demonstration am 21. Januar 2024 in Berlin.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 22. Januar 2024

Mehr als eine Million Menschen haben nach Angaben von Veranstaltern am Wochenende in Deutschland gegen Rechtsextremismus und die AfD protestiert.

Allein in Berlin kamen am Sonntag, 21. Januar, im Berliner Regierungsviertel rund 350.000 Menschen zusammen laut dem Netzwerk Campact und Fridays for Future. Die Polizei gibt für Berlin eine Zahl von über 100.000 Teilnehmern an.

Das Bündnis ZusammenGegenRechts hatte aufgerufen, „ein starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus, für den Schutz unserer Demokratie und gegen die menschenverachtenden Deportationspläne der AfD“ zu setzen. Dem Bündnis gehören auch Gewerkschafts-, Sozial- und Umweltverbände an und der Aufruf folgte der Veröffentlichung eines Berichts des Faktencheckerportals „Correctiv“ zu einem „Remigrations-Treffen“ in Potsdam.

In München sprachen die Veranstalter von rund 250.000 Teilnehmern und die Polizei von 100.000. Die Demonstration am Sonntag in der bayerischen Landeshauptstadt wurde am Nachmittag aus Sicherheitsgründen abgebrochen, da der Veranstaltungsbereich überfüllt war.

Wegen zu großen Andrangs wurde die Demonstration gegen rechts in München abgebrochen.

Wegen zu großen Andrangs wurde die Demonstration in München am 21. Januar 2024 abgebrochen. Foto: Sven Hoppe/dpa

40 Kundgebungen in ganz Deutschland

Zusammen mit den Protesten am Freitag und Samstag errechneten die Organisationen eine Gesamtzahl von 1,4 Millionen Teilnehmern in den verschiedenen deutschen Städten. Laut Medienberichten zählte die Polizei bundesweit über 910.000 Teilnehmer.

Laut Campact gab es allein am Sonntag mindestens 40 Kundgebungen in ganz Deutschland. Campact-Vorstandsmitglied Christoph Bautz sprach von einem „Wochenende der Hoffnung“.

Unter dem Motto „Vielfalt statt Hetze“ rief die Versammlungsmenge in Berlin in lauten Sprechchören, initiiert durch die Moderatoren des Bühnenprogramms: „Ganz Berlin hasst die AfD.“

Viele Teilnehmer bei der Anti-AfD-Demo in Berlin. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

In Berlin strömten am Sonntagnachmittag so viele Menschen, darunter viele Familien mit Kindern, zu der Demonstration, dass die Versammlungsfläche erweitert wurde. U-Bahn-Stationen und Brücken wurden wegen des Andrangs gesperrt. Im Verlaufe der Kundgebung begann ein Aufzug vom Versammlungsort zu starten und durch das Berliner Stadtzentrum zu ziehen.

„Welle des Protests hat dieses Land erfasst“

Gegenüber Epoch Times erklärte Bautz: „Eine Welle des Protests hat dieses Land erfasst, so große Demonstrationen, wie wir es noch nie gesehen haben.“ Viele Menschen würden sagen: „Wir können nicht mehr länger zuschauen, wie die AfD und rechtsextreme Netzwerke hier alles dominieren und die Politik vor sich her treiben.“

Es brauche eine wehrhafte Demokratie und da, wo die AfD verfassungsfeindlich und rechtsextrem sei, müsse sie verboten werden.

Alle Parteien, auch die CDU, müssten jetzt klarmachen, mit solchen Verfassungsfeinden wie der AfD mache man keine Mehrheiten und mache man auch keine Regierung, besonders nicht in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.

Damit spielte Bautz auf die sogenannte Brandmauer gegen die AfD in den deutschen Parlamenten im Vorfeld der dort anstehenden Landtagswahlen an.

„AfD möchte Europa zerstören“

„Ich bin sehr froh, dass viele Menschen unserem Aufruf ganz spontan gefolgt sind“, so Bautz.

Die AfD wolle Europa zerstören und jetzt komme es darauf an, dass alle Wähler zu den Urnen gehen würden. Durch die Europawahl und die drei Landtagswahlen könne man „die Faschisten“ stoppen.

