Minister im Kanzleramt: Förderbescheide, Schuldenbremse und „die Mär vom Kaputtsparen“

Wie geht es nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weiter? Darüber laufen weitere Beratungen der Energie- und Wirtschaftsminister von Bund und Ländern.
Es sei nun die Aufgabe, «in Ruhe und konzentriert» einen Weg aus den Finanzierungsnöten zu finden, die das Karlsruher Urteil nach sich zieht, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Es sei nun die Aufgabe, „in Ruhe und konzentriert“ einen Weg aus den Finanzierungsnöten zu finden, die das Karlsruher Urteil nach sich zieht, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times27. November 2023

Robert Habeck (Grüne) erwartet, dass der Wegfall des Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu deutlichen Einbußen beim Wirtschaftswachstum führen wird. „Alleine durch den Wegfall der 60 Milliarden im KTF erwarten wir einen Verlust an Wachstum im nächsten Jahr von einem guten halben Prozentpunkt“, sagte Habeck am Montag nach dem Treffen in Berlin mit den Wirtschafts- und Energieministern der Bundesländer.

Das gehe 2025 und 2026 gegebenenfalls abgeschwächt weiter, sodass „tatsächlich die Substanz der Volkswirtschaft Deutschlands hier verteidigt werden muss“, fügte Habeck hinzu.

Man sei sich einig darin, dass alle Projekte, die im Rahmen des Transformationsfonds erarbeitet wurden, auch möglich gemacht werden sollen. Unternehmen, die Förderbescheide bekommen haben, bräuchten Klarheit, dass diese Förderung auch fließen werde.

Bei der Lösung der Probleme sei man schon „gute Schritte“ vorangekommen, sagte Habeck, ohne weitere Details zu nennen. Die Finanzierung zahlreicher klima- und industriepolitischer Projekte der Ampel steht auf der Kippe – etwa die Ansiedlung von Intel in Magdeburg, TSMC in Dresden oder Northvolt in Heide.

Debatte über Schuldenbremse

Vor den Beratungen wurde über ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse debattiert. Fratzscher sagte, die Bundesregierung solle diese auch im nächsten Jahr aussetzen.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht Gründe, auch 2024 eine Haushaltsnotlage auszurufen. Auf Nachfrage, wie er die Notlage für 2024 inhaltlich begründen wolle, nannte Mützenich in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ den Krieg in der Ukraine und die Lage in Nahost, von der unklar sei, ob sie sich zu einem Regionalkrieg entwickeln werde.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ARD-Sendung „Anne Will“. Er warb für eine Reform der Schuldenbremse. Auch Haseloff sieht Möglichkeiten, eine Notlage zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht habe eine klare Ansage zur Haushaltstechnik gemacht. „Aber bezüglich der politischen Feststellung, was ist eine Notlage, gibt es Spielräume.“

Da im kommenden Jahr drei Landtagswahlen anstehen, sollte verhindert werden, dass aus dieser „Haushaltsnotlage“ eine „Staatskrise“ werde, hob Haseloff hervor.

„Wir schwimmen in Geld“

Bei „Anne Will“ gab es jedoch auch eine andere Stimme. „Es ist einfach eine Mär, dass sich Deutschland kaputtspart“, sagte Julia Löhr. Die Wirtschaftskorrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verweist darauf, dass auch ohne das Geld des Klima- und Transformationsfonds 150 Milliarden Euro für Investitionen in den kommenden vier Jahren zur Verfügung stünden.

Sie erklärte: „Wir schwimmen in Geld“, wobei sie die unübersichtliche Anzahl an Fördertöpfen in den Blick nahm. Die Schuldenbremse zwänge die Regierung dazu, Prioritäten zu setzen – was sie sehr gut fände.

Auch die FDP verteidigt die Schuldenbremse und pocht auf einen klaren Sparkurs zur Bewältigung der Haushaltskrise. Ohne Schuldenbremse würde sich die Bundesregierung die „eigene Handlungsfähigkeit in der Politik wegnehmen“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im ZDF-„Morgenmagazin“.

„Eine solide Finanzpolitik ist in der derzeitigen Situation eines der wichtigsten Instrumente in der Politik insgesamt.“ Von Steuererhöhungen hält der FDP-Politiker nichts, Deutschland sei jetzt schon ein Hochsteuerland, die Menschen müssten entlastet werden.

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch nannte die Schuldenbremse im „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ eine Investitionsbremse, die die Zukunft des Landes gefährde und die soziale Spaltung verschärfe.

Unsicherheit über Förderbescheide

Vor den Beratungen warnte der Ökonom Marcel Fratzscher davor, bereits zugesagte Förderungen zurückzunehmen. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung alle ihre eingegangenen Verpflichtungen ohne Ausnahme erfüllen wird. Denn wenn sie dies nicht tut, wird ein enormer wirtschaftlicher Schaden entstehen“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) den Zeitungen der „Funke-Mediengruppe“.

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sagte, es müsse beraten werden, wie notwendige Zuschüsse finanziert werden können. Es gelte, in Bündnissen auch über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das müssten sich auch CDU und FDP im Bund auf den Zettel schreiben.

Fratzscher sagte, ein erheblicher Teil der versprochenen Förderungen sei für Projekte in strukturschwachen Regionen, allen voran in Ostdeutschland. „Die Bundesregierung sollte umgehend eine Lösung präsentieren, die allen die Sicherheit gibt, dass ihre Versprechen erfüllt werden.“

Auch der Zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft IG Metall, Jürgen Kerner, warnte davor, Förderungen auszusetzen. „Bei den Unternehmen entsteht eine große Verunsicherung mit der Folge, dass Zukunftsinvestitionen ausbleiben“, sagte er ebenfalls den Funke-Zeitungen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte in der ARD-Sendung „Anne Will“, dass sich Scholz nach dem Karlsruher Urteil sofort an ihn und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gewandt habe, um über die Förderungen für Investitionen in der Region zu sprechen. „Und er hat uns klar gesagt, dass er zu diesen Projekten steht und alles dafür tun wird, dass diese kommen. Und wir nehmen den Kanzler da beim Wort.“

Seit der Entscheidung der Richter herrscht Unsicherheit – auch über die Folgen für die Länder. Schleswig-Holstein etwa hatte nach dem Urteil eine Haushaltsnotlage für 2023 und 2024 festgestellt, denn das Bundesland arbeitet seit der Corona-Pandemie auch mit Notkrediten. (dpa/dts/ks)



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