"Der Trend ist somit eindeutig"
31 Jahre nach Einheit: Ostdeutschland liegt bei Wirtschaftsleistung weiterhin deutlich zurück
Das Bundeskabinett berät den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit. 31 Jahre nach der Wiedervereinigung legt die Regierung verstärkt ihr Augenmerk auf die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft in Ost und West.

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Ostdeutschland liegt bei der Wirtschaftsleistung auch weiterhin deutlich zurück. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichte 2020 rund 77,9 Prozent des westdeutschen Niveaus, Berlin mitgerechnet waren es 82,8 Prozent, zitierte das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch aus dem Jahresbericht zur Deutschen Einheit, über den die Regierung am Morgen beraten wird. 2010 lag dieser Wert demnach bei 69,6 Prozent (mit Berlin bei 74,2 Prozent).
„Der Trend ist somit eindeutig: Der Abstand zwischen Ost und West baut sich weiter schrittweise ab“, zitierten die RND-Zeitungen aus dem Bericht. „Die Zahlenvergleiche machen aber zugleich deutlich, dass es auch gut 30 Jahre nach dem Fall der Mauer noch einen klar erkennbaren Abstand in der Wirtschaftskraft zwischen Ost und West gibt.“
Regionale Unterschiede in Ostdeutschland nehmen zu
Zugleich nähmen die regionalen Unterschiede in Ostdeutschland zu. Dabei hätten besonders Berlin und das Berliner Umland in den vergangenen fünf Jahren deutlich aufgeholt. Berlin habe im Jahr 2020 mit 100,1 Prozent der Wirtschaftsleistung sogar erstmals den gesamtdeutschen Durchschnitt erreicht.
„Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede findet“, zitierte die Zeitung weiter. Kennzeichnend dafür sei eine in den neuen Ländern – im Vergleich zu den alten Ländern – durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik.
„Mensch zweiter Klasse“
Bei allen Unterschieden seien die Differenzen jedoch „durchweg gradueller und nicht substanzieller Art“. So hätten sich laut einer Umfrage im Jahr 2020 in den alten Ländern 25 Prozent und in den neuen Ländern 33 Prozent der Befragten als „Mensch zweiter Klasse“ empfunden. Die Unterschiede seien keineswegs so erheblich, dass sie das Zusammenwachsen in Deutschland grundsätzlich infrage stellten, zitierte das RND aus dem Bericht.
Merkel hält eine besondere Unterstützung des Ostens weiter für erforderlich
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält auch über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine besondere Unterstützung des Ostens für erforderlich. Auch in Zukunft blieben die meisten ostdeutschen Regionen ein Schwerpunkt der Regionalförderung des Bundes, sagte Merkel dem Magazin „Wirtschaft und Markt“ in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Allerdings hätten sich die Unterschiede zwischen Ost und West so weit verringert, dass die besonderen Regeln für die neuen Länder zu einer gesamtdeutschen Unterstützung strukturschwacher Regionen umgewandelt werden konnten.
„Wir können große Fortschritte bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West sehen, denken wir zum Beispiel an die Grundrente, die gerade für die Menschen in den neuen Bundesländern wichtig ist“, sagte Merkel. Auch die Rentenangleichung sei weit fortgeschritten. In den Verhandlungen mit der EU zur mittelfristigen Finanzplanung bis 2027 sei zudem ein Ergebnis erzielt worden, das ein qualitatives Absinken der Fördermöglichkeiten für die neuen Länder verhindere.

Bundestag.
Foto: iStock
Wanderwitz: Menschen im Osten nicht in der Demokratie angekommen
Der Jahresbericht wird vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder, Marco Wanderwitz (CDU), auf einer Pressekonferenz (11.30 Uhr) vorgestellt. Wanderwitz hatte kürzlich wegen Äußerungen über mutmaßliche Demokratiedefizite im Osten Kritik auf sich gezogen. Wanderwitz sprach davon, dass Menschen in Ostdeutschland teilweise „in einer Form diktatursozialisiert“ seien, dass sie nicht in der Demokratie angekommen seien.
Andere Stimmen führen die kritische Haltung von Menschen im Osten zur heutigen Politik gerade auf das Erleben von 40 Jahren sozialistischer SED-Diktatatur zurück und sehen im jetzigen Deutschland Tendenzen, die die Grundpfeiler einer Demokratie in Frage stellen.
Laut dem Bericht hätten die politischen Unterschiede verschiedene Quellen. „Das reicht von der Unterstützung der DDR-Diktatur über negative Transformationserfahrungen, Benachteiligungsgefühle bis zu Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus. Bei vielen Menschen findet man einfach enttäuschte Erwartungen an die Demokratie.“ (afp/dts/er)
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