Zwei-Klassen-Zustellung: Bundesregierung erwägt Umstellung des Briefsystems

Die Deutsche Post beharrt weiterhin darauf: Briefe sollen künftig in zwei Geschwindigkeiten ausgeliefert werden. Wer seine Briefe schneller verschickt haben möchte, soll auch mehr zahlen.
Briefträger in München.
Briefträger in München.Foto: Sven Hoppe/dpa
Epoch Times20. Februar 2023

Die Bundesregierung erwägt eine Reform des Postgesetzes hin zu einer Art Zwei-Klassen-Briefzustellung. „Es gibt Briefe, die sind dringend und müssen gesichert am nächsten Tag ankommen“, sagte die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), der „Süddeutschen Zeitung“ vom Montag. Bei anderen Sendungen könne hingegen von der gesetzlichen Vorgabe einer Zustellung innerhalb eines Tages abgerückt werden.

Die Post selbst begrüßt diesen Ansatz. „Der Verbraucher kann sich entscheiden, mit welchem Tempo sein Brief transportiert wird“, sagte der Personalvorstand der Deutschen Post, Thomas Ogilvie, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Im Sinne der Angebotspalette halte ich das für einen guten Schritt.“

Allerdings würde der neue Express-Brief für den Verbraucher voraussichtlich teurer. Dieses Prinzip der Zwei-Klassen-Briefzustellung gebe es aber in vielen europäischen Ländern, sagte Ogilvie.

Derzeit schreibt das Postgesetz vor, dass die Post 80 Prozent der Briefe innerhalb eines Tages zustellen muss. Das Ziel hat der Konzern jedoch wiederholt verfehlt. In den vergangenen Jahren häuften sich die Beschwerden, die Post verwies auf einen hohen Krankenstand und Personalmangel im Allgemeinen. „Das Postgesetz ist fast 30 Jahre alt, da ist leider vieles nicht mehr zeitgemäß“, sagte die grüne Staatssekretärin der „SZ“.

Briefträger sollen auch kleine Pakete ausliefern

Post-Personalvorstand Ogilvie zeigte sich überzeugt davon, dass der Brief trotz zuletzt sinkender Sendungsmengen in Deutschland kein Auslaufmodell sei. „Letztlich braucht vor allem auch der Staat einen funktionierenden Briefdienst“, sagte er den Funke-Zeitungen. Allerdings werde die Menge weiter zurückgehen.

Die Post plane daher mittels Verbundzustellung den Rückgang auszugleichen. Dabei liefern Briefträger auch kleine Pakete aus. „Auf dem Land werden Pakete und Briefe bereits von einer Person zugestellt. Das Prinzip könnten wir auch auf mehr Regionen ausweiten, um den Briefdienst erschwinglich zu halten“, sagte Ogilvie. Eine Reduzierung der Briefzustellung auf fünf Tage in der Woche sei dagegen kein Ziel, das derzeit verfolgt werde.

Abstimmung über Streik bei der Post

Unterdessen geht der Tarifkonflikt bei der Deutschen Post weiter. Die Gewerkschaft Verdi lässt ab diesem Montag darüber abstimmen, ob es einen unbefristeten Streik geben soll. Bis zum 8. März können die bei der Post beschäftigten Verdi-Mitglieder darüber entscheiden. Sollten mehr als 75 Prozent der Befragten das Tarifangebot der Post ablehnen, sollen „unbefristete Arbeitskampfmaßnahmen“ eingeleitet werden. Dann müssten sich Verbraucher wohl auf erhebliche Verzögerungen beim Erhalt von Briefen und Paketen einstellen.

Verdi fordert einen einjährigen Vertrag mit 15 Prozent mehr Geld. Der Konzern hält dies für wirtschaftlich nicht leistbar und bietet einen zwei Jahre laufenden Tarifvertrag mit verschiedenen Finanzkomponenten an. So würde sich laut Post etwa das Einstiegsentgelt eines Paketsortierers in diesem Zeitraum um 20,3 Prozent erhöhen und das eines Zustellers um 18 Prozent. Außerdem soll die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie über insgesamt 3.000 Euro fließen. Aus Sicht von Verdi reicht dieses Angebot nicht aus.

Drohende Verzögerungen für Kunden bei Streiks

Der Konzern hat Notfallpläne erarbeitet, um Beeinträchtigungen für die Kunden möglichst gering zu halten. „Sollte es aber tatsächlich zu flächendeckenden, unbefristeten Streiks kommen, werden wir Verzögerungen nicht ganz verhindern können“, sagte der Betriebschef der Brief- und Paketsparte, Thomas Schneider, der „Bild am Sonntag“. Auf die Urabstimmung reagierte er mit Unverständnis: „Wir haben das beste Tarifangebot in der Geschichte unseres Unternehmens vorgelegt.“

Die Post zieht grundsätzlich auch eine stärkere Fremdvergabe ihrer Aufgaben in Betracht. „Wir haben als Post für Deutschland über viele Jahrzehnte ein Betriebsmodell aufgebaut, das ausschließlich mit eigenen Kräften operiert“, sagte Personalvorstand Thomas Ogilvie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wenn Verdi das jetzt alles vor dem Hintergrund kurzfristiger maximaler Lohnsteigerungen infrage stellt, werden wir unser Betriebsmodell überdenken müssen.“

Auswirkungen auf Arbeitsplätze

Dies würde sich dann auch auf die Arbeitsplätze auswirken. Es stelle sich die Frage, ob Standorte weiter selber betrieben werden könnten oder ob sie fremdvergeben werden. Im Paketbereich habe die Post bei der Zustellung 98 Prozent in der eigenen Wertschöpfung. „Betriebs- und Sortierzentren sind im Eigenbetrieb. Die Briefzustellung haben wir komplett im Eigenbetrieb“, sagte Ogilvie. Bisher sei bis Ende Juni die Fremdvergabe der Briefzustellung vertraglich ausgeschlossen.

Die Gewerkschaft bezeichnete die Aussagen als „untaugliche Einschüchterung“ der Beschäftigten. „Auf diese Weise Ängste zu schüren, ist ein weiterer Versuch, die Beschäftigten bei der Urabstimmung negativ zu beeinflussen“, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis am Sonntag laut Mitteilung. „Die Absicht hinter der angedrohten Ausgliederung ist klar: Eine gute tarifliche Bezahlung soll durch Fremdvergabe umgangen werden.“

Vergangene Woche waren die Tarifverhandlungen für rund 160.000 Beschäftigte der Deutschen Post wie Paketboten oder Briefträger gescheitert. Nach Angaben von Verdi sind über 100.000 von ihnen Mitglieder der Gewerkschaft. In den vergangenen Wochen hatte es bereits Warnstreiks gegeben – so nennen sich Arbeitsniederlegungen, die vor einer Urabstimmung erfolgen und zeitlich befristet sind. Durch diese Arbeitskampfmaßnahmen hatte sich der Versand von Millionen Briefen und Pakete verzögert. (dpa/afp/dl)



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