Trotz Steuerentlastungen ärmer? Geringverdiener durch indirekte Abgaben belastet

Höhere Grundfreibeträge und ein Ende der kalten Progression sollen Steuerzahler um bis zu 35 Prozent entlasten, verspricht die Bundesregierung. Berechnungen des IW zeigen jedoch: Bei Geringverdienern wiegen indirekte Abgaben den Effekt häufig auf.
Um die Folgen verschiedener Krisen für die Beschäftigten zu lindern, hatte die Bundesregierung mit Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart, in den Jahren 2023 und 2024 tarifliche Sonderzahlungen bis zu einer Höhe von 3000 Euro steuer- und abgabenfrei zu stellen.
Indirekte Abgaben werden 2024 in vielen Fällen Steuervorteile auffressen.Foto: Hannes P. Albert/dpa
Von 4. Januar 2024

Glaubt man den Zusicherungen der Bundesregierung, sollte der größte Teil der Bevölkerung 2024 trotz der geplanten haushaltspolitischen Maßnahmen der Ampel durchatmen können. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) handelt es sich bei den beabsichtigten Belastungen „nur um Centbeträge“. Stattdessen stellt Bundesfinanzminister Christian Lindner in Aussicht, dass sich Steuerpflichtige auf Entlastungen um bis zu 35 Prozent freuen könnten.

Ohne indirekte Abgaben wäre Entlastung durch Steuererleichterungen zu spüren

Möglich machen soll es in erster Linie das Entlastungspaket, das die Ampel auf Betreiben des FDP-Chefs bereits im Herbst 2022 geschnürt habe. Dieses sorge nicht nur für höhere Freibeträge. Auch die kalte Progression sei durch eine entsprechende Anpassung der Steuertarife an die Inflationsrate ausgehebelt. Erst im Bereich der „Reichensteuer“ ab einem Jahresverdienst von 277.826 Euro greife dies nicht.

Tatsächlich lassen die Veränderungen im Bereich der Einkommensteuer auf den ersten Blick Erleichterungen erkennen. Seit Jahresanfang gilt ein Grundfreibetrag von 11.604 statt wie bisher 10.908 Euro. Die Kinderfreibeträge erhöhen sich um 360 auf 9.312 Euro pro Kind.

Einer Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge, über die der „Focus“ berichtet, sorgt dies für spürbare Entlastungen bei Singles und Familien. So sollen einem Single mit einem Jahresbruttoeinkommen von 30.000 Euro am Ende des Jahres 297 Euro mehr verbleiben. Bei 50.000 seien es sogar 465 Euro. Familien mit zwei Kindern hätten bei einem Haushaltseinkommen von 42.000 Euro 470 Euro mehr in der Tasche.

Erst ab etwa 70.000 Euro Jahreseinkommen schlagen Entlastungen durch

Auch die Aussagen von Minister Habeck treffen zu: Bei der höheren Bepreisung von CO₂, bei den steigenden Strompreisen aufgrund höherer Netzentgelte und auch bei der Plastikabgabe geht es pro Bezugseinheit nur um Centbeträge. Zudem betreffen die Mehrbelastungen bei der Lkw-Maut die Verbraucher nur indirekt – und mit 19 Prozent Mehrwertsteuer im Gastgewerbe kehrt nur der Status quo ante wieder zurück.

Dennoch steigen vor allem Gering- und Durchschnittsverdiener am Ende schlechter aus als zuvor. Dies hat das IW errechnet – und dabei alle indirekten Steuern und Abgaben einbezogen, die auf die Bürger 2024 zukommen werden. Zudem berücksichtigten sie auch die seit 1. Juli 2023 geltende Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung. Einige Krankenkassen werden auch eine Anpassung nach oben im Bereich des Zusatzbeitrags vornehmen.

Durchschnittshaushalte, so das IW, hätten gegenüber dem Vorjahr mit Einbußen zwischen fünf und 144 Euro zu rechnen. Bei einem Singlehaushalt würden die Vorteile bei der Einkommensteuer erst ab einem Jahresbrutto von 72.000 Euro die höheren indirekten Abgaben überragen.

Bei Familien seien die Einbußen vergleichsweise geringer, allerdings machten sich die Steuervergünstigungen auch erst ab einem Haushaltseinkommen nahe 70.000 Euro jährlich bemerkbar.

Klimageld würde den negativen Effekt indirekter Abgaben in den meisten Fällen ausgleichen

In die Berechnung gingen höhere Sozialbeiträge, der CO₂-Preis sowie die Erhöhungen von Strom- und Gaspreis ein. Nicht berücksichtigt waren etwa die Effekte der höheren Lkw-Maut, der Plastikabgabe oder des Wegfalls von Steuervergünstigungen für Landwirte. Dabei ist damit zu rechnen, dass auch diese einen spürbaren Effekt auf das Alltagsleben der Bürger haben werden – vor allem beim Einkauf.

Wie das IW deutlich macht, treffen die Teuerungseffekte vor allem Gering- und Normalverdiener. Dies liegt zum einen daran, dass die Konsumquote bei diesen höher ist. Sie geben mehr von ihrem verfügbaren Einkommen für Güter des täglichen Bedarfs aus. Es bleibt weniger zum Sparen übrig – und damit etwa weniger an Möglichkeiten, Inflation durch Rendite auszugleichen.

Außerdem können sie sich nicht so leicht von den zunehmenden politisch herbeigeführten Belastungen bei Strom und Gas befreien – etwa durch den Ankauf einer Wärmepumpe oder Installation einer Photovoltaikanlage.

Das IW mahnt deshalb die bereits seit Längerem angekündigte Einführung eines Klimageldes an. Dieses soll die Einnahmen aus der CO₂-Abgabe auf alle Bürger des Landes verteilen. In den meisten Fällen würde dies ausreichen, um die Mehrbelastungen aus indirekten Abgaben auszugleichen. Die Bundesregierung arbeitet eigenen Angaben zufolge jedoch noch an der technischen Umsetzung. Erst 2025 könne man mit einer Auszahlung rechnen.



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