Union blockiert: Bundestag beschließt abgespecktes Wachstumschancengesetz

Bundesrat und Bundestag ringen seit Wochen um das Wachstumschancengesetz. Nachdem der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen und einen Kompromiss vorgelegt hatte, geht das Tauziehen trotzdem weiter. Eine Zustimmung des Bundesrats steht nach wie vor auf der Kippe, weil die CDU- und CSU-geführten Länder auch der Kompromisslösung nicht zustimmen wollen. In einer namentlichen Abstimmung verabschiedete heute allerdings der Bundestag das Gesetz.
Das umstrittene Wachstumspaket wurde beschlossen: 377 Abgeordnete stimmten dafür.
Ein „Wachstumschancenpaket light” wurde beschlossen: 377 Abgeordnete stimmten dafür.Foto: Serhat Kocak/dpa
Von 23. Februar 2024

Seit Wochen liefern sich Bundesrat und Bundestag einen erbitterten Kampf um Hilfen für die Wirtschaft. Konkret geht es um das von der Ampelkoalition vorgelegte Wachstumschancengesetz. Mit dem Gesetz möchte die Bundesregierung nach eigenen Aussagen Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen in Deutschland verbessern. Weiter sollen steuerliche Anreize für klimafreundliche Investitionen auf den Weg gebracht werden. Auf ihrer Kabinettsklausur in Meseberg vor einem halben Jahr hatte die Ampelregierung das Paket zum ersten Mal präsentiert.

Auf der Website der Bundesregierung kann man dazu lesen: 

Die Bundesregierung ist als Fortschrittskoalition angetreten, um Deutschland zu modernisieren, zukunftssicher zu machen und die Weichen für eine klimaneutrale Wirtschaft zu stellen. Um den Wohlstand und die Stabilität in Deutschland auch für zukünftige Generationen sichern zu können, braucht Deutschland eine starke Wirtschaft.”

In der ursprünglichen Form des Gesetzes waren steuerliche Entlastungen für Unternehmen von sieben Milliarden Euro im Jahr vorgesehen.

Gesetz inzwischen stark abgespeckt

Im November stimmte die Mehrheit des Bundestags für das Gesetz. Da mit dem Gesetz auch die Interessen der Länder berührt sind, musste das Gesetz dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden. Dort stoppten die Länder das Ganze und forderten Änderungen. Sie kritisierten befürchtete Steuerausfälle für die Kommunen. Seitdem liegen die Pläne im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Hauptaufgabe dieses Ausschusses ist es, bei unterschiedlichen Auffassungen über Gesetze einen Kompromiss zwischen Bundestag und Bundesrat zu vermitteln. 

Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom November hatte auch Einfluss auf die Finanzierung des Wachstumschancengesetzes. Von den vorgesehenen sieben Milliarden Euro ist nun nicht mehr die Rede. Die am Freitag, 23. Februar 2024, im Bundestag diskutierte und am Mittwoch, 21. Februar 2024, im Vermittlungsausschuss abgestimmte Beschlussvorlage ist nur noch ein „Wachstumschancenpaket light“.

Insgesamt sollen nur noch drei Milliarden Euro für das Paket aufgewendet werden. Das ursprüngliche Kernstück des Paketes, die Prämie für Investitionen in Energieeffizienz, wurde gänzlich gekippt. Ursprünglich sollten Unternehmen bei der Investition in Energieeffizienz mit 15 Prozent der Kosten direkt unterstützt werden. Möglicherweise soll diese Unterstützung indessen auf anderen Wegen laufen. Konkrete Pläne sind allerdings bisher nicht öffentlich gemacht worden. 

Weiterhin enthalten ist die Einführung einer degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie eine ausgeweitete Forschungszulage. Mit letzterer wird die Forschung und Entwicklung von Unternehmen steuerlich gefördert. Auch eine degressive Abschreibung für Wohngebäude ist weiterhin Teil des Gesetzes. Allerdings soll diese indessen geringer ausfallen: Statt wie ursprünglich vorgesehen sechs Prozent sollen Bauunternehmen nur noch fünf Prozent ihrer Anschaffungs- und Herstellungskosten steuerlich abschreiben können.

Der Bund müsste nach dem Kompromissvorschlag laut der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) noch mit Steuerausfällen von knapp 1,4 Milliarden Euro rechnen, die Länder mit knapp 1,3 Milliarden Euro und die Kommunen mit 555 Millionen Euro.

