Wehrpflicht „unausweichlich“? Mehrheitlich befürworten diese nur Männer unter 30

Nur 46 Prozent aller Erwachsenen, aber 58 Prozent der unter 30-jährigen Männer in Deutschland, würden die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht für Männer und Frauen begrüßen. Das geht aus einer von „Greenpeace“ beauftragten Umfrage hervor.
Auch der Reservistenverband spricht sich für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus: «Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht zu verteidigen, (...) wenn wir keine Wehrpflicht haben.»
Mit geputzten Stiefeln zum Appell antreten? 55 Prozent der unter 30-jährigen Männer in Deutschland würden es heute angeblich tun.Foto: Sina Schuldt/dpa
Von 16. Februar 2023

Eine Mehrheit der jungen Männer in Deutschland ist offenbar für die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht für Männer und Frauen. Das Gros aller deutschen Männer und Frauen lehnt entsprechende Ideen ab.

Nach einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Kantar im Auftrag von Greenpeace Deutschland unter 1.013 volljährigen Personen sagen zurzeit 58 Prozent der unter 30-Jährigen, dass sie eine allgemeine Wehrpflicht wieder einführen würden. Mit 69 Prozent ist der Anteil der jungen FDP-Wähler besonders hoch, gefolgt von den SPD-Anhängern (55 Prozent). Bei den AfD-Wählern wäre nur genau jeder Zweite in der Gruppe U30 dafür. Auf mehrheitliche Ablehnung stößt die Idee bei Anhängern der Grünen oder Linken, die jünger als 30 sind.

Auch persönlich eine Zeit lang in Soldatenuniform dienen – dazu wären laut Umfrage unter den Männern im Alter bis zu 29 Jahren 55 Prozent bereit. Ihre Altersgenossinnen dagegen würden den Dienst an der Waffe zu zwei Dritteln (67 Prozent) ablehnen.

Die Gesamtheit aller befragten Erwachsenen sprach sich zu 50 Prozent gegen eine allgemeine Wehrpflicht für Männer und Frauen aus. 46 Prozent aller Umfrageteilnehmer würden sie dagegen begrüßen.

Die Menschen in den östlichen Bundesländern stehen einer Einführung noch etwas skeptischer gegenüber als jene im Westen.

Reservistenverband verlangt Wehrpflicht, Pistorius favorisiert Dienstpflicht

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich erst kürzlich gegen die Wiedereinführung einer Wehrpflicht, aber für eine allgemeine „Dienstpflicht“ starkgemacht. Diese könne er sich zur „Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten“ vorstellen, sagte Pistorius dem ZDF.

Vor einer Entscheidung aber müsse die Meinung der „jüngeren Menschen“ eingeholt werden, stellte Pistorius klar. Angesichts der steigenden laufenden militärischen Kosten sei schon jetzt klar, dass „die Bundeswehr besser ausgestattet werden“ müsse – auch finanziell, meint der Sozialdemokrat. Dafür müsse der Verteidigungshaushalt erhöht werden.

Der Präsident des Reservistenverbands, Patrick Sensburg, hält Pistorius‘ Pläne einer Dienstpflicht zwar für grundsätzlich richtig, plädierte aber auch für eine Neuauflage der Wehrpflicht. Anders ließe sich die „ureigenste Aufgabe der Bundeswehr“, nämlich die Landesverteidigung, nicht dauerhaft aufrechterhalten. Zurzeit gebe es nur rund 200.000 aktive Soldaten und 30.000 Reservisten, gab Sensburg nach Informationen der „Welt“ zu bedenken. Zur Landesverteidigung benötige man allerdings mindestens 350.000 Soldaten und 1,2 Millionen auf Reserve. Eine Wehrpflicht sei deshalb „unausweichlich“.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, würde nach Informationen der „Welt“ am liebsten eine Wehrpflicht sehen, die aber nur als Option einer allgemeinen Dienstpflicht eingeführt werden sollte. Denn die Bundeswehr sei längst gar nicht mehr darauf eingerichtet, regelmäßig ganze Jahrgänge zur Grundausbildung aufzunehmen. „Das bekommen wir in unserer Struktur und mit unserem Etat nicht mehr hin“, so Zorn. Besser finde er es deshalb, wenn ein Pflichtjahr „für alle sozialen Dienste in der Zivilgesellschaft“ einschließlich der Bundeswehr eingeführt würde. Für politisch realistisch halte er das aber derzeit nicht, erklärte Zorn im ZDF.

