Knappe Kassen: Länder wollen Bund stärker unter Druck setzen

Vor der Ministerpräsidentenkonferenz am 16. März haben die Länder-Regierungschefs klargemacht: Sie wollen mehr Geld vom Bund für die Lasten der Flüchtlingspolitik. Bund-Länder-Gesprächsrunden soll es aber erst zu Ostern und im Mai geben.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser plant einen Flüchtlingsgipfel.
Auch Notunterkünfte in Turnhallen dienen als vorläufige Unterkunft für Flüchtlinge. Allein 2022 kamen rund 1,2 Millionen Menschen nach Deutschland (Archivbild).Foto: Felix Kästle/dpa
Von 15. März 2023

Am Donnerstag, 16. März, steht die nächste Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an. Das große Thema wird die Finanzierung der Flüchtlingslasten sein. Die Länder-Regierungschefs haben bereits eine Beschlussvorlage ausgearbeitet, die es zu diskutieren gilt. Klar ist schon jetzt: Die Länder wollen vom Bund verlangen, „die bereits für 2023 zugesagten Bundesmittel kurzfristig zur Verfügung zu stellen“. Der Bund selbst sitzt bei der MPK nicht mit am Tisch.

Treffen zu Ostern und im Mai geplant

Mit einem Durchbruch ist so schnell allerdings nicht zu rechnen, denn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will das Thema offenbar erst am 10. Mai noch einmal auf die Tagesordnung setzen – bei einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt. Das berichtet das Nachrichtenportal „The Pioneer“ unter Berufung auf Regierungskreise.

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) will für Klarheit nicht so lange warten: Der aktuelle MPK-Vorsitzende strebt ein Bund-Länder-Treffen zur Flüchtlingskrise um das Osterfest im April herum an, wie bereits länger geplant. „Die Position der Länder ist klar: Der Bund muss sich bei dieser gemeinsamen Aufgabe mehr engagieren, vor allem zugunsten der Kommunen“, sagte Weil nach Informationen der „Berliner Morgenpost“ im Gespräch mit der dpa. Es gehe um eine „faire Aufteilung der Kostenlast“.

NRW-Regierungschef Wüst fordert „deutliches Signal“

Mit den immer weiter steigenden Zahlen jener, die in Deutschland um Schutz bitten, klettern auch die Kosten für ihre Unterbringung, Versorgung und behördliche Unterstützung in die Höhe. Auch Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und einer der MPK-Co-Vorsitzenden, sieht die Länder vom Bund im Stich gelassen. „Der Kanzler muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden und die Finanzierung der Flüchtlingskosten zur Chefsache machen“, forderte Wüst in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Es müsse dazu am Donnerstag „ein deutliches Signal der Länder an den Bund gehen“.

Wüst untermauerte seinen Standpunkt mit dem Verweis auf wöchentlich steigende Flüchtlingszahlen, auf die nahende Überlastungsgrenze für Länder und Kommunen und auf die Notwendigkeit schneller „Hilfen und Lösungen“. Diese sei man nicht nur den Schutzsuchenden, sondern auch jenen Menschen schuldig, „die Tag für Tag Herausragendes leisten“.

In Nordrhein-Westfalen beteilige sich der Bund derzeit nur noch mit 16 Prozent an den Flüchtlingskosten – 2022 sei es mit 31 Prozent noch nahezu der doppelte Anteil gewesen. „Anstatt sein Versprechen einzuhalten und die Länder finanziell zu unterstützen, scheint der Bund aber zu glauben, man könne das Problem einfach aussitzen und macht nichts“, mahnte Wüst in Richtung Bundeskanzleramt, Finanz- und Innenministerium. „Das ist das Gegenteil von Unterstützung und das Gegenteil von verantwortungsvollem Handeln. Wer die Herausforderungen vor Ort ignoriert, stärkt nur die politischen Ränder“, mahnte Wüst.

Zwei grüne Kommunalpolitiker erneut gegen Parteilinie

Der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, und Jens Marco Scherf, der Landrat des bayerischen Landkreises Miltenberg, beide Grüne, forderten nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ in einem sechsseitigen Brief an den Kanzler einen neuen Kurs in Sachen Zuwanderung. Es müsse gelingen, „die Migration zu strukturieren und zu steuern“ und die Zugangszahlen in den Kommunen „deutlich zu reduzieren“. Andernfalls drohten „Leistungsstreichungen“. „Nicht schutzbedürftige Asylbewerber“ dürften gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden.

Palmer und Scherf plädierten zudem dafür, Geflüchteten ohne Bleiberecht nur noch Wohnraum in den „Aufnahmeeinrichtungen des Bundes und der Länder“ und Sach- statt Geldleistungen zuzugestehen. Denn der Zustrom führe bereits „zu spürbaren Verdrängungseffekten besonders in unteren Einkommensgruppen“. Man müsse stärker zwischen Kriegs- und Katastrophenflüchtlingen und jenen Menschen, die vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgten, unterscheiden. Ein ähnlich lautender Appell von Palmer und Scherf vom Januar war laut „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) wirkungslos verhallt.