Die streitende Bundesregierung blockiere sich und spare das Land und den gesellschaftlichen Zusammenhalt kaputt. Viele Menschen seien frustriert von der Politik.

Kanzler Olaf Scholz sei in der Ampelregierung aufgerufen, für Veränderung zu sorgen, das Land wieder zu führen und eine gute Politik zu machen. „Denn auch das gräbt Nazis das Wasser ab und bringt Menschen wieder dazu, hinter dieser Demokratie zu stehen und sie zu verteidigen.“

Die Bauernproteste seien eine gute Warnung gewesen: Die Bauern seien bereit für eine gesellschaftliche Transformation, für mehr Tierschutz, für mehr Klimaschutz und für mehr Artenvielfalt. Aber dann müsste die Gesellschaft sie auch unterstützen und sie nicht kaputtsparen.

„AfD sammelt Stimmen von Wutbürgern“

Anne Matthies (62), Psychotherapeutin, ist für die Teilnahme an dem Protest vor dem Deutschen Bundestag extra aus Köln angereist: „Ich bin dagegen, dass die AfD sich so breitmacht und die Demokratie ausgehebelt wird.“ Man müsse sich dagegen wehren.

Sie glaube, dass die hohen Umfragewerte der AfD dadurch zustande kämen, dass sie die ganze Gesellschaft unterwandere und Stimmen von „Wutbürgern“ einsammeln würde.

Demonstration vor dem Reichstag. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

„Ich glaube, die ahnen nicht, wo es nach Ansicht der AfD hingehen soll“, so Matthies. Das sei eine echte Gefahr. Denn die AfD spiele damit, Denkräume zu schließen, sodass alles schwarz-weiß wird und es nur einfache Lösungen gibt. Man wolle starke Führer an der Macht. Dieses Schema bediente sie und es gebe keine differenzierte Meinung und keine konstruktive Streitkultur mehr. „Ich bin darüber besorgt.“

„Antisemitismus und Rassismus nehmen wieder mehr Platz ein“

Seine ganze Generation hat gegen Rechtsextremismus gearbeitet, erklärt der emeritierte Germanistikprofessor Hartmut Eggert (86) aus Berlin gegenüber Epoch Times.

Er habe den Zweiten Weltkrieg miterlebt und danach an der Erinnerungskultur als Schutz vor ähnlichen Verbrechen gearbeitet. Es sei grausam, wenn jetzt Antisemitismus und Rassismus wieder mehr Platz in der Gesellschaft einnehmen würden.

Das gesellschaftliche Engagement für eine parlamentarische Demokratie sei zurückgegangen. Aber der große Zuspruch zu den jetzigen Demonstrationen mache ihm ein wenig Hoffnung.

Anti-AfD-Demo in Berlin. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Die [Volks-]Parteien würden an Zulauf verlieren, was ein allgemeiner Trend in der Gesellschaft sei. „Das betrifft die Kirchen genauso.“ Man engagiere sich punktuell, aber nicht dauerhaft. Sportvereine würden keinen Nachwuchs finden. Man trete auch in keine Partei mehr ein. Er halte es für gefährlich, wenn sich eine Minderheit radikal organisiert und die anderen etwas hilflos dabeistehen.

„Das Volk muss aufstehen“

Olaf Bohn (49) ist mit seiner 13-jährigen Tochter Marla bei der Kundgebung, weil man die Demokratie schützen müsse. Die AfD und Rechtsextreme in anderen Ländern Europas seien grundsätzlich „total demokratiefeindlich“. „Deswegen ist es ganz wichtig, dass das Volk aufsteht.“ Die Presse- und die Demonstrationsfreiheit würde durch die AfD infrage gestellt, erklärte er, ohne konkret zu werden.

Seine Tochter sagte, dass sie heute hier sei, weil sie es wichtig findet, dass auch jüngere Menschen für die Demokratie mit einstehen. Bohn erklärt, er sei in Berlin aufgewachsen, mit ganz vielen Freunden aus aller Welt. „Das soll erhalten bleiben.“

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 22. Januar 2024 mit den aktuellen Angaben der Polizei zu der Anzahl der Teilnehmer aktualisiert.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion