NGOs werfen großen Unternehmen „Techno-Feudalismus“ vor – und fordern weltweite Steuerpolitik

Eine Studie von vier NGOs anlässlich des Weltwirtschaftsforums (WEF) wirft den großen US-Konzernen „Techno-Feudalismus“ vor und beklagt die Unterschiede in der globalen Einkommensentwicklung. Kritiker zweifeln an deren Aussagekraft.
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NGOs nehmen am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) die Tech-Konzerne wie Google ins Visier.Foto: Peter Morgan/AP/dpa
Von 21. Januar 2024

Am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) haben sich auch sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Gedanken über Themen gemacht, die Gegenstand dortiger Debatten waren. Eines davon war die Inflation. Nun haben vier NGOs eine gemeinsame Studie präsentiert, in der sie einen bislang kaum erwähnten Verantwortlichen für diese namhaft machen. Es sei der – wie sie ihn nennen – „Techno-Feudalismus“.

Tech-Riesen als „Gatekeeper“ und Urheber „versteckter privater Steuern“

Die Organisationen Balanced Economy Project, SOMO, Global Justice Now und LobbyControl hatten am Mittwoch, 17. Januar, einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Darin werfen sie den weltweit größten Unternehmen und Milliardären vor, auf Kosten anderer Marktteilnehmer Macht und Erträge anzuhäufen.

Die „Gewinner“ der Entwicklung würden demnach „der weitaus größeren Anzahl von Verlierern Reichtum entziehen, Freiheit einschränken und diese manipulieren und lenken“. Die Monopolisten präsentierten sich als „Gatekeeper“, um von ihnen abhängigen Produzenten und Verbrauchern Bedingungen und Gebühren aufzuerlegen.

Sie erhöben „versteckte private Steuern“ in Form von überhöhten Preisen oder Gebühren von bis zur Hälfte des Verkaufswerts. Der „Techno-Feudalismus“ lebe von Aufschlägen, die den Unternehmen Einnahmen ermöglichten, die weit über die Material- und Produktionskosten hinausgingen. Unerwähnt bleibt, dass der Erwerb von Gütern und Dienstleistungen zu gegebenen Preisen anders als die Entrichtung von Steuern freiwillig ist.

Inflationspreise auch abseits der Onlinemarktplätze

Tatsächlich laufen gegen einige Big-Tech-Konzerne derzeit Verfahren wegen des Verdachts der Marktmacht. Amazon soll beispielsweise ein eigenes algorithmisches System kreiert haben, das nicht nur die Preise von Drittanbietern auf den eigenen Plattformen, sondern auch des Marktes insgesamt manipuliert haben soll.

Allerdings ist fraglich, ob Onlinemarktplätze wie Amazon wirklich einen so wesentlichen Einfluss auf die Inflation in den USA oder Westeuropa gehabt haben. In Deutschland sind vor allem Faktoren wie Treibstoffe, Strom und Gas, aber auch Lebensmittel und Getränke in den vergangenen Jahren Preistreiber gewesen.

Auf Amazon werden zwar Lebensmittel und Getränke – häufig zu überhöhten Preisen – gehandelt, jedoch machten sich die Preissprünge auch im stationären Einzelhandel bemerkbar. Nach dem Ende der Corona-Krise ist der Anteil von Amazon am gesamten Handelsvolumen zudem wieder gesunken.

NGOs nehmen Anstoß an hohen Gewinnmargen der Tech-Branche

In der Studie der NGOs hieß es, dass die Tech-Branche neben der Pharmaindustrie zuletzt jene mit den höchsten Gewinnmargen gewesen sei. Durchschnittlich lagen diese im Jahr 2022 demnach bei 75 Prozent der Produktionskosten. Im Fall von Meta, Microsoft, Nvidia und Google hätten sie sogar deutlich über 100 Prozent betragen.

Die Konzentration der Marktmacht auf wenige Unternehmen in den USA vergrößere sich bereits seit 1930 kontinuierlich. Hätten die oberen 0,1 Prozent der Unternehmen 1930 noch unter 50 Prozent am gesamten Vermögen in der US-Wirtschaft aufgewiesen, seien es 2010 nahezu 90 Prozent gewesen. Die globale Armut dagegen sei auch in 230 Jahren noch nicht vollständig überwunden.

Die NGOs forderten in ihrer Studie die Zerschlagung marktbeherrschender Unternehmen, schärfere Fusionskontrollen und höhere Steuern auf sehr große Vermögen und überdurchschnittlich hohe Unternehmensgewinne. Diesbezüglich sei das „weltweite Engagement der Finanzministerien“ gefragt.

Unterkomplexe Herangehensweise bei Studien dieser Art?

Skeptiker zweifeln an der Werthaltigkeit solcher Studien. Sie werfen ihren Erstellern eine unterkomplexe Herangehensweise und das Herstellen nicht bestehender Zusammenhänge vor. In seiner Rede am Mittwoch vor dem WEF betonte Argentiniens Präsident Javier Milei, dass das Bestehen von Monopolen ein temporäres Phänomen sei. Den weltweiten Rückgang extremer Armut seit 1800 von 95 auf fünf Prozent hätten diese zu keiner Zeit verhindert – auch, da sie niedrigere Preise durch Skalenerträge und Innovation ermöglicht hätten.

Tatsächlich bestehen Monopole nur so lange, wie das Marktsegment, auf dem sie agieren, nicht angreifbar ist – oder die Marktführer selbst durch zu hohe Preise den Raum für kleinere und flexiblere Konkurrenten freigeben. In einigen Fällen wirken sich Entscheidungen von Monopolisten langfristig sogar zu ihren Ungunsten aus.

So etwa 1997, als Apple knapp vor der Pleite stand und Microsoft stimmrechtslose Anteile erwarb, um sich bei Kartellbehörden aus der Schusslinie zu bringen. Wenige Jahre später startete der vermeintlich ungefährliche Konkurrent des Marktführers bei PC-Betriebssystemen auf dem Smartphone-Markt durch. Am Ende überholte Apple Microsoft an Börsenwert.

Vor allem aber ist globale Armut vorwiegend in Ländern ein Thema, in denen westliche Tech-Riesen nur wenig Bedeutung haben – und vor allem kaum Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger. Schon in vielen nicht westlichen Ländern ist die Bedeutung von Amazon, Microsoft oder Google eng begrenzt. In China haben sie einen marginalen Marktanteil, in von starker Armut geprägten Ländern wie Mauretanien oder dem Jemen ist ein solcher nicht einmal bekannt.

Was NGOs nicht erwähnen: Entglobalisierung ist Entscheidung der Politik – nicht des Marktes

Den höchsten Anteil an Armen haben Länder, die von zwischenstaatlichen Konflikten oder Bürgerkriegen erschüttert werden. Dazu kommen solche, in denen der Staat jetzt schon einen dominanten Einfluss auf das Gebaren der Unternehmen und die Preisbildung auf den Märkten ausübt. Ein Beispiel dafür aus jüngster Zeit ist das einstmals reiche Venezuela.

Generell haben neben Kriegen und Diktaturen vor allem politische Maßnahmen eine Rolle bei der Verlangsamung der Überwindung von Armut eine Rolle gespielt – nicht der Markt. So haben beispielsweise Corona-Maßnahmen, Sanktionen und Protektionismus dazu beigetragen, eine Entglobalisierung der Weltwirtschaft zu bewirken und Blockbildungen zu verstärken.

Diese erschweren es gerade Produzenten aus ärmeren Ländern, Zugang zum Weltmarkt zu finden. Es ist deshalb wenig wahrscheinlich, dass auf dem WEF vorgetragene Vorstellungen von NGOs über weltweite Millionärssteuern überhaupt einen Einfluss auf die Zahl der Armen hätten.



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