Der längste Bahnstreik hat begonnen – Industrie befürchtet Millionenschäden

Der voraussichtlich längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn hat begonnen. Seit Mittwochabend bestreikt die GDL den Güterverkehr der DB Cargo. Ab Mittwoch ist auch der Personenverkehr betroffen. Der Ausstand hat auch Auswirkungen auf die Industrie.
Titelbild
Güterzüge am 23. Januar 2024 bei Frankfurt am Main.Foto: Kyrill Kudryavtsev/AFP über Getty Images
Von 24. Januar 2024

Schon am Dienstagabend, 23.1., begann um 18.00 Uhr der sechstägige Streik, den die Lokführergewerkschaft GDL in ihrem anhaltenden Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn (DB) ausgerufen hatte. Betroffen war vorerst der Güterverkehr, mit Mittwoch, 2.00 Uhr, weitet die Gewerkschaft ihren Arbeitskampf auch auf die Personenbeförderung aus.

DB Cargo spricht von erheblichen Störungen der Lieferketten

Sollte die GDL ihren Streik wie geplant bis Montagabend durchziehen, wäre dies der längste in der Geschichte der Deutschen Bahn. Inwieweit die Auswirkungen ähnliche sein werden wie jene des dreitägigen Ausstandes, der vor knapp zwei Wochen stattfand, ist schwierig zu sagen.

Die damaligen Kampfmaßnahmen trafen mit den bundesweiten Bauernprotesten auf den Straßen zusammen. Solche sind dezentral zwar nach wie vor geplant, die Intensität hat jedoch gegenüber vor zwei Wochen nachgelassen.

Dieses Mal wird aber vorwiegend die Dauer des Ausstandes zum Tragen kommen. Gegenüber der „Wirtschaftswoche“ heißt es vonseiten der DB Cargo:

„144 Stunden Streik wirken sich unmittelbar auf Industrie-Lieferketten aus und stören sie nachhaltig.“

Wettbewerber der Bahn erhoffen sich Vorteile im Gütertransport

Als weniger gravierend schätzt demgegenüber der Verband „Die Güterbahnen“ die Lage ein, in dem hauptsächlich die Wettbewerber von DB Cargo organisiert sind. Dort heißt es, dass 60 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene nicht betroffen wären, da DB Cargo nur noch 40 Prozent Marktanteil habe.

Viele Güterzüge kämen „wegen eines entleerten Netzes sogar häufig besser ans Ziel“, so Verbandsgeschäftsführer Peter Westenberger. Die Bahn hingegen sieht die deutsche Wirtschaft durch den Streik als erheblich beeinträchtigt an. Mitbewerber würden vor allem einfachen Shuttleverkehr anbieten.

Demgegenüber sei DB Cargo eine europäische Netzwerkbahn, die komplexere Transporte im Rahmen des Einzelwagenverkehrs durchführten. Waren würden dort direkt beim Kunden abgeholt, die entsprechenden Waggons in Rangierbahnhöfen zu langen Güterzügen zusammengesetzt. Am anderen Ende des Weges nehme man sie wieder auseinander.

Zulieferer: Kurzfristiger Ersatz schwer zu finden

Betroffen vom Streik im Güterverkehr ist vor allem jener Teil der Industrie, der zu einem hohen Prozentsatz seine Güter über die Schiene transportiert. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) befürchtet deshalb eine erhebliche Belastung der Transportlogistik in Deutschland und auch anderen europäischen Ländern.

Es sei zwar bisher nicht abzuschätzen, ob die Lieferkette dermaßen beeinträchtigt sein würde, dass etwa Kunden auf ihren Neuwagen warten müssten. Allerdings bezeichnete der VDA die Option des kurzfristigen Umstiegs von der Schiene auf die Straße als „außerordentlich schwierig“.

Viele Unternehmen der Branche hätten ihre Transporte bereits in den vergangenen Jahren umgesattelt. Dadurch seien „diesbezügliche Potenziale weitestgehend ausgeschöpft“. Es seien primär Fertigfahrzeuge, die mit der Bahn transportiert würden.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) sprach von „flexiblen Lösungen“, die Unternehmen mit ihren Kunden und Logistikdienstleistern entwickelt hätten, um den Streik zu umgehen. Allerdings könnten solche Maßnahmen die zu erwartenden Einschränkungen und Verzögerungen „nur teilweise kompensieren“.

GDL mit hohem punktuellem Organisationsgrad

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, bezifferte den zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schaden pro Tag auf 100 Millionen Euro. Die Forderungen der Lokführer bewertete er als „nicht realistisch“.

Die Bahn habe mit dem Angebot einer Lohnerhöhung von 11 Prozent ein Angebot unterbreitet, das mit der Größenordnung der Abschlüsse im öffentlichen Dienst angesiedelt sei. Bereits jetzt fehlten dem Güterverkehr insgesamt 3.700 Lokführer. In einer solchen Lage sei eine Vier-Tage-Woche nicht realistisch.

Die GDL forderte eine Verkürzung der Arbeitszeit von häufig im Schichtbetrieb absolvierten 38 auf 35 Stunden. Zudem forderte sie eine Lohnerhöhung von mindestens 555 Euro im Monat und eine Inflationsprämie von 3.000 Euro. Das Jahresbrutto von Lokführern bei der DB bewegt sich im Durchschnitt zwischen 44.500 und 53.400 Euro.

Die GDL verfügt über 40.000 Mitglieder. Bei der DB gehören ihr 80 Prozent und bei den Wettbewerbern 75 Prozent der Lokführer an. Dazu kommen 40 Prozent der Zugbegleiter, die in der GDL organisiert sind.

Streik vor knapp zwei Wochen deutete zu erwartende Folgen an

Der letzte, dreitägige Streik der GDL hatte nicht nur Unternehmen indirekt betroffen, die ihre Rohstoffe und Güter mit der Bahn transportierten. Auch in den Nachbarländern waren die Folgen zu spüren, da fast 60 Prozent der Leistungen der Deutschen Bahn im Güterverkehr europaweit erbracht werden.

Bei den Zulieferern waren primär die Stahl- und die Chemiebranche in erheblichem Maße betroffen, dazu kamen Produkte für die Autoindustrie und fertige Fahrzeuge. Profitiert haben kurzfristig verfügbare Speditionen, sofern sie sich nicht an den Protestmaßnahmen ihres Gewerbes beteiligt hatten.

Aufgrund der Ausfälle im Personenverkehr konnten auch Busunternehmen, Anbieter von Mietwagen und Fluglinien höhere Aufträge verbuchen. Auch dieses Mal ist mit erheblichen Beeinträchtigungen, auch bei der Personenbeförderung, zu rechnen. Pendler werden häufig auf den privaten Pkw umsteigen, wo kein Homeoffice möglich ist.

Die Deutsche Bahn hält ihr Kunden über die Folgen des Streiks mithilfe eines Notfahrplans auf dem Laufenden.



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