Laut „Süddeutscher Zeitung“ hatten bereits zuvor der Gemeinde-, Städte- und der Landkreistag Baden-Württemberg nationale „Ankunftszentren“ verlangt. Aus diesen solle direkt abgeschoben werden, wenn kein Bleiberecht bestehe.

Bundesregierung hält sich bedeckt

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte bereits im Oktober 2022 Forderungen nach mehr Geld vom Bund abgewiegelt: „Eine weitere Verschiebung der Lasten auf den Bund stößt jetzt an Grenzen“, erklärte Lindner damals, versprach aber, dass es „sicher eine Lösung“ geben werde.

Einen deutschen Flüchtlingsgipfel hatte es auf Einladung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt am 16. Februar gegeben. Die Probleme zur Finanzierung blieben allerdings ungelöst: Faeser verwies auf jene 2,75 Milliarden Euro, die der Bund den Kommunen für 2023 zur Verfügung gestellt habe. Außerdem werde es um die Osterzeit ja eine weitere Gesprächsrunde der Länder mit Bundeskanzler Scholz geben.

Das Statistische Bundesamt weist die Gesamtkosten der Flüchtlingspolitik für den Bundeshaushalt 2022 mit 22,2 Milliarden Euro aus. Für 2023 seien 16,9 Milliarden veranschlagt, darunter allerdings nur 400 Millionen zur Entlastung der Länder und Kommunen. Der Löwenanteil von 7,9 Milliarden werde zur „Fluchtursachenbekämpfung“ ausgegeben.

Über 1,2 Millionen Schutzsuchender allein 2022

Nach einem „Situationsbericht zur Migration und Flüchtlingslage“ der EU-Kommission waren im Jahr 2022 in Deutschland EU-weit mit Abstand die meisten Asylanträge gestellt worden – nämlich 226.467. Dies entspreche mit 24,5 Prozent einem knappen Viertel aller Asylanträge in der gesamten EU. Jeder dritte Antragssteller in Deutschland sei aus Syrien eingereist. Afghanen hätten 17 Prozent ausgemacht, Türken zehn Prozent und aus dem Irak stammten 6,7 Prozent der Asylbewerber in Deutschland anno 2022. Dazu habe noch rund eine Million ukrainischer Flüchtlinge den Weg in die BRD gefunden. Sie werden ohne Asylverfahren anerkannt.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts setzte sich der Trend 2023 fort: Allein im Januar und Februar hätten 54.333 Menschen Erstanträge auf Asyl in Deutschland gestellt. In den zehn Jahren von 2013 bis 2022 zählte das Amt 2.418.266 Erstanträge. Pro Jahr seien im gleichen Zeitraum im Schnitt rund 17.300 Bewerber abgeschoben worden, also rund sechs Prozent.

Nach Angaben des Europäischen Parlaments steht Deutschland weltweit in der Spitzengruppe der Länder, die die meisten Geflüchteten beherbergen – nach der Türkei, Kolumbien, Pakistan und Uganda.

Generell ist Deutschland nach einem „Welt“-Bericht seit Jahren vor allem ein Magnet für Armutseinwanderung in das deutsche Sozialsystem. Die „Welt“ titelte Mitte Januar 2023: „Nur Bruchteil der Zuwanderer kommt zu Arbeitszwecken“.

Verbände drängen auf beschleunigte Genehmigungsverfahren

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 16. März wird es nach Angaben der „Berliner Morgenpost“ auch um den Ukraine-Krieg, die Energiepolitik und um eine Reform der Planungs- und Genehmigungsverfahren gehen. Letztere erschienen Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil „zu kompliziert und zu langsam“. Weil und seine MPK-Mitstreiter stünden in dieser Frage vonseiten großer Wirtschaftsverbände unter Druck.

So hatte beispielsweise Wolfgang Große Entrup, der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), „Pragmatismus statt Sonntagsreden“ gefordert, wie die „Augsburger Allgemeine“ schreibt: „Sonst können wir uns die Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität abschminken.“ Die Verbände bestünden demnach auf der „im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Halbierung der Dauer bei Planungsverfahren […] noch in diesem Monat“. Es gehe den Wirtschaftsvertretern auch um den „Ausbau der digitalen und energetischen Infrastruktur“. Im Ampel-Koalitionsvertrag heißt es dazu unter anderem:

Für die vor uns liegenden Aufgaben braucht es Tempo beim Infrastrukturausbau. Die Verfahren, Entscheidungen und Umsetzungen müssen deutlich schneller werden. Wir werden deshalb Planungs- und Genehmigungsverfahren modernisieren, entbürokratisieren und digitalisieren sowie die Personalkapazitäten verbessern. Indem wir Bürgerinnen und Bürger früher beteiligen, machen wir die Planungen schneller und effektiver.“ (PDF)



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