Hessen zieht nach: Landesregierung will in Kernfusionstechnologie investieren

Die Landesregierungen in Bayern und Hessen wollen das Thema Kernfusion voranbringen. Die hessische Landesregierung kündigte jüngst an, demnächst ebenfalls einen Forschungsreaktor für die Kernfusion finanzieren zu wollen.
An der Kernfusion wird seit Jahrzehnten geforscht. Der große Durchbruch fehlt noch, doch in nicht ferner Zukunft könnte es soweit sein.
Das Symbolbild zeigt eine Laboranlage, mit der die Machbarkeit einer Kernfusion erforscht wird. Der große Durchbruch lässt seit Jahrzehnten auf sich warten.Foto: Sven Hoppe/dpa
Von 3. Januar 2024

Während die Ampel sich trotz horrender Strompreise nicht zu einem Wiedereinstieg in die „klimafreundliche“ Atomkraft durchringen kann, beschäftigt sie sich weiter mit dem Thema Kernfusion. Auch das Land Hessen sieht hier die Zukunft der Kernenergie. Wie die „Bild“ als erstes Medium berichtet hatte, will die neue schwarz-rote Landesregierung um Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) „demnächst einen Forschungsreaktor für die Kernfusion bauen“.

„Es wird Zeit, dass wir wieder in Zukunftsprojekte einsteigen, anstatt überall nur auszusteigen“, habe Rhein im Gespräch mit der „Bild“ geäußert. Zudem habe er „mehr technologischen Fortschritt und weniger Technologiefeindlichkeit in der Politik“ gefordert. Immerhin gehe es um „eine saubere und bezahlbare Energiequelle der Zukunft“.

Einzelheiten unklar

Über den möglichen Standort, die Kosten und die Gegenfinanzierung konnte Katja Gehrmann, die Pressesprecherin der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, auf Anfrage der Epoch Times noch keine Angaben machen. Die Legislaturperiode beginne erst am 18. Januar 2024.

Gehrmann bestätigte allerdings, dass die Regierung Rhein das Land Hessen zum „Leitstandort für Innovationen bei Energieerzeugung und -speicherung“ und zum „Leitstandort für innovative Energieforschung“ machen wolle.

Vor allem „in den Bereichen laserbasierte Kernfusion, erneuerbare Energien und Speichertechnologien“ strebe man eine Führungsrolle an. „Wir bauen dafür ein Exzellenzcluster ‚Energie 2040‘ in Zusammenarbeit mit dem ‚House of Energy‘ und dem ‚Fraunhofer Institut IEE‘ auf“, versprach die Pressesprecherin unter Verweis auf den aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD (PDF-Datei, ab Seite 134). Dort heißt es weiter:

Beispielhaft sollen die Nutzungsmöglichkeiten von geothermischen Anlagen, Flusswärmepumpen, Solarthermie, Windkraftanlagen, Agri-PV, Floating-PV, Lastmanagement, modernsten Speichersystemen, Materialtechnologie im Zusammenhang mit der Wasserstoffanwendung, oder laserbasierten Kernfusion erforscht werden.“

CDU Hessen für „Reallabore der Energiewende“

Die Landesregierung mache sich auch auf Bundesebene „für gesetzliche Regelungen“ stark. Das Ziel sei, „Forschungsvorhaben für die Kernfusion künftig leichter“ zu ermöglichen. Derzeit prüfe man, wie es gelingen könnte, „besonders innovative Vorhaben in den hessischen Regionen als Reallabore der Energiewende zu entwickeln“.

Nach Angaben der „Bild“ unterstützt die hessische Landesregierung das im Juli 2022 gegründete Start-up „Focused Energy“ in Darmstadt bereits „mit knapp 3 Mio. Euro“. Laut „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ, Bezahlschranke) will das junge Forschungsunternehmen das Thema lasergetriebene Kernfusion „vorantreiben und kommerzialisieren“. „Focused Energy“ sei aus der Technischen Universität Darmstadt hervorgegangen. Es beziehe einen großen Anteil seines Budgets von privaten Investoren.

„Wir gehen davon aus, dass wir in zehn Jahren eine erste Demonstrationsanlage fertig haben werden, mit der wir nicht nur zeigen können, dass Fusion funktioniert, sondern auch Energie erzeugen können“, sagte der Darmstädter Physiker Prof. Markus Roth, einer der Gründer von „Focused Energy“, nach Informationen der „Hessenschau“. Bis der erste Strom ins Netz gelange, werde es aber wohl bis Ende der 2030er-Jahre dauern. Das „Fraunhofer-Institut für Lasertechnik“ dagegen gehe allein von mehr als zehn Jahren aus, die es brauchen werde, bis der erste „Fusionsdemonstrator“ fertig sei.

Ministerpräsident Rhein hatte nach Informationen der „ZEIT“ bereits Ende Mai auch „Gauss Fusion“ mit Standort Hanau ins Spiel gebracht. Dieses Unternehmen will nach Angaben der „Hessenschau“ bis 2045 ein funktionsfähiges „Magnetfusionskraftwerk“ bauen. Sowohl die Forscher in Hanau als auch jene in Darmstadt verdienten zumindest „innovationsfreundliche Rahmenbedingungen“, meinte Rhein. Seinen generellen Standpunkt zur Kernfusion habe er mit den Worten dargelegt:

Nur wenn Energie jederzeit verfügbar ist und für jedermann bezahlbar bleibt, werden wir unseren hohen Wohlstand und den sozialen Frieden in unserem Land sichern. Und erst dann werden wir unser Land klimaneutral gestalten und unsere Klimaziele erreichen können. Nicht umgekehrt“.

Nach Angaben der „Hessenschau“ hatte der CDU-Landesverband bei seiner Klausur Ende März 2023 in Fulda ihre Kernfusionspläne für das Bundesland „als eines von zehn Kernanliegen“ beschlossen.

Bayern neuerdings mit ähnlichen Zielen

Auch die bayerische Staatsregierung hatte bereits kurz nach der Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke im April 2023 angekündigt, einen Forschungsreaktor für Kernfusionstechnik bauen zu wollen – zu Demonstrations- und Forschungszwecken. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zudem eine „Verlängerung der Kernenergie“ für den Fall versprochen, dass die Union die Bundestagswahl 2025 gewinnen sollte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits im August 2023 jegliche Forderungen nach dem Bau neuer Atomkraftwerke kategorisch zurückgewiesen. Wer dies fordere, der verkenne die Bauzeit von 15 Jahren, die Kosten von 15 bis 20 Milliarden Euro und eine Fertigstellung „irgendwie Ende der 30er-Jahre mit Strompreisen, die beim Doppelten bis Dreifachen dessen liegen, was wir bezahlen müssen, mit den erneuerbaren Energien, die wir dann längst flächendeckend ausgebaut haben“, sagte der SPD-Politiker bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in München.

2011 hatte sich Söder unter dem Eindruck der Tsunami-Katastrophe im japanischen Fukushima noch vehement für ein Ende der Atomenergie in Deutschland ausgesprochen, wie die „Welt“ berichtete. Der Abschied von den jahrzehntelang zuverlässig liefernden AKWs am 15. April 2023 war auf Drängen von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zustande gekommen.

Neben Söder und Rhein engagiert sich auch die Unionsfraktion im Bundestag für eine „Stärkung der Fusionsforschung auf Weltklasseniveau“. Einen entsprechenden Antrag hatte die Fraktion bereits im Mai 2023 vorgelegt (BT-Drucksache Nr. 20/6907, PDF). Mehr als die erste Lesung und die Sachverständigen-Anhörung ist seither allerdings noch nicht passiert. Die Experten waren Ende September 2023 zu dem Schluss gelangt, dass Fusionstechnologien zwar „vielversprechend für die Zukunft“ seien, ihr Ausbau jedoch „den Ausbau erneuerbarer Energien […] nicht bremsen“ sollte.

Hessen-FDP bekennt sich zur Kernfusion

Auch der hessische Landesverband der FDP sieht sich nach eigenen Angaben verpflichtet, eine „sichere, unabhängige und klimaneutrale Energieversorgung“ für Deutschland zu schaffen. Es gebe Wirtschaftsbereiche wie die Stahlproduktion oder den Luftverkehr, „die schlicht nicht elektrifiziert werden können“, heißt es in einer Presseerklärung auf „Hessen-FDP.de“.

„Wir brauchen daher dringend neue Technologien, um unsere Energieversorgung sicherzustellen. Eine dieser Technologien ist die Kernfusion“, so die Liberalen. Gemeinsam „mit internationalen Partnern aus Staat, Wirtschaft und Wissenschaft“ gelte es, „die Grundlagen dafür [zu] schaffen, langfristig den weltweit ersten Kernfusionsreaktor, der Strom für Unternehmen und Haushalte produziert, in Hessen anzusiedeln“. Inwiefern die FDP Hessen in der kommenden Legislatur nun oppositionelle Töne anschlagen wird, bleibt abzuwarten.

Stichwort Kernfusion: die Sonne als Vorbild

Kernfusion könnte viele Energieprobleme lösen, so die große Hoffnung. Daran arbeiten neben Forschungsinstituten auch immer mehr Start-ups. Die Zeit bis zur Fertigstellung eines Reaktors wird aber wohl einige Jahrzehnte dauern. Bundesforschungsministerium Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte im Herbst 2023 Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro für die kommenden fünf Jahre angekündigt.

Bei der Kernfusion werden Atomkerne bei extremen Temperaturen verschmolzen – sprich fusioniert (Video auf „YouTube“). Dabei geht Masse verloren, die sich nach der Einstein’schen Formel E = m · c² in pure Energie umwandelt. Das passiert auch in Sternen und damit auch in der Sonne. Wissenschaftler setzen dabei auf Laser oder Magnete. Beide Verfahren haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.

Erste Erfolge da – Durchbruch wohl erst in Jahrzehnten

Von ersten Erfolgen hört man neuerdings aus Japan, Großbritannien und aus Kalifornien. Zudem ist in Südfrankreich der Fusionsreaktor Iter seit 15 Jahren im pannenreichen Bau. Die Anlage soll 2025 fertig sein und ab 2035 Strom erzeugen.

Laut „Hessenschau“ bezweifeln allerdings Experten, dass es so schnell klappen könne. So habe etwa der Züricher Teilchenphysiker Prof. Michael Dittmar „im Auftrag der Grünen im Bundestag zwei Gutachten [verfasst], in denen er zu dem Schluss kommt, dass es sich nicht lohne, die Forschung an der Kernfusion weiter zu fördern“. Er sieht die größten Schwierigkeiten beim Mangel an Tritium und hitzebeständigem Material für die Reaktor-Innenwände. Außerdem sei die Kernfusion zu kostspielig.

Auch Werner Neumann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hessen halte die ganze Kernfusionstechnik für eine „Sackgasse“. Er setze auf Sonnen- und Windenergie. Doch das funktioniert ohne Energiespeicher bekanntlich nur, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint.



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