Giffey offen für GroKo – Warten auf den CDU-Landesverband

Am Nachmittag des 2. März kann der CDU-Landesvorstand Berlin grünes Licht über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der SPD geben. Die Zustimmung für eine GroKo gilt als sicher.
Wer regiert mit wem? CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner (l) und Berlins Regierende Bürgermeinsterin Franziska Giffey (SPD) sondieren.
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner (l.) löst demnächst wohl Franziska Giffey (SPD, r.) als Regierender Bürgermeister von Berlin ab (Archivbild).Foto: Annette Riedl/dpa
Von 2. März 2023

Das Land Berlin wird bis 2026 höchstwahrscheinlich von einer schwarz-roten Koalition geführt werden. Kai Wegner (CDU), der wahrscheinliche neue Regierende Bürgermeister, kündigte an, seinen Landesvorstand am 2. März um die Erlaubnis zu bitten, mit der SPD über das Bündnis und einen neuen Senat verhandeln zu dürfen. Die Berliner CDU-Spitze wird sich dafür am späten Nachmittag zu einer Sondersitzung treffen. Die Zustimmung gilt verschiedenen Medienberichten zufolge als sicher.

SPD-Landesverband für Koalitionsgespräche

Wegners Amtsvorgängerin Franziska Giffey (SPD) hatte sich die Zustimmung bei ihrem Landesverband bereits am Mittwoch abgeholt: 25 Sozialdemokraten stimmten dafür, 12 dagegen. Giffey begründete ihr favorisiertes Bündnis mit dem „Respekt vor dem Wahlergebnis“.

Man müsse „ernst nehmen“, dass die bisherige rot-rot-grüne Koalition bei der Wiederholungswahl vom 12. Februar rund 250.000 Stimmen eingebüßt habe. Dabei gehe es auch um die Glaubwürdigkeit der SPD: „Es ist ein Weg, der zeigt, dass wir verstanden haben“, so Giffey nach Information der „Welt“.

Ihre Partei bezweifle, dass es mit einem „echten Neubeginn“ in Berlin klappen könnte, wenn man die alte Koalition fortführen würde, sagte Giffey in der „Abendschau“ des „Rundfunks Berlin-Brandenburg“ (rbb). Bei den bisherigen Sondierungsgesprächen habe es „mehr Schnittmengen“ mit der CDU als mit den bisherigen Partnern Grüne und Linke gegeben. Diese Gemeinsamkeiten sehe sie beispielsweise beim Wohnungsbau sowie bei den Themen Ordnung und Sicherheit. Letztlich gehe es um eine „funktionierende Stadt“.

Rot-rot-grün kein „belastbares Projekt“ mehr

Die SPD-Sondierungskommission hatte laut „Welt“ zuvor gegenüber dem SPD-Landesverband erklärt, dass die amtierende rot-rot-grüne Koalition für sie kein „gemeinsames, dauerhaftes und belastbares Projekt darstellt, das mit hinreichender Sicherheit bis 2026“ trage.

Die Bereitschaft zu Kompromissen vorausgesetzt, habe man „in allen Bereichen große Schnittmengen festgestellt“. Zudem erwarte man „geringere Reibungsverluste“ und eine „verbesserte Profilbildung“ bei einem Regierungsbündnis aus nur zwei Parteien.

Die Sondierungskommission empfahl, den schwarz-roten Koalitionsvertrag noch per Mitgliedervotum absegnen zu lassen. Nach Informationen der „Welt“ sind die Berliner Jusos und einige Kreisverbände nicht mit dem Koalitionsangebot gegenüber der CDU einverstanden.

Giffey demnächst „Super-Senatorin“?

Giffey war nach der Wahl im Dezember 2021 Regierende Bürgermeisterin geworden. Da die Wahl am 26. September 2021 aber nicht regelgerecht abgelaufen war, wurden die Berliner am 12. Februar 2023 erneut an die Urnen gerufen. Die Wiederholungswahl kostet Giffey nun ihr Amt.

Welche Funktion die Sozialdemokratin in der GroKo übernehmen wird, ist noch unklar. Wie die „Welt“ berichtet, könnte sie „eine Art ,Super-Senatorin‘ mit umfassenden Zuständigkeiten“ werden.

Die Ex-Regierungschefin Berlins wäre jedenfalls offen für einen Senatsplatz: „Ich bin bereit, auch als Senatorin meinen Beitrag dazu zu leisten, dass gute Regierungsarbeit gelingt“, betonte Giffey im rbb. Auf jeden Fall wolle sie sich weiter für soziale Gerechtigkeit, eine starke Wirtschaft und die ökologische Entwicklung Berlins einsetzen. Sie habe zuvor immer gesagt, dass sie „nicht an ihrem Amt“ klebe.

Gegenüber der „Zeit“ hatte Giffey ihrer Bestürzung über bislang ungekannten Ausmaß an „Hass und Hetze“ Ausdruck verliehen, die nach dem Wahltag über sie hereingebrochen seien. Es gebe inzwischen eine „Verachtung gegenüber Menschen, die sich entschieden haben, Politik zu machen“, erklärte Giffey.

22 Jahre Warten

Sollte es zu einer Großen Koalition kommen, wäre eine lange Durststrecke für die CDU Berlin nach 22 Jahren zu Ende. Zuletzt hatte mit Eberhard Diepgen 2001 ein Christdemokrat an der Spitze des Landes gestanden.

Diepgen hatte zwischen 1984 und 1989 und noch einmal von 1991 bis 2001 das Amt des Regierenden Bürgermeisters inne. Auf ihn folgten die Sozialdemokraten Klaus Wowereit (2001–2014), Michael Müller (2014–2021) und zuletzt Franziska Giffey.

Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und Grünen

Nach dem 12. Februar hatte es 15 Tage gedauert, bis am 27. Februar das amtliche Endergebnis der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus endlich vorlag. Denn es hatte erneut Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenzählung in den Wahllokalen gegeben.

Inzwischen aber steht fest, dass ein knapper Vorsprung von 53 Zweitstimmen den Ausschlag für die SPD als zweitstärkste Kraft gab. Für die Grünen bedeutete das Ergebnis das schlechteste Abschneiden in Berlin seit ihrem Bestehen.

  • CDU: 28,2 Prozent (52 Sitze, 428.228 Stimmen)
  • SPD: 18,4 Prozent (34 Sitze, 279.017 Stimmen)
  • Grüne: 18,4 Prozent (34 Sitze, 278.964 Stimmen)
  • Linke: 12,2 Prozent (22 Sitze, 185.119 Stimmen)
  • AfD: 9,1 Prozent (17 Sitze, 137.871 Stimmen)
  • FDP: 4,6 Prozent (70.416 Stimmen, nicht mehr im Parlament vertreten)

Reaktionen der Wahlverlierer

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch zeigte sich nach Informationen der „Welt“ enttäuscht über Giffeys Entscheidung pro CDU. „Die Gespräche für eine ökosoziale Zukunft Berlins waren auf einem guten Weg. Unüberbrückbare Differenzen gab es keine“, sagte Jarasch. „Nun hat sich Franziska Giffey gegen die Fortsetzung einer progressiven Politik für Berlin ausgesprochen.“

Die Linken-Landeschefin Katina Schubert befürchtet einen sozialen und gesellschaftlichen „Rollback“, wenn nun „mit der rückwärtsgewandten CDU“ zusammengearbeitet werde.

Nun müssen sich Grüne und Linke in Berlin also wohl einige Jahre lang mit der Oppositionsrolle zufriedengeben.

[Mit Informationen aus Agenturen]



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