Viele Fragen in WM-Affäre: FIFA wollte «Afrika-Hilfe»

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In der Affäre um die WM 2006 gibt es immer mehr Fragen.Foto: Roland Weihrauch/dpa
Epoch Times25. Oktober 2015
Die Affäre um die WM 2006 in Deutschland wird immer größer. Denn möglicherweise geht es in dieser Geschichte um noch mehr dubiose Zahlungen als ohnehin schon bekannt.

Dafür sprechen ein Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ über fragwürdige FIFA-Forderungen, das anhaltende Schweigen von Schlüsselfiguren wie Franz Beckenbauer – und weitere Aussagen von Theo Zwanziger.

Der frühere DFB-Präsident lenkte die Aufmerksamkeit am Wochenende auf die Akten zu dem Korruptionsskandal um den früheren FIFA-Vermarkter ISL, der bis zu seiner Pleite im Jahr 2001 zahlreiche Funktionäre des Fußball-Weltverbandes mit Millionensummen bestochen hatte. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sprach der 70-Jährige von einem „Schmiergeldteppich“, der in diesen Akten zu finden sei. Zwanziger hat nach eigenen Angaben erst nach Einsicht der Akten im Jahr 2012 erste Zweifel an der damaligen DFB-Version zu jenen ominösen 6,7 Millionen Euro bekommen, die im Zentrum der WM-Affäre stehen. Ebenfalls 2012 hatte er angesichts der „vielen Geldflüsse“ in dem ISL-Skandal eine Untersuchung der WM-Vergabe durch die FIFA-Ethikkommission angemahnt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ enthüllte derweil einen Fall, der ähnlich tief auf die Geschäftspraktiken der FIFA blicken lässt wie die 6,7 Millionen, die der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus entweder im Jahr 2000 oder 2002 für das deutsche WM-Organisationskomitee an den Fußball-Weltverband überwiesen hatte. Dem Bericht zufolge soll die FIFA im Jahr 2003 auf einmal 40 Millionen Euro vom deutschen OK verlangt haben – 33 Millionen für die Informations-Technik der WM 2006 und 7 Millionen „zum Zeichen der deutschen Solidarität mit Afrika“, wie aus OK-Akten der Bundesregierung hervorgeht.

Das Organisationskomitee und sein Chef Franz Beckenbauer hätten empört und ablehnend auf diese Forderung reagiert. Später sei „offenkundig unter Einschaltung der Regierung“ eine Lösung gefunden worden, die nur eine Zahlung von 20 Millionen Euro inklusive Beteiligung des OK an eventuellen Gewinnen vorsah.

Entscheidend ist aber auch hier die Frage: Wozu verlangt die FIFA von einem deutschen WM-OK sieben Millionen Euro als „Afrika-Hilfe“? Darauf gibt es ebenso wenig eine schlüssige Antwort wie auf die nach wie vor zentrale Frage: An wen flossen wann genau die ominösen 6,7 Millionen?

Erst 2002 zur Sicherung eines Organisations-Zuschusses von der FIFA, wie es der Deutsche Fußball-Bund und sein schwer angeschlagener Präsident Wolfgang Niersbach behaupten? Dazu sagte der gesperrte FIFA-Präsident Joseph Blatter der Zeitung „Schweiz am Sonntag“ noch einmal: „Ich habe niemals Geld von Beckenbauer verlangt. Nie im Leben. Auch nicht vom DFB. Das stimmt einfach nicht.“ Oder diente das Geld möglicherweise doch schon vor der WM-Vergabe zur Bestechung von stimmberechtigten FIFA-Funktionären, wie es die Recherchen des „Spiegels“ und die Aussagen von Zwanziger nahelegen?

Noch stehen hier Aussagen gegen Aussagen, noch gibt es für nichts einen konkreten Beleg. Und vor allem: Noch immer schweigt die wahrscheinlich einzige Person, die alle Fragen beantworten könnte und deshalb im Zentrum der Affäre steht: Franz Beckenbauer. Nicht ein Vertreter aus dem Fußball forderte ihn oder auch Günter Netzer am Wochenende dazu auf, sich endlich einmal zu äußern. Netzer, so der „Spiegel“, soll Zwanziger gegenüber 2012 die Bestechung von vier asiatischen FIFA-Funktionären zugegeben haben – was der Weltmeister von 1974 und enge Vertraute von Louis-Dreyfus jedoch bestreitet.

Aus der Bundesliga waren dafür umso mehr Solidaritäts-Bekundungen mit Niersbach zu hören. Bayern Münchens Sportvorstand Matthias Sammer warf Zwanziger vor, seinen Nachfolger als DFB-Präsidenten öffentlich in Verruf zu bringen. „Das Allerschlimmste ist, wenn Menschen über die Medien alte Rechnungen begleichen wollen. Das ist schäbig, das tut man nicht“, sagte Sammer dem TV-Sender Sky. Auch Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen betonte: „Ich lese alles und bin im Vorstand des DFB. Ich habe ein riesiges Grundvertrauen in die Ehrlichkeit von Wolfgang Niersbach.“

Niersbach steht seit Tagen wegen seines miserablen Krisenmanagements unter Druck – und seit Freitag dazu noch durch die Aussagen seines Vorgängers. Zwanziger bezichtigt seinen Intimfeind der Lüge. „Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab“, sagte er dem „Spiegel“. „Es ist ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005.“

Außerdem spricht Zwanziger unter Berufung auf ein Telefonat mit dem früheren OK-Vize Horst R. Schmidt davon, dass die 6,7 Millionen tatsächlich an den lebenslang wegen Korruption gesperrten FIFA-Funktionär Mohamed Bin Hammam aus Katar geflossen seien.

Auch für Zwanzigers Aussagen gibt es keine Belege. Am Wochenende wehrte sich der frühere DFB-Präsident zunächst einmal gegen den Vorwurf, nur einen persönlichen Rachefeldzug gegen Niersbach zu führen. Er habe während seiner eigenen Amtszeit nur deshalb keine Untersuchung eingeleitet, weil er die wahren Hintergründe der Louis-Dreyfus-Zahlung da noch nicht gekannt habe, erklärte er. Er werde sich auch den Fragen der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer stellen, die die Affäre für den DFB untersucht.

Das ZDF-„Sportstudio“ zeigte am Samstagabend allerdings noch einmal ein fünf Jahre altes TV-Interview, in dem Beckenbauer sagte: „Mohammed Bin Hammam war uns auch sehr gewogen bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006.“

Außerdem wehrte sich Horst R. Schmidt im Gespräch der „Bild“-Zeitung nur dagegen, „dass Theo Zwanziger den Inhalt eines privaten Telefonats an die Öffentlichkeit bringt.“ Zu der Behauptung, die ominösen 6,7 Millionen seien zum Kauf von Stimmen für die deutsche WM-Bewerbung an Bin Hammam geflossen, sagte er nur: „Der Name bin Hammam ist möglicherweise gefallen. Aber ich werde nicht behaupten, dass er Empfänger des Geldes ist. Ich weiß es einfach nicht.“

(dpa)

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