Nach La-Ola für Bauernproteste: Berliner Feuerwehr ermittelt gegen Feuerwehrmänner

Die Begrüßung protestierender Bauern durch Beamte einer Berliner Feuerwache hat disziplinarische Untersuchungen wegen Verstoßes gegen das Mäßigungsgebot zur Folge. Die Gewerkschaft der Feuerwehr äußert darüber Unverständnis, ebenso wie Nutzer sozialer Medien.
Titelbild
Die Berliner Feuerwehr.Foto: DAVID GANNON/AFP via Getty Images
Von 24. Januar 2024

In Berlin ist eine Kontroverse rund um eine Solidaritätsbekundung einer Feuerwehr mit den Bauernprotesten ausgebrochen. Am Abend des Sonntags, 14.1., hatten beamtete Einsatzkräfte der Feuerwache Wittenau in ihren Traktoren über die Roedernallee in Richtung Mitte fahrende Bauern begrüßt. Dies soll eine Verletzung des Neutralitätsgebots und möglicherweise sogar eine Straftat dargestellt haben.

Feuerwehr sieht sich zu Ermittlungen verpflichtet

Ein Video der Aktion, das sich über X und andere soziale Medien verbreitete, zeigt den Vorfall. Die Tore der Wache waren geöffnet, Blaulicht und Martinshörner waren eingeschaltet, ein Feuerwehrmann in Dienstkleidung trat heraus. Er jubelte den Landwirten zu und deutete eine La-Ola-Welle an.

Schon wenig später kündigten die Innenverwaltung des Berliner Senats und die zuständige Fachabteilung der Feuerwehr in der Bundeshauptstadt selbst an, den Sachverhalt prüfen zu wollen. Wie ein Sprecher der Feuerwehr gegenüber der „Welt“ mitteilte, seien „Beschwerden eingegangen“. Darob sei man sogar verpflichtet, der Angelegenheit nachzugehen.

„Staatliche Hoheitsmittel zweckfremd eingesetzt“

Auf Druck des Innenressorts unter Senatorin Iris Spranger soll die Führung der Feuerwehr nun mögliche disziplinarrechtliche Schritte prüfen. So soll die Aktion das beamtenrechtliche Neutralitätsgebot und die Mäßigungspflicht im Dienst verletzt haben. In Rede steht auch eine mögliche Straftat – offenbar „Missbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln“.

In der „Welt“ erklärt der Potsdamer Professor für öffentliches Recht, Thorsten Ingo Schmidt, dass die Vorwürfe sogar berechtigt sein könnten. So seien die beamteten Feuerwehrleute in Uniform und damit als Staatsdiener aufgetreten. Die Sirenen seien „staatliche Hoheitsmittel“, die Feuerwehrleute hätten sie „zweckfremd eingesetzt“.

Außerdem liege sogar ein Dienstvergehen vor. Sonderrechte wie Sirenengeheul dürften nur „unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgeübt werden. Dadurch, dass sie dies nicht beachtet hätten, hätten die Feuerwehrleute auch ein Dienstvergehen begangen.

Bauernpräsident spricht von „schöner Geste“ gegenüber den Landwirten

Der stellvertretende Landesbranddirektor, Per Kleist, appellierte in einem Rundschreiben mittlerweile noch einmal an alle Mitarbeiter, „entsprechend der Gesetze und Vorgaben“ zu handeln. Insbesondere wolle er, so heißt es darin, „hier das Mäßigungsgebot und die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht hervorheben“.

Der Umstand, dass sich Feuerwehrleute in Dienstkleidung zu den Beifallsbekundungen hätten hinreißen lassen, habe dazu geführt, dass das Video „von Dritten instrumentalisiert“ werden könnte. Immerhin habe es in sozialen Medien „eine Eigendynamik entwickelt“.

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hingegen sieht kein Problem in dem Gruß vonseiten der Feuerwehrleute. Die Sympathiebekundung sei eine „schöne Geste gegenüber unseren Bäuerinnen und Bauern“. Außerdem hätten die Feuerwehrleute sich nicht in einem Einsatz befunden.

Gewerkschaft der Feuerwehr spricht von Solidarisierungseffekten

Auch die Gewerkschaft der Feuerwehr fordert nun, die Kirche im Dorf zu lassen. Landesvize Manuel Barth spricht von einem „völlig übertriebenen Reflex der Buße“ vonseiten der Führung der Feuerwehr. Man wolle so „jedem Verdacht entgehen, sich mit etwas gemein zu machen“.

Deshalb seien „Solidarisierungseffekte beobachtbar, die immer dann besonders zutage treten, wenn riesige Ungerechtigkeit empfunden wird“. Die Anstrengungen der Behördenleitung, die Beteiligten „doch irgendwie mit einer Repressalie zu überziehen“, sei „schon bemerkenswert“, äußerte Barth gegenüber dem „Tagesspiegel“.

Er würde sich „dieselbe Energie für vernünftige Kommunikation und Mitarbeiterführung wünschen“. Doch es werde „händeringend ein Vergehen“ herbeigeführt, weil der Mitarbeiter „dem Grundrecht zur Demonstration zuwinkt, ohne seine eigene Dienstbereitschaft einzuschränken“, so Barth.

Neutralität scheint in Berlin nicht immer gleich wichtig zu sein

Das Land Berlin hat bisherigen Erfahrungen zufolge der beamtenrechtlichen Neutralität und dem Mäßigungsgebot in eher uneinheitlicher Weise Bedeutung zugemessen. So strikt, dass man sogar Urteile des Bundesverfassungsgerichts infrage gestellt hatte, handhabte man in mehreren Fällen den Umgang mit Kopftuch tragenden Frauen im Staatsdienst.

Demgegenüber sind keine Fälle bekannt, in denen Lehrer diszipliniert worden wären, die mit ihren Schülern Demonstrationen von „Fridays for Future“ besucht hatten. Auch bezüglich der Regenbogenbeflaggung an öffentlichen Gebäuden sah man regelmäßig keinen Anlass für eine übermäßig restriktive Auslegung der Neutralitätspflicht.

In sozialen Medien ist vielfach Solidarität mit den Feuerwehrleuten zu verzeichnen. Dass ein solcher Vorfall zum Anlass für ein Disziplinarverfahren genommen wird, halten X-Nutzer für nicht nachvollziehbar.

Ein Journalist der „Berliner Zeitung“ liefert den Feuerwehrleuten eine mögliche Rechtfertigungsstrategie, um disziplinarrechtliche Vorwürfe auszukontern.



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