Alarmstufe Rot für Hausbesitzer in Europa: Zinsen steigen, Preise fallen

Hypothekenzinsen steigen aufgrund von Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank. Infolgedessen geraten Hausbesitzer in Europa in Not. Schweden und Großbritannien sind bereits betroffen, Deutschland und andere Länder könnten folgen.
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Immer mehr Hausbesitzer geraten in Europa in Not – der immer weiter steigenden Kreditzinsen wegen.Foto: iStock
Von 6. April 2023

Die hohen Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgen im Moment dafür, dass sich die Hypothekenzinsen in ganz Europa spürbar erhöhen. Im Zusammenhang mit der steigenden Inflation und den sinkenden Immobilienpreisen braut sich für Hausbesitzer gerade mächtig etwas zusammen. Die ersten Eigentümer sind schon in Not geraten.

Nie dagewesener Druck auf schwedische Haushalte

So können beispielsweise in Schweden inzwischen vier Prozent der Immobilienkäufer ihre Kredite nicht mehr bedienen. Wie das „Handelsblatt“  kürzlich berichtete, sprach der Chef der schwedischen Finanzaufsicht, Daniel Barr, von einem „nie dagewesenen finanziellen Druck auf die Haushalte“. Schweden steht aber längst nicht allein mit diesem Problem da.

Auch in Deutschland wird erwartet, dass mittelfristig mehr Häuser und Wohnungen zwangsversteigert werden müssen. Davon geht zumindest die Wirtschaftsauskunft Creditreform aus. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch:

Die deutlich höhere Zinslast für Anschlusskredite wird insbesondere die Verbraucher treffen, die beim Kreditabschluss in einer Niedrigzinsphase knapp kalkuliert haben. Und das sind nicht wenige.“

Sollten immer mehr Immobilienkredite ausfallen, so erhöht das den Druck auf die Hauspreise. Das wiederum hätte eine konkrete Auswirkung auf den schon jetzt angeschlagenen Bankensektor, weil Immobilienfinanzierungen für die meisten Institute ein wichtiges Geschäftsfeld darstellen.

Immobilienpreise gesunken

Laut der Immobilienplattform McMakler sanken im ersten Quartal 2023 die Preise für Wohnimmobilien im Vorjahresvergleich um 6,2 Prozent. Die gestiegenen Zinsen für Immobilienkredite führten im Gegenzug zu einem erhöhten durchschnittlich eingebrachten Eigenkapitalanteil an der Gesamtfinanzierung. Nach Informationen der Immobilienplattform liegt der durchschnittliche Eigenkapitalanteil im Moment bei rund 20 Prozent. Das ist sehr viel weniger, als Experten wie beispielsweise der Geschäftsführer des Bonner Forschungsinstituts Empirica, Reiner Braun, empfehlen. Er ist der Auffassung, dass das Eigenkapital am reinen Kaufpreis mindestens 25 Prozent betragen sollte. Die entsprechenden Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Maklergebühren, Notar- und Gerichtskosten sollten zusätzlich aufgebracht werden können.

Variable Hypothekenzinsen machen Schweden zu schaffen

Dass in Schweden die Auswirkungen schon so stark zu spüren sind, hängt vor allem damit zusammen, dass ein großer Teil der Hausbesitzer sich dort für variable Hypothekenzinsen entschieden hatte. In Zeiten der Nullzinspolitik konnten sie davon profitieren. Nach den Zinserhöhungen spüren sie das Risiko nun allerdings sofort.

Das „Handelsblatt“ schreibt, dass nach Berechnungen der Finanzaufsicht neue Kreditnehmer mittlerweile zwölf Prozent ihres Nettoeinkommens allein für die Zinsen bezahlen. Der oberste Finanzaufseher Barr warnt: „Wir befürchten, dass es in diesem Jahr sogar noch schlimmer wird.“

In Ausnahmefällen hätten bereits einige Banken ihren Kreditnehmern die Möglichkeit eingeräumt, Zahlungen auszusetzen. Jedoch seien die meisten Haushalte gezwungen, in anderen Bereichen Einsparungen vorzunehmen, um die gestiegenen Wohnkosten auszugleichen. Das werde voraussichtlich den Konsum und das Wachstum hemmen und somit Auswirkungen auf weitere Teile der schwedischen Wirtschaft haben.

