Strom aus der Wüste: Energiekrise könnte Desertec-Projekt neu beleben

Das 2014 für gescheitert erklärte Projekt Desertec für Energie aus der Wüste könnte infolge der Energiekrise neu aufleben. Es birgt aber auch neue Risiken.
Titelbild
Strom aus Wüstensonne: Das gigantische Solarkraftwerk Noor 3 in der Nähe von Ouarzazate in Marokko.Foto: Abdeljalil Bounhar/dpa
Von 12. Oktober 2022

Totgesagte leben länger: Schon fünf Jahre nach dem Start hatte das 2009 konzipierte Desertec-Projekt für Strom aus der Wüste als gescheitert gegolten. Nun könnte die dahinter stehende Idee im Zeichen der Energiekrise von Neuem an Aktualität gewinnen. Allerdings bleiben Probleme, die schon damals zum Aus geführt hatten, bestehen – und für Deutschland und die EU drohen neue Abhängigkeiten.

Desertec startete mit hohen Erwartungen

Mit erheblichen Vorschusslorbeeren war die Desertec Foundation am 20. Januar 2009 gestartet. Insgesamt 20 Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern hatten sich in die Desertec Industrial Initiative (DII) eingebracht.

Auf der Grundlage von Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus den Jahren 2004 bis 2007 setzte sich das Projekt hohe Ziele. Demnach sollen Solar- und Windenergie aus nordafrikanischen Wüstengebieten nicht nur zwei Drittel des regionalen Energiebedarfs und 17 Prozent jenes der EU decken. Die Anlagen sollten zudem noch die Meerwasserentsalzung für die MENA-Region ermöglichen und so die Wasserversorgung sichern.

Fünf Jahre später stand das Projekt hingegen vor dem Aus. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) im Jahr 2014 berichtete, hatten die meisten beteiligten Unternehmen die Trägergesellschaft wieder verlassen. Unter ihnen waren die Münchner Rück, ABB und die Deutsche Bank. An Bord blieben nur noch die saudische ACWA Power, die State Grid (SGCC) des chinesischen KP-Regimes und Deutschlands RWE. Der Tätigkeitsbereich der DII beschränkte sich jedoch fortan auf Dienstleistungen für die drei verbliebenen Gesellschaften.

Arabischer Frühling hat das politische Umfeld verschlechtert

Für viele Beteiligte genoss das Desertec-Projekt zu diesem Zeitpunkt keine Priorität mehr. Der Ölpreis war hoch, was beispielsweise für die Golfstaaten den Anreiz verringerte, in Alternativenergien zu investieren. Gleichzeitig erlebten die USA einen Aufschwung durch Schiefergasförderung und wurden selbst zum Exportland.

Die EU hatte den Konflikt mit Russland um die Ukraine noch nicht so weit getrieben, dass die Energieversorgung infrage stand. Aufstrebende Staaten wie die Türkei setzten stärker auf Kernenergie als auf Wind- und Solarprojekte, wenn es um die Energie der Zukunft ging.

Zudem hatte der „Arabische Frühling“ viele Länder der Region in Unruhen gestürzt. Libyen und Syrien schlitterten in einen Bürgerkrieg, andere potenziell Beteiligte wie Marokko, Tunesien oder Ägypten galten als instabil. Für Investoren erschien es in dieser Situation nicht ratsam, Mittel in Desertec oder ähnliche Projekte für Strom aus der Wüste zu stecken.

Van Son: Desertec hat aus Fehlern der Vergangenheit gelernt

Mittlerweile erlebt Desertec jedoch eine Renaissance. Wie die „Tagesschau“ mitteilt, spricht der Aufsichtsratschef von DII Desert Energy, Paul van Son, von „explodierenden Projekten“ in der Region. Erneuerbare Energien hätten im Nahen Osten und Nordafrika Hochkonjunktur. Demgegenüber hätten die Gründerväter von Desertec 2008 noch einen zu eurozentrischen Blick auf das Projekt gehabt:

Vor 14 Jahren etwa war man zu viel fokussiert auf Strom für uns in Europa oder in Deutschland.“

Dass der Strom, der in Afrika und im Nahen Osten erzeugt werde, nach Europa fließen sollte, während vor Ort schlechte Versorgung herrsche, kam schlecht an. Viele sprachen von einer neuen Form des Kolonialismus.

Nun soll das Projekt im Zeichen von Gaskrise und Versorgungsängsten neuen Schwung bekommen – und ein neues Konzept. Erst, so van Son, müsse man dafür sorgen, dass die lokale Versorgung funktioniere. Ist der Energie-Mix dort breit, ausreichend und emissionsfrei, könne die Region zu exportieren beginnen. DII trete derzeit bei Projekten in Marokko, Algerien oder Ägypten allerdings nicht als Investor, sondern in beratender Funktion auf.

Saudi-Arabien empfiehlt sich als „günstigster, fähigster und effizientester Energie-Standort“

Wie „brand eins“ berichtet, gibt es mittlerweile auch neue Kooperationsprojekte europäischer Staaten. Unter anderem Marokko, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate seien an diesen interessiert.

Vor allem die Umwandlung regenerativ erzeugten Wüstenstroms in Wasserstoff erleichtere perspektivisch den Transport in die EU. Diese Problematik war eine von mehreren Hemmschuhen bei der Umsetzung des Desertec-Projekts der späten 2000er-Jahre.

Die Gewinnung von Sonnenenergie in den Golfstaaten sei außerordentlich preisgünstig. Der saudische Energieminister Prinz Abdelaziz bezeichnet sein Land als den „günstigsten, fähigsten und effizientesten Energie-Standort weltweit“. Dies liege unter anderem daran, dass sich in der Wüste eine Kilowattstunde Strom über ein Solarkraftwerk für nur 1,04 US-Cent produzieren ließe.
Der Ölstaat Saudi-Arabien will demnach die Herstellung von Wasserstoff aus Sonnenenergie als weiteres Standbein aufbauen. Auch in anderen sonnenverwöhnten Gebieten der MENA-Region wäre eine ähnlich kostengünstige Produktion von Energie aus regenerativen Quellen möglich.

Für Europa wäre es grundsätzlich eine naheliegende Option, Partnerschaften aufzubauen. Immerhin produziert eine in Deutschland installierte Photovoltaik-Anlage auch unter besten Voraussetzungen nur maximal die Hälfte jenes Stroms, den die gleiche Anlage in Marokko liefern würde.

Anfangsinvestitionen in mehrstelliger Milliardenhöhe erforderlich

Dennoch muten Überlegungen zum Import erneuerbarer Energien aus der Wüste nach wie vor auf dem Papier einfacher an als deren praktische Umsetzung dies wäre. Das Magazin „chip.de“ schilderte bereits 2019 einige der Schwierigkeiten, mit dem ein solches Projekt verbunden wäre.

Dazu gehört unter anderem die geringe Zahl an Unterseekabeln zum Energietransport dort, wo die Distanzen kurz sind. Derzeit gibt es zwei davon und eine in Planung befindliche zwischen Spanien und Marokko. Sie alle sind in der Lage, 700 Megawatt an Strom zu transportieren. Die dritte Leitung, die 2026 den Betrieb aufnehmen soll, kostet 150 Millionen Euro. Dazu kämen Wartungskosten und jene, die erforderlich wären, um die Leitungen vor möglichen feindlichen Angriffen oder Sabotage zu schützen.

Um eine Versorgung mit Solarstrom über Unterseekabel aus Afrika in signifikanter Höhe zu gewährleisten, wären demnach mindestens 500 bis 800 solcher Megawatt-Leitungen erforderlich. Dies würde bereits Anfangsinvestitionen von zehn Milliarden Euro verschlingen. Im Regelfall wären die Transportwege von nordafrikanischen Küstenländern aus deutlich länger. Bereits für die Umsetzung des Desertec-Projekts waren 480 Milliarden Euro an Investitionen angedacht.

Noch stärkere Abhängigkeit von KP-China zu befürchten

Die Versorgung des Netzes mit Infrastruktur wie Umspannwerken und Speicherstätten würde weitere Billionen Euro in Anspruch nehmen. Um den Energieverlust durch den Transport über weite Strecken zu minimieren, müsste zudem Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt werden. Auch eine Errichtung teurer Konverter-Stationen würde einen Spannungsverlust von 3,5 Prozent auf 1.000 Kilometern nicht verhindern.

Es wäre unterm Strich demnach in vielen Fällen noch günstiger, die eigene Infrastruktur auszubauen. Immerhin sind moderne Solar-Paneele mittlerweile preiswerter und effektiver. Sie benötigen weniger Platz und Sonne für die gleiche Leitungskapazität als noch vor einigen Jahren.

Die meisten dieser Solarpaneele werden jedoch im kommunistisch beherrschten Festlandchina gebaut. Zudem werden insbesondere beim Betrieb von Anlagen für erneuerbare Energien oder für E-Autos Seltene Erden benötigt. Auch über diese hat das KP-Regime in Peking eine weitreichende Kontrolle. In Summe geht auch mit vermeintlich bahnbrechenden Projekten einer sogenannten Energiewende die Gefahr neuer Abhängigkeiten einher – oft auch von instabilen oder feindseligen Staaten.



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