Die allgemeine Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) unter der Regierung Merkel ausgesetzt worden. Damit versiegte bis heute nicht nur der Nachschub an Soldaten, sondern auch an Zivildienstleistern.

Knappe Minderheit für größeren Verteidigungsetat

Bei der Frage, ob die Bundeswehr weitere 200 Milliarden Euro bekommen sollte, damit sie nicht nur mit dem bereits verabschiedeten 100 Milliarden Euro Sondervermögen und ihrem regulären Jahresbudget auskommen müsste, lag das Nein-Lager laut Kantar-Befragung mit 48 Prozent vor den Befürwortern: 43 Prozent würden tatsächlich gerne noch mehr Geld dem deutschen Militär zur Verfügung stellen.

Rund zwei Drittel (66 Prozent) gehen allerdings davon aus, dass eine solche Ausgabenerhöhung weniger Geld für andere Haushaltsposten bedeuten würde.

Das sieht auch Greenpeace Deutschland so und lehnt deshalb eine weitere Milliarden-Finanzspritze für Soldaten, Waffen und Gerät ab: Jeder Euro für die Bundeswehr könne nicht für den „Klimaschutz“ oder Soziales ausgegeben werden.

2022 hatte die Bundesregierung rund 50,4 Milliarden Euro des Haushalts für die laufenden Kosten der Verteidigung bereitgestellt – ein Plus von 3,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr.

Diplomatischer Vorreiter ja, militärischer Vorreiter nein

Ziemlich deutlich reagierten die von den Kantar-Meinungsforschern Befragten auf die Vorstellung, dass Deutschland eine militärische Führungsrolle in der Europäischen Union (EU) übernehmen könnte. Fast zwei Drittel (64 Prozent) lehnen diese Idee ab. „Selbst von den Anhänger:innen von CDU und CDU sind 59 Prozent dagegen, bei der SPD sind es 75 Prozent“, betonte Greenpeace auf seiner Website. Nur 31 Prozent seien parteiübergreifend dafür.

Genau drei von vier der befragten Erwachsenen würden es dagegen begrüßen, wenn Deutschland eine diplomatische Führungsrolle in der EU übernehmen würde. 22 Prozent halten nichts davon.

Thomas Breuer, der Leiter des Bereichs Frieden bei Greenpeace Deutschland, zog aus den Daten den Schluss, „dass die Menschen in Deutschland den Fokus auf militärischer Dominanz skeptisch sehen“ und „eine diplomatische Führungsrolle Deutschlands“ favorisieren würden. Als Anlass für die Umfrage hatte „Greenpeace“ das jährliche Treffen von Spitzenpolitikern und -militärs auf der Münchner Sicherheitskonferenz genannt. Das traditionsreiche Treffen findet vom 17. bis zum 19. Februar im Luxushotel Bayerischer Hof statt.

Knappe Mehrheit will Ukraine-Lösung am Verhandlungstisch

Eine andere Umfrage zum Thema „NATO-Truppen oder Diplomatie für die Ukraine?“ war erst vor wenigen Tagen veröffentlicht worden. Nach Informationen des INSA-Meinungsforschungsinstituts würde eine Mehrheit der Bürger in Deutschland demnach eine Lösung am Verhandlungstisch vorziehen: 53 Prozent hoffen, dass der Ukraine-Krieg auf dem diplomatischen Parkett beendet wird. Die Frauen wünschen sich das sogar zu 60 Prozent. Unter den Männern setzen 45 Prozent auf eine Verhandlungslösung – mehr als bei jeder anderen der von INSA vorgegebenen Optionen. Acht Prozent der Befragten wollten lieber überhaupt keine Angaben zu ihrer favorisierten Lösung für den Ukraine-Krieg machen.

[Mit Informationen aus Agenturen]



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion