Fragen an Jörg Kachelmann: Wie reißerisch sind deutsche Wettervorhersagen?

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Sonnenanbeter am Starnberger See in Bayern warteten vergeblich auf die angesagte Hitze.Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Image

Jörg Kachelmann höhnte am Dienstag, dem 5. Mai, gegenüber einigen Wetter-Kollegen über „Vollpfostenjournalismus“. Diese hatten für manche Regionen in Bayern bis zu 33 Grad vorhergesagt – „Sahara-Wetter“ titelte die Mittelbayerische. Kachelmann gab sich kritisch bis zynisch: „Heute jung fragen, morgen alt aussehen“ oder „25 Grad ist natürlich auch ein schöner Wert für einen Tag mit Saharahitze“, twitterte er und bezog sich dabei auf den Meteorologen Dominik Jung, der die Vorhersage gab.

Wir haben mit dem Diplom-Meteorologen über die Qualität der deutschen Wettervorhersage, den „Vollpfostenjournalismus“ und den kommenden Sommer gesprochen.

Herr Kachelmann, wie ist es um die Qualität der Wettervorhersagen in Deutschland bestellt?

Jörg Kachelmann: Sie war schon mal besser, zumindest was das betrifft, was die meisten Leute sehen. Die Qualität, vor allem der voreingestellten Apps in den Smartphones, ist oft furchtbar und für viele Menschen ist das eben „die Wettervorhersage“. Dazu kommt, dass in den Online-Medien die unseriösen Scharlatane der Branche das Feld dominieren, weil eben unseriöser Stuss wie „Das wird ein Grusel-Sommer“ mehr Klicks generiert als „Niemand weiss, wie der Sommer wird“.

Finden Sie, die Medien nutzen Wettervorhersagen, um zu dramatisieren?

Kachelmann: 80 Prozent aller Wettergeschichten in den Online-Medien sind fehlerhaft bis falsch, oft bewusst und gezielt irreführend. Aber es bringt eben Klicks, die Währung des Online-Journalismus.

Auf Ihrer Facebook-Seite ist die Diskussion ausgebrochen, wie viel Abweichung bei der Temperatur für einen Meteorologen im Normbereich ist. Welche Erfahrungswerte haben Sie?

Kachelmann: Ja, ich habe mit Amüsement in der „Mittelbayerischen“ nach deren Sahara-Vorhersage-Flop gelesen, dass es auf die paar Grad nicht ankäme. Auch das ist natürlich völliger Blödsinn, gerade Energiekunden erwarten heute Vorhersagen mit einer Abweichung von weniger als einem Grad, das ist wichtig für die Planung und für Senkung der Kosten.

Sie benutzen häufig die Hashtags #vollpfostenjournalismus und #vollpfostenmeteorologie. Wie sieht Ihrer Meinung nach eine vernünftige Wettervorhersage aus?

Kachelmann: Eine, die die Grenzen der modernen Meteorologie anerkennt: Manchmal wissen wir schon nach zwei Tagen nicht mehr, was passiert, manchmal wissen wir, dass es in zwei Wochen wahrscheinlich sehr heiß wird. Es ist jeden Tag anders und eine festgetackerte Welt, in der es immer Symbole und Temperaturen für 10 Tage im Voraus gibt, hat nichts mit der Realität zu tun.

Zum Thema Langzeitprognosen: Ab wann kann man eine valide Aussage über den kommenden Sommer treffen?

Kachelmann: Man muss es irgendwann mal auch in Deutschland einsehen: Niemand weiß im Frühling, wie der Sommer wird. Auch der Hundertjährige Kalender ist völliger Blödsinn, er behauptet, dass sich das Wetter aus einem fränkischen Kloster alle sieben Jahre wiederholen würde. Es frustriert mich immer wieder, wie Leute so etwas auch nur in Betracht ziehen können.

Das Gespräch führte Meike Stephan / Gastautorin




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