Großbritannien: Stärkster Fall seit Finanzkrise

Ähnlich dramatisch sieht es auch in Großbritannien aus. Dort fallen die Häuserpreise wie seit 2009 nicht mehr, wie das Nachrichtenportal „Bloomberg“  berichtet.

Am vergangenen Freitag gab die Bausparkasse Nationwide bekannt, dass die Hauspreise um 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert gesunken seien. Im Vergleich zum Vormonat sei das Preisniveau um 0,8 Prozent gefallen.

Laut Robert Gardner, dem Chefökonom von Nationwide, wird es für den Markt schwierig sein, in naher Zukunft wieder Schwung zu gewinnen. Das Verbrauchervertrauen bleibe schwach und die Haushalte stünden weiterhin unter Druck aufgrund der hohen Inflation.

Bereits im Januar hatte die Financial Conduct Authority (FCA), der wichtigste Finanzregulierer in Großbritannien, davor gewarnt, dass über 750.000 Hypothekennehmer innerhalb der nächsten zwei Jahre möglicherweise nicht mehr in der Lage sein würden, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Schon Mitte 2022 seien 200.000 Kreditnehmer im Zahlungsrückstand gewesen. Deshalb befürchteten Experten, dass Immobilienbesitzer auf der Insel gezwungen sein könnten, Notverkäufe durchzuführen. Und das würde die Hauspreise noch weiter nach unten drücken.

Die britische Regierung erhöhte unterdessen das Angebot von Hypothekenkrediten mit Staatsgarantien und verkürzte die Wartezeit für Zinshilfen für einkommensschwache Familien.

Hilfe für sozial schwache Familien

Ähnliche Maßnahmen ergreifen nun auch andere europäische Länder: Polen erlaubt eine Aussetzung von Zinszahlungen, Portugal plant Hilfen für sozial schwache Familien und ein Verbot von Ferienvermietungen.

In Spanien können sozial schwache Haushalte niedrigere Zinssätze oder längere Laufzeiten für ihre Hypotheken beantragen. Der Zinsanstieg bei Hypothekenkrediten belastet vor allem Haushalte mit variablen Zinssätzen. Er kann mehrere Hundert Euro Mehrkosten im Monat ausmachen.

In Spanien verzeichneten die Hauspreise im Januar im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang. Allerdings erwarten Experten laut „Handelsblatt“ nur moderate Preissenkungen von bis zu vier Prozent im Lauf des Jahres. Immobilienexperte Félix Lores von der Großbank BBVA findet, dass sich die Immobilienpreise in Spanien trotz des Rückgangs auf einem „gesunden Niveau“ befinden.

Staatliche Obergrenze für Zinsen

In Frankreich und Ungarn wurden staatliche Obergrenzen für Hypothekenzinsen eingeführt. In Frankreich gibt es bereits seit einigen Jahren ein Gesetz gegen sogenannten „Zinswucher“. Die Obergrenze betrifft alle mit einem Kredit verbundenen Kosten – einschließlich Versicherungen. Die Immobilienpreise fielen zwar auch in Frankreich, aber der Umfang hält sich noch in Grenzen. Im vergangenen Jahr stiegen die Preise insgesamt um 6,7 Prozent. Allerdings könnten die Preise in diesem Jahr je nach Region um drei bis zehn Prozent fallen, so die Vorhersage von Immobilienexperten.

In Ungarn führte Ministerpräsident Viktor Orbán Anfang 2022 eine Obergrenze für variable Hypothekenzinsen ein. Als Basis dafür diente das Zinsniveau von Ende Oktober 2021. Ursprünglich sollte die Zinsobergrenze sechs Monate gelten. Mittlerweile wurde sie jedoch bis Ende Juni 2023 verlängert. Die Chefs der ungarischen Notenbank kritisieren allerdings diese Regierungsentscheidung. Ungarn hat mit knapp 26 Prozent die höchste Teuerungsrate in Europa. Wenn die Regierung Zinsobergrenzen verfügt, behindert sie die Antiteuerungsmaßnahmen der Notenbank.



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