Union macht Zustimmung an Bedingungen fest

Die SPD-geführten Länder hatten im Vermittlungsausschuss der indessen abgespeckten Version des Gesetzes zugestimmt. Die Union-geführten Länder signalisierten schnell, dass sie auch dem Kompromiss nicht zustimmen werden. Wie zuvor gefordert, beharren CDU und CSU darauf, dass SPD, Grüne und FDP auf die geplante Streichung der Steuervergünstigung für Agrardiesel verzichten sollen. 

Die Union wirft der Bundesregierung vor, sie wolle ein Drittel seiner Kosten aus dem Paket durch die Streichung der Steuervergünstigung für Agrardiesel finanzieren. Sie traten damit dem Vorwurf der Regierung entgegen, die Union verknüpfe hier zwei Themen, die nichts miteinander zu tun hätten. 

Am Freitagmorgen beschloss der Bundestag in einer namentlichen Abstimmung den Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz. In der namentlichen Abstimmung gab es 377 Ja- und 267 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. Für die Union begründete vorher noch einmal der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, die Ablehnung seiner Fraktion mit den Kürzungen der Steuerhilfen beim Agrardiesel. „Wir sagen Nein zu einer Entscheidung, die vorgibt, die deutsche Wirtschaft zu entlasten, obwohl sie einen anderen Teil der Wirtschaft mit 450 Millionen Euro zusätzlich belasten will“, machte der CDU-Politiker deutlich.

Die Vertreter der Ampel hingegen warfen der Union vor, dass diese dringend nötige Wachstumsimpulse der Wirtschaft blockieren würde. „Es braucht jetzt Signale zur steuerlichen Entlastung der deutschen Volkswirtschaft“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Grünen-Vizefraktionschef Andreas Audretsch warf CDU-Chef Friedrich Merz vor, er nehme „Unternehmen in Deutschland in Geiselhaft“ für seine eigene Profilierung. Auch SPD-Politiker Michael Schrodi warf Merz vor, er wolle mit der Ablehnung der Regierung schaden, er treffe aber die Wirtschaft.

Brandbrief: Es ist eine Minute vor zwölf

Anfang der Woche hatten 18 Wirtschaftsverbände in einem Brandbrief an die Ministerpräsidenten die schnellstmögliche Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes gefordert. Die „Tagesschau“ zitierte aus dem Brief, der sehr deutlich formuliert ist: „Es steht nichts weniger auf dem Spiel als die Rettung des deutschen Mittelstands.“ Daher fordern sie, „die Blockade des Wachstumschancengesetzes sofort aufzugeben“.

Initiiert hatte den Brief vor allem der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMV). Der Geschäftsführer des Verbandes, Christoph Ahlhaus, machte in der „Tagesschau” seinem Ärger Luft. „Es eilt, es ist wirklich eine Minute vor zwölf”, so Ahlhaus. Der BVMV-Geschäftsführer war 2010 und 2011 für die CDU Erster Bürgermeister Hamburgs und damit selbst Regierungschef eines Bundeslandes: „In dieser Situation erleben wir politische Spielchen, blockiert die Union das Wachstumschancengesetz!”, sagt er. Das mache ihn richtig sauer, so Ahlhaus. Einerseits rede Oppositionsführer Friedrich Merz darüber, die Wirtschaft zu entlasten, auf der anderen Seite würden die Ministerpräsidenten der Union genau diese Entlastung im Bundesrat blockieren, nämlich das Wachstumschancengesetz. Das passe nicht zusammen.

Ob das Gesetz am 22. März durch den Bundesrat geht, dessen Zustimmung für das Inkrafttreten zwingend gebraucht wird, steht im Moment in den Sternen. In der Bundestagsdebatte deutete sich kein Einlenken der Union an. Nach wie vor macht die Union ihre Zustimmung von der Zurücknahme der Ampelentscheidung zum Agrardiesel abhängig. 

Diese Kürzungen werden am 22. März ebenfalls im Bundesrat auf der Tagesordnung stehen. Das zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz kann die Union allerdings nicht aus eigener Kraft stoppen, weil es – anders als das Wachstumschancengesetz — zum Inkrafttreten keine Zustimmung in der Länderkammer benötigt. 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion